zur Hauptseite Zusammenfassung 2008
Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und
2. Januar 08 Bundesland Niedersachsen. Am
Nachmittag überfallen in Braunschweig ein 21 und ein 23 Jahre alter Deutscher
zwei Asylbewerber. Die beiden Geschädigten melden sich erst bei der Polizei,
als sie erfahren, daß die Täter festgenommen sind. HAZ 4.1.08; jW 4.1.08; BrZ 4.1.08; BrZ 14.1.08 2. Januar 08 Bundesland Niedersachsen. Im
Braunschweiger Stadtteil Kralenriede werden um 20.30 Uhr auf offener Straße
zwei syrische Flüchtlinge von zwei deutschen kahlköpfigen Männern als
"Scheiß-Ausländer" beleidigt. Dann versetzt einer der Deutschen dem
19 Jahre alten Syrer einen Faustschlag ins Gesicht. Sein Kumpan schlägt dem
24 Jahre alten Flüchtling mehrmals mit einem Stein auf den Kopf. Als dieser
zu Boden geht, schlägt der Mann weiter auf sein Opfer ein. Noch vor Ort
können die beiden 21 und 23 Jahre alten Rassisten festgenommen werden. Der
ältere Syrer muß seine Verletzungen im Krankenhaus behandeln lassen. Während
der 21-jährige Täter aufgrund einer nicht angetretenen Haftstrafe von zwei
Jahren und acht Monaten unmittelbar in die Justizvollzugsanstalt gebracht
wird, kommt sein Kumpan auf freien Fuß. Zunächst
ordnet die Polizei die Täter der Fußball-Hooligan-Szene zu und bestreitet,
daß sie Kontakt zu Neonazis haben. Dies ändert sich, als ein Flugblatt des
Antifaschistischen Plenums Braunschweig und der Jugend Antifa-Aktion
auftaucht, auf dem ein Internet-Foto eines der Täter abgebildet ist, das ihn
mit "Hitlergruß" und einem auf die Brust gemalten Hakenkreuz zeigt. HAZ 4.1.08; jW 4.1.08; BrZ 4.1.08; BrZ 14.1.08 5. Januar 08 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
Aufgrund eines Zimmerbrandes im Flüchtlingsheim Borken müssen 16 Personen
evakuiert werden. Sie kommen unverletzt davon. Der Sachschaden wird auf
50.000 Euro geschätzt. Ein rassistischer Hintergrund wird
ausgeschlossen, weil die Ursache
in einem technischen Defekt vermutet wird. Polizei Borken 5.1.08 6. Januar 08 Bundesland Sachsen-Anhalt. Ein
29 Jahre alter Flüchtling aus der Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire) wird auf
seinem Nachhauseweg nachts um 0.45 Uhr aus einer Gruppe von vier Deutschen
heraus als "Neger" beleidigt. Der Ivorer reagiert mit "Fuck
you" und geht weiter. Als die Gruppe ihn weiter verfolgt, flüchtet er in
einen Imbiß. Die Gruppe der Verfolger wird größer, besteht bald aus zehn
Personen, die vor dem Imbiß massive Beleidigungen und Drohungen skandieren. Aus
Angst vor einer Erstürmung seines Imbisses fordert der Besitzer den Ivorer
auf, wieder zu gehen. Dieser hat inzwischen einige Freunde informiert,
verläßt dann den Imbiß und läuft, von Todesangst getrieben, seinen
alarmierten Freunden entgegen. Als er sie erreicht, werden sie von den
Rechten angegriffen. Er wird durch einen Faustschlag ins Gesicht verletzt. Der
32 Jahre alte Haupttäter, der sich später im Gerichtsverfahren freimütig als
"Nationalsozialist" bezeichnet, wird im November 2009 vom
Amtsgericht Magdeburg wegen einfacher Körperverletzung zu einer Geldstrafe
von 30 Tagessätzen verurteilt. Weder das gemeinschaftliche Vorgehen noch die
rassistische Motivation finden sich in dem Urteil wieder. Am
19. Juli 10 verurteilt das Landgericht Magdeburg in einem Revisionsverfahren
den Täter wegen gemeinsamer gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe
von sechs Monaten auf Bewährung. Wiederum wird die rassistische Motivation
nicht berücksichtigt. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 12. Januar 08 Die Tschetschenin Frau A. wird
morgens um 4.30 Uhr auf einer Autobahnraststätte an der Strecke Frankfurt
(Oder) – Berlin von der Polizei kontrolliert und festgenommen. Sie war mit
ihren sieben und zwölf Jahre alten Kindern aus Polen gekommen, um hier Asyl
zu beantragen. Eine Strafanzeige wegen unerlaubten Grenzübertritts, ihre
Inhaftierung in der ZABH Eisenhüttenstadt und die Unterbringung der Kinder in
einem Heim sind einige Stunden später durch Richterin Unger vom Amtsgericht
Frankfurt-(Oder) entschieden. Damit ist die Mutter von ihren Kindern
getrennt. Die
Kinder werden in die Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
