Brandenburg Dienstag, 10. Oktober 2000

Hungerstreik gegen die Abschiebung

Von Heike Kowitz

Potsdam - Vor wenigen Tagen hat das Potsdamer Landgericht den Haftbefehl gegen den von Abschiebung bedrohten Russen David Alekseenko aufgehoben. Um seine Abschiebung nach Russland zu verhindern, musste der 22-Jährige eine Tortur auf sich nehmen: Nach einem 38 Tage dauernden Hungerstreik hat er 15 Kilo abgenommen. Zweimal wurde er von einem Arzt in die Psychiatrie des Klinikums Frankfurt (O.) eingewiesen.

Die Antirassistische Initiative und der Flüchtlingsrat Brandenburg machen den Behörden und dem verantwortlichen Arzt schwere Vorwürfe. Ute Kurzbein von der Antirassistischen Initiative in Berlin schrieb in einem Protestbrief: «Die Tatsache, dass ein Mensch, der durch einen Hungerstreik körperlich angeschlagen ist, nicht in die Innere Abteilung eines Krankenhauses, sondern in die Psychiatrie eingeliefert wird, zeigt die Absicht der Behörden, einen Menschen, der Widerstand gegen die ihn verhängten staatlichen Maßnahmen leistet, zu entmündigen.»

Alekseenko, geboren in Grozny, lebte lange Zeit in Moskau. Im Oktober vorigen Jahres floh er vor seiner Einberufung zum Militärdienst nach Deutschland. Sechs Monate verbrachte er in Abschiebehaft in Berlin-Köpenick, «obwohl die Behörden wussten, dass sie ihn nicht abschieben können, weil die russische Botschaft nicht in der Lage war, gültige Papiere zu besorgen», so Ute Kurzbein.

Zwei Monate nach seiner Entlassung wurde der Russe erneut festgenommen. Da diesmal das Bundesland Brandenburg zuständig war, wurde Alekseenko in Eisenhüttenstadt inhaftiert. Er habe das Gefühl gehabt, sich in einer völlig ausweglosen, rechtlosen Situation zu befinden, erklärt Frau Kurzbein, weshalb er schließlich Ende August in den Hungerstreik trat.

Unter schweren Kreislaufproblemen brach er am 9. September besinnungslos zusammen. Der Eisenhüttenstädter Arzt Dr. Hartmut Gläser veranlasste die Überweisung in die geschlossene Abteilung der Psychiatrie im Klinikum Frankfurt (O.). Die dort behandelnden Ärzte kamen jedoch zu dem Schluss, er sei seelisch völlig gesund.

Dies wiederholt sich am 18. September. Das Potsdamer Innenministerium fühlt sich für die nicht zulässigen Einweisungen nicht verantwortlich. Der Arzt sei völlig unabhängig in seiner Entscheidung, so Sprecherin Bettina Cain. Dr. Gläser verweigerte gegenüber der Berliner Morgenpost eine Stellungnahme.

   

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