nach Fürstenwalde gebracht. Sie verstehen nicht, was mit ihnen passiert. Sie
weinen unaufhörlich, essen und schlafen nicht. Die Mutter macht mit Hilfe
eines Dolmetschers mehrere Eingaben an die Gefängnisleitung und die
Bundespolizei. Die
schwangere Frau A. soll nach der Dublin II -Verordnung mit ihren Kindern nach
Polen zurückgeschoben werden. Am 15. Januar wird deshalb die Haftanordnung
vom Amtsgericht Eisenhüttenstadt (Richter Frost) um zwei Wochen verlängert. Erst
nachdem ein Rechtsanwalt eingeschaltet wird und Beschwerde einlegt, entscheidet
das Landgericht Frankfurt (Oder) am 22. Januar, daß die Inhaftierung der
Mutter und die Trennung von ihren Kindern unverhältnismäßig ist und gegen das
im Grundgesetz verbürgte Recht auf Familieneinheit verstößt. Der
Flüchtlingsrat Brandenburg verleiht am 21. März 2008, dem internationalen
Antirassismus-Tag, seinen diesjährigen "Denkzettel für strukturellen und
systeminternen Rassismus" an Richterin Unger und Richter Frost. jW 22.3.08; MOZ 15.4.08; Flüchtlingsrat Brandenburg 20. Januar 08 Bundesland Sachsen-Anhalt. Ein
indischer Flüchtling wird um 21 Uhr in Bitterfeld auf offener Straße von drei
deutschen Männern angegriffen. Zwei der Täter schlagen mehrfach mit Fäusten
auf den 36 Jahre alten Mann ein, dem schließlich die Flucht gelingt. Er
erleidet Schädelverletzungen, die er medizinisch behandeln lassen muß. Die
Täter können in der Nähe des Tatortes festgenommen werden. Gegen einen
39-Jährigen erläßt das Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen Haftbefehl wegen
gefährlicher Körperverletzung. Gegen den zweiten Täter dauern die
Ermittlungen noch an. Bei beiden handelt es sich um vorbestrafte Neonazis. LVZ 22.1.08; Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 23. Januar 08 Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick. Nach einer Botschaftsvorführung versucht sich der 19-jährige
iranische Flüchtling Nach
insgesamt 49 Tagen Haft in Berlin erfolgt am 29. Januar seine Verlegung in
die JVA Büren (Abschiebehaft). Jesuiten-Flüchtlingsdienst; Polizei Berlin 24.1.08; dp
24.1.08; taz 25.1.08; BT DS 17/10596; BT DS 17/10597; Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/11577 Januar 08 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
In Köln ruft eine 19-jährige Romni, die in der 16. Woche schwanger ist, die
Polizei zu Hilfe, um sich vor den Schlägen ihres Mannes in Sicherheit zu
bringen. Die Beamten nehmen sie jedoch fest und bringen sie in die
Abschiebehaft nach Neuss, weil sie von den Behörden als "illegal"
geführt wird und abgeschoben werden soll. Als
3-Jährige war sie 1991 mit ihrer Familie aus Montenegro nach Hamburg
gekommen. 2005 wurde die Duldung nicht mehr verlängert und der Vater
abgeschoben. Die Mutter ging dann mit den Kindern nach Frankreich, und weil
sie sich bei der zuständigen Behörde nicht abmeldete, ging diese davon aus,
daß die Familie ohne Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik lebte. Im
vorigen Jahr wurde die junge Frau in Köln nach Sitte der Roma mit dem Sohn
einer befreundeten Familie verheiratet. Ihren Asylantrag konnte sie noch
stellen; danach ließ die Familie des Mannes sie nicht mehr aus der Wohnung.
Sie wurde brutal zusammengeschlagen, gefesselt und bewacht. Den Termin für
die Anhörung ihres Asylverfahrens konnte sie daher nicht wahrnehmen.
Daraufhin wurde ihr Antrag abgelehnt. Nach
der Festnahme durch die Kölner Polizei wird die Abschiebung nach Montenegro
für den 13. Februar festgesetzt. Dies, obwohl die Frau nur Deutsch spricht,
das Land nicht kennt und als junge, alleinstehende Mutter dort chancenlos
wäre. Auch ihre Zeugenaussage im Strafverfahren gegen die Kölner Familie, die
sie gefangen hielt und mißhandelte, ändert nichts. Erst
nachdem sich Bundestagsabgeordnete für sie einsetzen, kann erreicht werden,
daß die Frau zwei Tage vor dem Abschiebungstermin aus der Haft entlassen wird
und eine Duldung erhält. Nach
komplizierten Verhandlungen mit französischen Behörden kann die junge Frau zu
ihrer Familie zurückkehren. Ihre Tochter wird in Frankreich geboren und
erhält die französische Staatsbürgerschaft, sie selbst stellt einen
Asylantrag. jW 1.3.08; jW 28.8.09; Katharina Schwabedissen – Journalistin Januar 08 Flughafen Frankfurt am Main.
Nach 14-jährigem Aufenthalt in der BRD soll eine Familie aus Chemnitz nach
Sri Lanka abgeschoben werden. Nach einem ersten Abschiebeversuch waren die
Eheleute in Abschiebehaft gekommen und der 10-jährige Sohn zum
Kindernotdienst. Seither hatten sie einander nicht mehr gesehen. Auch am
Flughafen Frankfurt werden die Eltern getrennt verwahrt, und der Junge bleibt
allein im Familienraum. Er
wird als erster ins Flugzeug geführt. Seine Mutter und sein Vater auch
einzeln und getrennt – allerdings unter Zwang, weil die beiden sich gegen die
Abschiebung wehren. Abschiebungsbeobachtung FFM 2008 6. Februar 08 Das Verwaltungsgericht Bremen
verpflichtet die Innenbehörde, einen externen Therapeuten für die
Untersuchung eines Abschiebegefangenen zuzulassen. Somit kann nach insgesamt
fünfwöchiger Haft der an paranoider Schizophrenie erkrankte Hakan U.
erstmalig von einem Spezialisten auf Haftfähigkeit untersucht werden. Bisher
hatte die Innenbehörde die Entscheidung über Haftfähigkeit einem Polizeiarzt
überlassen, der Allgemeinmediziner ist. Hakan
U. war Ende Dezember ohne gültige Aufenthaltspapiere in Bremer Abschiebehaft
geraten. Noch
bevor der externe Arzt den Kranken am 8. Februar untersuchen kann, geht ein
Fax bei dem Rechtsanwalt von Hakan U. ein, in dem es heißt, daß die
Innenverwaltung Beschwerde gegen das Verwaltungsgerichtsurteil eingelegt habe
und die Polizeidirektion deshalb dem gewünschten Therapeuten "den Zugang
zum Polizeigewahrsam nicht gestatten" werde. Zudem habe der Polizeiarzt
veranlaßt, den Kranken am 14. Februar in der Psychiatrie des Klinikums
Bremen-Ost untersuchen zu lassen. Eine
Woche später wird das Urteil vom Oberverwaltungsgericht bestätigt. Da das
Gericht in der Begründung allen Abschiebegefangenen das Recht auf freie
Arztwahl zuspricht, wird eine Änderung des Erlasses zum Abschiebegewahrsam
Bremen notwendig. taz 1.2.08; taz 8.2.08; taz 11.2.08; taz 20.2.08; Hans-Eberhard Schultz – Rechtsanwalt; Torsten Müller – Rechtsanwalt 6. Februar 08 Die 32-jährige
Abschiebegefangene Leila XX. aus Tschetschenien wird nach einer
Blinddarmoperation im Krankenhaus Dresden-Neustadt eine Woche lang mit dem
linken Bein an das Bettgestell gefesselt. Dies geschieht, obwohl die frisch
Operierte zudem an Schwangerschaftsbeschwerden leidet und ständig durch
JVA-Bedienstete bzw. durch Polizeibeamte bewacht wird. Die
Fesselung von kranken Abschiebegefangenen wird vom JVA-Personal als
"normal" angesehen. Erst als UnterstützerInnen energisch mündlich
und schriftlich gegen die völlig unverhältnismäßige Maßnahme protestieren,
wird bei Leila darauf verzichtet. Bei
späteren kurzzeitigen Aufenthalten im Krankenhaus Dresden-Neustadt am 6. und
8. März muß Leila XX. allerdings wiederum ähnliche Fesselungen erleiden. pax christi – Flüchtlingskontakte Dresden 18.2. und
11.3.08 7. Februar 08 Bundesland Niedersachsen. An der
Heidlandstraße von Soltau fällt einem Anwohner eine Person auf, die durch die
Gärten schleicht. Die benachrichtigte Polizei findet einen Mann, der nur mit
Hose, Pullover und Socken bekleidet ist und hinter einer Hecke hockt. Er
macht auf die Beamten einen verwirrten Eindruck und nennt auf Befragung
ausschließlich seinen Namen. Auf
der Wache stellt sich heraus, daß es sich bei dem Kranken um einen
24-jährigen Serben handelt, der zur Abschiebung ausgeschrieben ist. Der Serbe
wird am nächsten Morgen zur Vorbereitung seiner Abschiebung in die JVA
Hannover gebracht. Polizei Soltau-Fallingbostel 8.2.08 11. Februar 08 Rügen im Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern. Der kurdische Flüchtling M. A. findet seine Ehefrau
G. A. in ihrer Wohnung bewußtlos vor – neben ihr liegen mehrere leere
Tablettenpackungen. In dem Aufnahmebericht der Hanse-Klinik heißt es:
"Vor dem Hintergrund der drohenden Abschiebung kam es bei der Patientin
zu einer depressiven Dekompensation mit Suizidversuch." Trotz
eingereichter fachärztlicher Gutachten über die Krankheitszustände der
Eheleute hatte die Ausländerbehörde im Januar die zweite Abschiebeandrohung
zugestellt. Die Abschiebung sollte am 10. Februar erfolgen. Bis
zum 20. Februar wird Frau A. auf der psychiatrischen Station beobachtet –
dann erfolgt ihre Entlassung. Sie ist 31 Jahre alt, verheiratet und Mutter
von vier minderjährigen Kindern, die zur Schule gehen. Ende
des Jahres 1996 waren die Eheleute A. ohne ihre drei in Kurdistan geborenen
Kinder in die BRD geflohen, um dem Verfolgungsdruck in der Türkei
auszuweichen. Die erste Ablehnung ihres Asylantrages erfolgte im Februar
1997. Im Jahr 1999 wurde ihnen ihre älteste, damals 4 Jahre alte Tochter von
einem Bekannten gebracht – die beiden ältesten Kinder blieben weiterhin bei
den Großeltern in Kurdistan. In Deutschland kamen noch drei Kinder zur Welt. Erst
seit 2006 ist Frau A. in der Lage, über die politische Verfolgung, der sie
ausgesetzt war, und ihre dreimalige Inhaftierung zu reden. Eine
Posttraumatische Belastungsstörung und wiederkehrende depressive Störungen
mit Persönlichkeitsveränderungen sind die Folgen von Folter und
Vergewaltigung. Auch
die Gewalterfahrung des Ehemanns M. A. durch Festnahmen und Folter wegen der
ihm vorgeworfenen Aktivitäten innerhalb der PKK gilt den hiesigen Behörden
nicht als Asylberechtigung. Als im Jahre 2003 die erste Abschiebeankündigung
kommt, treten bei Herrn A. schwere psychische Symptome auf. Er erleidet
Flash-Backs und Albträume, in denen er Gefängnisaufenthalt und Folter immer
wieder neu erleben muß. Dreimal
wurde Herr A. mit den Kindern beim türkischen Konsulat in Berlin
zwangsvorgeführt. Die türkische Fahne und das Bild von Atatürk an der Wand
lösten bei ihm akute Traumaschübe aus. Er sah sich im Gefängnis, an die Decke
gehängt und mit kalten Wasser übergossen. Er hörte die Stimmen seiner
Folterer und fühlte die Fesseln an den Handgelenken. Er
wurde im Konsulat immer wieder aufgefordert, seine Kinder als türkische
StaatsbürgerInnen registrieren zu lassen. Da er das nicht tat, wurde ihm
"willentliche Hinderung der Aufenthaltsbeendigung" unterstellt.
Zuletzt kam die Drohung, daß er ohne seine Familie abgeschoben werden würde. Hans-Eberhard Schultz – Rechtsanwalt; taz 15.6.09 12. Februar 08 Detmold in Nordrhein-Westfalen.
Frau F., eine abgelehnte Asylbewerberin aus Kasachstan, hat panische Angst vor
der drohenden Abschiebung und öffnet sich deshalb die Pulsadern. Nachdem sie
wieder reisefähig ist, wird sie noch im Februar mit ihrem Mann und einem
erwachsenen Sohn nach fünfjährigem Deutschland-Aufenthalt abgeschoben. Danach
verliert sich ihre Spur. Frau
F., die in Kasachstan in einer Organisation zum Schutz der Rechte von Kindern
und Eltern gearbeitet hatte, war vor einer Rückkehr nach Kasachstan gewarnt
worden. Durch ein Schreiben von der Organisation "Für ein gerechtes
Kasachstan" erfuhren sie im November 2007, daß sich Milizangehörige und
Vertreter einer kriminell-religiösen Sekte nach ihrem Verbleib erkundigt
hatten. Um
einer gewaltsamen Abschiebung nach Kasachstan zu entgehen, war die Familie im
Dezember 2007 'freiwillig' nach Tschechien ausgereist. Als sie sich dort
anmelden wollten, wurden sie inhaftiert und am 9. Januar 2008 in die BRD
zurückgeschoben. Herr F. kam umgehend in Abschiebehaft und bliebt in der JVA
Hannover-Langenhagen bis zur Abschiebung. Flüchtlingshilfe
Lippe 13. Februar 08 Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick. Nach der nächtlichen Flucht von vier Männern durchsuchen
Polizisten am frühen Morgen alle Zellen – auch die der Frauen. In einem
Gemeinschaftsbrief protestieren alle dreizehn inhaftierten Frauen gegen die
Behandlung bei der Razzia. Sie
seien aus dem Bett geworfen und zusammengetrieben worden. In dem Brief heißt
es: „Es waren bewaffnete junge Männer, sie waren etwa 30 Leute... Sie zielten
auf uns mit einer Pistole... Wir wurden einzeln in die Toilette hineingeführt
und gezwungen, uns auszuziehen... Am Ende wurde jede von uns mit einem
Metalldetektor durchsucht.“ Polizei Berlin 13.2.08; BeZ 14.2.08; Jesuiten-Flüchtlingsdienst 14. Februar 08 Wiesbaden im Bundesland Hessen.
Um 18.56 Uhr geht ein Notruf bei der Polizei ein, daß es in einem Haus im
Stadtteil Mainz-Kastel im Philippsring brennt. Als
die Rettungskräfte der Berufsfeuerwehr 2 und Freiwilligen Feuerwehr Kastel
eintreffen, steht eine Wohnung im dritten Stock in hellen Flammen, und
BewohnerInnen kommen ihnen aus dem Treppenhaus entgegen. Die Wohnung befindet
sich in einem dreistöckigen Wohnhaus mit Dachgeschoß, in dem
AsylbewerberInnen untergebracht sind. Die Feuerwehr muß über eine Drehleiter
weitere Personen aus der Dachgeschoßwohnung retten. Zehn Personen – darunter
acht Kinder und eine schwangere Frau – werden wegen Rauchgasvergiftung in
mehreren Rettungswagen behandelt und in verschienene Wiesbadener und Mainzer
Kliniken gebracht. Alle anderen BewohnerInnen werden evakuiert. In
dem Wohnhaus stehen viele Wohnungen leer. Im Zuge der Ermittlungen stellt
sich heraus, daß sich drei Jugendliche im Alter von 12 bis 14 Jahren aus
Mainz-Kastel in der nicht bewohnten Wohnung getroffen hatten und dabei das
Feuer entstand. Polizei Wiesbaden 14.2.08 15. Februar 08 Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick. Eine 53 Jahre alte Vietnamesin, die während ihrer mehr als
sechsmonatigen Haftzeit rapide an Gewicht verliert, hat so starke Schmerzen
in der Schulter, daß sie schreit, sich auf die Erde wirft und ihren Kopf
gegen die Wand schlägt. Der Polizeiärztliche Dienst verabreicht ihr
Beruhigungsmittel. Am 10. März wird sie abgeschoben. Jesuiten-Flüchtlingsdienst 20. Februar 08 Bundesland Bayern. Der irakische
Flüchtling Samir Marzina wird festgenommen, und auf der Polizeistation wird
ihm erklärt, daß gegen ihn ein rechtskräftiger und unanfechtbarer
Gerichtsentscheid vom 8. November 07 vorliegt, in dem er zu einer 65-tägigen
Haftstrafe verurteilt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Samir Marzina
keinerlei Briefe erhalten, obwohl er seit September 2007 in der Zentralen
Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber Zirndorf offiziell aufgenommen
wurde. Das
Urteil gründet auf einer Strafanzeige vom 3. September 07, als er auf einer
Autobahnraststätte in Südbayern mit falschem Reisepaß festgehalten wurde und
von der Kripo Rosenheim eine Strafanzeige wegen Urkundenfälschung erhielt. Die
Staatsanwaltschaft Traunstein, die die Anzeige weiter betrieb, hatte einen
Zustellungsbevollmächtigten beauftragt, der die amtlichen Briefe jedoch nicht
nach Zirndorf schickte, sondern an die Heimatadresse von Herrn Marzina in den
Irak. Allein
durch eine sofortige Bargeldzahlung von 903,50 Euro konnte die Haftstrafe
abgewendet werden. Allerdings – und das ist für seinen weiteren Aufenthalt
als Flüchtling schwerwiegender – gilt er jetzt als vorbestraft. Der
Bauingenieur Samir Marzina, der zur Volksgruppe der Chaldäer gehört und
Mitglied der syrisch-katholischen Kirche in Mossul war, hatte bereits in
Griechenland unter dem Vorwurf der illegalen Einreise drei Monate im
Gefängnis ge sessen. Im
November 2009 wartet er seit über einem Jahr auf eine Entscheidung darüber,
ob sein Asylverfahren in der BRD stattfinden kann oder ob er nach
Griechenland zurückgeschoben werden soll. Alternativer Menschenrechtsbericht 2008 21. Februar 08 Bundesland Niedersachsen –
Landkreis Ammerland. Im Büro des Ausländeramtes im Kreishaus von Westerstede
übergießt sich um 10.55 Uhr ein 39-jähriger Iraner mit Brennspiritus und
droht, sich mit einem Feuerzeug anzuzünden. Dem Sachbearbeiter des Büros
gelingt es vorerst, ihn zu beruhigen, doch dann setzt er seine Absicht in die
Tat um. Hinzukommende Mitarbeiter des Amtes reißen ihm seine brennende Jacke
vom Oberkörper und bringen ihn selbst zu Boden, weil er sich gegen die
Rettungsversuche wehrt. Mit einem Feuerlöscher wird das Feuer an seinem
Körper und der Jacke gelöscht. Die
gerufene Polizei evakuiert den Gefahrenbereich und läßt den Flüchtling und
die beteiligten Mitarbeiter der Kreisverwaltung in die Ammerlandklinik
bringen. Während die vier Behörden-Mitarbeiter mit einer leichten
Rauchgasvergiftung nach ambulanter Behandlung die Klinik wieder verlassen
können, kommt der 39-jährige Iraner in die Medizinische Hochschule Hannover.
Hier werden seine Verbrennungen zweiten Grades im Halsbereich und eine
Rauchgasvergiftung stationär behandelt. Der
Iraner hatte an diesem Tag bereits um 9.45 Uhr das Büro aufgesucht, um
Angelegenheiten im Zusammenhang mit seinem Asylverfahren zu besprechen. Nach
einer verbalen Auseinandersetzung mit dem Sachbearbeiter hatte er den Raum
verlassen und war dann eine Stunde später mit einer 1-Liter-Flasche
Brennspiritus in der Hand zurückgekommen. Polizei Oldenburg 21.2.08 24. Februar 08 Bundesland Sachsen-Anhalt. Am frühen
Morgen wird ein eritreischer Flüchtling in Halle von zwei deutschen Männern
auf der Straße angegriffen. Nach rassistischen Beschimpfun-gen und
Beleidigungen wird ihm mehrmals ins Gesicht getreten. Er erleidet eine
Platzwunde an der Oberlippe. Die
beiden Täter, die mit drei weiteren Männern unterwegs sind, werden von der
Polizei gestellt und geben als Motiv für die begangene Körperverletzung ihre
rassistische Gesinnung an. Polizei Halle; ddp 24.2.08 26. Februar 08 Berlin. Der 35 Jahre alte abgelehnte
Asylbewerber Rahed H. wird aus der Abschiebehaft heraus unter Begleitung von
drei Polizisten nach Jordanien abgeschoben und gerät dort unmittelbar wieder
in Haft, denn die jordanischen Behörden haben die Berliner Begründung für die
Abschiebung "Terrorismusverdacht" direkt übernommen. Rahid H. läßt
in Berlin seine ebenfalls aus Jordanien stammende Ehefrau und drei in der BRD
geborene minderjährige Kinder zurück. Obwohl
ein vom Generalbundesanwalt eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen
Kontaktes zu der "terroristischen Vereinigung Al Tauhid" bereits im
März 2005 aufgrund mangelnder Beweise eingestellt worden war, wurde Rahid H.
mit den Begründungen "Identitätstäuschung" und "engen Kontakt
zu terroristischen Vereinigungen" in Abschiebehaft genommen. Obwohl
wegen der angeblichen Identitätstäuschung ein Verfahren beim
Verwaltungsgericht anhängig ist, erfolgt die Abschiebung. Nach
einigen Tagen Haft in Jordanien wird Rahed H. entlassen. Seine Frau reist
später mit den Kindern nach Jordanien aus. taz 7.3.08; Rüdiger Jung – Rechtsanwalt Februar 08 Flughafen Frankfurt am Main. Der
11-jährige Sohn eines afghanischen Ehepaares muß mangels vorhandener
ÜbersetzerIn zwischen seinen Eltern und den Abschiebebeamten dolmetschen. Dies
belastet ihn offensichtlich schwer, denn er klagt über Bauchschmerzen und
krümmt sich immer wieder heftig. Die
Eltern waren mit seinen zwei Schwestern und seinem 5-jährigen Bruder im Jahre
2002 über Rußland in die BRD eingereist, danach in die Niederlande, und im
Januar 2008 nach Deutschland zurückgekommen. An der Grenze wurde der Vater in
Abschiebehaft genommen. Die
Eltern sind verzweifelt, denn sie wissen nicht, wie sie in Afghanistan
überleben sollen. Trotzdem wird die Abschiebung vollzogen. Abschiebungsbeobachtung FFM 2008 1. März 08 Wetteraukreis im Bundesland
Hessen. Durch Orkanböen wird morgens um 7.00 Uhr das gesamte Blechdach des
zweigeschossigen Flüchtlingsheimes in Butzbach weggerissen und auf die Straße
geschleudert. Die
30 BewohnerInnen des Hauses bleiben unverletzt, müssen allerdings evakuiert
werden. Der Sachschaden wird auf 200.000 Euro geschätzt. Polizei Friedberg 2. März 08 Bundesland Bayern. Im Rahmen
einer Schleierfahndung wird die 36 Jahre alte Kurdin Ayfer Kaya nahe der österreichischen
Grenze festgenommen und kommt in das Münchener Frauengefängnis Neudeck in
Auslieferungshaft. Ayfer Kaya hatte in den Jahren 1998 und 1999
als Dolmetscherin des ehemaligen PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan während
seiner Aufenthalte in Italien und Griechenland gear-beitet und gilt heute als
inoffizielle Pressesprecherin der Arbeiterpartei Kudistans (PKK). In
Griechenland wurde sie als politisch Verfolgte anerkannt. Aufgrund
zweier türkischer Haftbefehle erfolgt die Verhaftung durch deutsche Beamte.
Am 5. Juni entscheidet das Oberlandesgericht München ihre Freilassung. AZADI infodienst Nr.64 März 2008; jW 15.3.08; ND 10.3.08; jW 6.6.08; AZADI infodienst Nr. 67 Juni 2008 11. März 08 Bundesland Niedersachsen. Der
bhutanesische Flüchtling Anup Rai wird nach elf Tagen Abschiebehaft in
Begleitung von zwei Mitarbeitern der Zentralen Ausländerbehörde Braunschweig
nach Nepal abgeschoben. Dies geschieht, obwohl der Ausländerbehörde Gifhorn
keine nepalesischen Papiere vorliegen. Stattdessen hatte der Landkreis ein
deutsches Paßersatzpapier für den Flüchtling ausgestellt. Die deutschen
Behörden hatten dann mit der Einwanderungsbehörde in Katmandu vereinbart, daß
Anup Rai zur Identitätsfeststellung (!) nach Nepal gebracht werden solle. Nach
seiner Ankunft kommt Herr Rai für drei Tage in Haft. In dieser Zeit erhält er
kaum etwas zu essen oder zu trinken, da er sein Essen bezahlen soll und kein
Geld hat. Die nepalesische Einwanderungsbehörde in Katmandu stellt
schließlich – wie schon zuvor die nepalesische Auslandsvertretung in
Deutschland – fest, daß Anup Rai nicht die nepalesische Staatsangehörigkeit
besitzt, und schickt den Flüchtling am 14. März wieder nach Frankfurt zurück.
Dort wird er aufgefordert, "umgehend" an seinen Wohnort zurückzukehren
und sich "bis zum 18.03.2008" bei der Zentralen Ausländerbehörde
Braunschweig zu melden. Am
20. Oktober 2008 teilt die Ausländerbehörde Gifhorn Anup Rai mit, daß er eine
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erhält. Nach Auffassung der
Behörde steht jetzt erst fest, daß der Flüchtling nicht nach Bhutan
zurückkehren und auch nicht in ein anderes Land – wie z.B. Nepal – ausreisen
oder abgeschoben werden kann. Eine
Rückkehr nach Bhutan wäre ohnehin für Anup Rai gar nicht möglich gewesen,
denn die bhutanesische Regierung verweigert generell allen nicht
registrierten oder illegal ausgereisten Minderheitenangehörigen die
Staatsangehörigkeit. Eine Tatsache, die die Ausländerbehörde versucht hatte
zu umgehen, indem der Flüchtling versuchsweise nach Nepal ausgeflogen wurde. FRat NieSa 27.3.08; FRat NieSa
10.11.08 12. März 08 Munster im Bundesland
Niedersachsen – Landkreis Fallingbostel. Als eine armenische Familie aus dem
Schlaf gerissen und zur Abschiebung abgeholt wird, erleidet die herzkranke
Frau einen Kreislauf-Zusammenbruch, so daß sie in ein Krankenhaus gebracht
werden muß. Ihr
37 Jahre alter Ehemann wird mit den vier Kindern – eines ist sieben Monate
alt – von der Polizei zunächst nach Bielefeld gebracht. Von dort aus beginnt
die Fahrt in einem Polizeiwagen in Richtung München, wo das Flugzeug mit den
Flüchtlingen starten soll. Durch
schnelle Intervention des Flüchtlingsrates gelingt es über den
Flughafensozialdienst, die Bundespolizei in München zu der Entscheidung zu
bringen, diese Abschiebung nicht durchzuführen. Der
Polizeiwagen, der sich mit den Flüchtlingen noch auf der Autobahn befindet,
muß daraufhin die Fahrt stoppen. Die niedersächsischen Beamten setzen den
mittellosen Vater mit den Kindern auf einer Raststätte bei Kassel kurzerhand
aus und überlassen sie ihrem Schicksal. Verwandte
der Familie, denen es gelingt, einen Wagen zu leihen, holen die Familie ab.
Um 2.00 Uhr morgens sind die völlig erschöpften Kinder wieder Zuhause in
Munster. Die
Kinder erzählen, daß sie kaum etwas zu essen und zu trinken bekamen und daß
ihnen mit dem "Kinderheim" gedroht wurde, wenn sie nicht leise
seien. Ihren Vater würde man dann ohne sie abschieben. FRat NieSa 13.3.08; FRat NieSa 14.3.08 13. März 08 Bundesland Bayern. In einer
Flüchtlingsunterkunft in Würzburg entsteht um 17.30 Uhr ein Brand, der von
einer im Treppenhaus abgelegten Schaumgummi-Matratze ausgeht. Alle 50
Personen, die zu dieser Zeit im Haus sind, können sich ins Freie retten. Ein
sudanesischer Flüchtling, der den Brand entdeckt hatte, und ein Wachmann, der
mit ihm zusammen das Löschen des Feuers versucht hatte, kommen mit
Rauchvergiftungen in eine Klinik. Als Ursache des Feuers wird Brandstiftung
vermutet. Polizei Unterfranken 13.3.08 13. März 08 Waltrop im Bundesland
Nordrhein-Westfalen. Um 15.10 Uhr brennt es im Flüchtlingsheim Unterlipper
Straße. Alle BewohnerInnen werden aus dem Gebäude evakuiert – ein Bewohner,
der bei den Löscharbeiten geholfen hatte, kommt vorsorglich ins Krankenhaus. Es
wird vermutet, daß das Feuer durch ein 4-jähriges Kind entstanden ist. Polizei Recklinghausen 13.3.08 13. März 08 Im brandenburgischen Storkow
wird der 14-jährige Sohn eines afghanischen Asylbewerbers auf dem Schulweg
von Jugendlichen attackiert. Sie schlagen ihm mit der Faust ins Gesicht und
beschimpfen ihn mit den Worten: "Du Ausländer, mach daß Du nach Hause
kommst!" Opferperspektive 14. März 08 Bundesland Baden-Württemberg.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entscheidet den Folgeantrag
eines zuvor abgelehnten Asylbewerbers aus Liberia entsprechend AufenthG § 60
Abs. 2 mit der Begründung, daß eine Abschiebung zu einer erheblichen Gefahr
für Leib und Leben führt. Dies geschieht fünf Monate nach der Antragstellung,
obwohl der Antrag vom 14.11.07 mit dem schweren Krankheitsbild einer schnell
fortschreitenden Zerstörung des motorischen Nervensystems begründet worden
war (ALS Amyotrophy Lateralsklerose). ALS ist eine tödlich verlaufende
Krankheit, die früh und intensiv behandelt werden muß, um das Leiden des
Betroffenen zu mindern und die Lebensqualität so weit wie möglich zu
erhalten. Die
Dringlichkeit einer Entscheidung mußte immer wieder angemahnt werden. Erst
nachdem der Flüchtling eine Untätigkeitsklage und Dienstaufsichtsbeschwerde
androhte, reagiert das Bundesamt am letzten Tag der ihm gesetzten Frist.
Durch die monatelang verschleppte Entscheidung konnten erforderliche
Behandlungen – wegen der eingeschränkten Kostenübernahme nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz – nicht eingeleitet werden. Eine Situation, die
den Patienten auch psychisch extrem belastete. Dem
Flüchtling wurden zwischenzeitlich sogar die 40 Euro Taschengeld gestrichen,
weil ihm vorgeworfen wurde, daß er seine Abschiebung verhindere. Seit
zwei Monaten befindet er sich in einem Altenpflegeheim, sitzt im Rollstuhl
und ist auf ständige Hilfe angewiesen. SAGA 13.4.08; SAGA 21.1.09 14. März 08 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
Als der 17 Jahre alte irakische Flüchtling S. aufgrund einer Überweisung
seines Arztes einen Termin im Krankenhaus wahrnehmen will, erwartet ihn eine
Vertreterin der Ausländerbehörde Gütersloh. Diese gibt entgegen anders
lautender ärztlicher Berichte an, daß S. seine klinischen Symptome nur
vortäuschen würde. Sie veranlaßt seine Verhaftung, und er kommt in die JVA
Büren in Abschiebehaft. S.
leidet an einer Sichelzellen-Anämie, in deren Folge schwere Schmerzzustände
auftreten. Diese Schmerzen steigern sich durch die psychische Belastung in
Haft derart, daß S. nicht mehr laufen kann. Erst durch massives Eingreifen
verschiedener Menschenrechtsorganisationen kann erreicht werden, daß er ins
Gefängniskrankenhaus Fröndenberg gebracht wird. Herr
S. war mit seinem Vater über Schweden in die BRD gekommen, weil der Vater mit
der Betreuung seines kranken Sohnes überfordert ist und in der Nähe von
Gütersloh mit der Unterstützung von Verwandten rechnen konnte. Ein Onkel des
Jugendlichen würde ihn sogar adoptieren, um ihn zu unter_ stützen. Im
Rahmen des Dublin-II-Verfahrens wird S. eine
Woche nach seiner Festnahme nach Schweden zurückgeführt. AK Asyl – Bielefeld 19.3.08; AK Asyl – Bielefeld 15. März 08 Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern. Nach einem Aufmarsch der NPD und der
Mecklenburgischen Aktionsfront wird in der Friedrich-Wilhelm-Straße in
Neustrelitz um 18.35 Uhr der 30-jährige libanesische Flüchtling Mohammed B.
von drei jugendlichen Deutschen verbal attackiert. Als Herr B. die
Straßenseite wechselt, wird er weiter verfolgt – eine Bierflasche fliegt ihm
hinterher. Mohammed B. fordert die Jugendlichen auf, ihn in Ruhe zu lassen,
und ruft über sein Handy die Polizei an, die von diesem Zeitpunkt an das
Geschehen akustisch verfolgt. Herr B. läuft zum Bahnhof, weil er sich dort
Hilfe erhofft. Mit Rufen wie "Ausländer raus!" wird er weiter
verfolgt. Als die drei Jugendlichen weitere Bierflaschen aus einem Rucksack
holen wollen und den an Körpergröße unterlegenen Libanesen einkreisen und zu
schlagen beginnen, kommt es zu einem Handgemenge. Mohammed B. nutzt jetzt
seine Kampfsporterfahrungen und bringt die drei Jugendlichen schnell zu
Boden. Sie ergreifen die Flucht. Die
14, 16 und 18 Jahre alten Täter aus Neustrelitz und Kratzeburg gehören der
rechten Szene an, und zwei von ihnen gestehen bei den polizeilichen Verhören
auch die Beteiligung an der Verwüstung des jüdischen Friedhofs in
Neustrelitz, die am selben Abend stattgefunden hat. Das
Strafverfahren gegen die 14- und 16-jährigen Täter wird abgetrennt, so daß
sich der 18-Jährige als Haupttäter ab April vor dem Jugendschöffengericht
allein verantworten muß. Ab 17. März befindet er sich in Untersuchungshaft,
einerseits wegen der Beteiligung an dem
Geschilderten – andererseits auch wegen einer Vielzahl anderer Straftaten,
wie Einbrüche und Diebstähle. Im
Herbst wird er wegen eines knappen Dutzends Straftaten – unter anderem auch
wegen versuchter Körperverletzung – verurteilt. ap 16.3.08; redok 16.3.08; jW
17.3.08; mvregio.de 17.3.08; NK 2.4.08; LOBBI 28. März 08 Bundesland Sachsen. Um ca. 23.30
Uhr wird das Flüchtlingsheim Langburkersdorf in Neustadt angegriffen. Durch
Flaschenwürfe gegen ein Zimmer im Erdgeschoß wird ein Flüchtling aus Sri
Lanka am Auge verletzt und muß sich im Krankenhaus behandeln lassen. Ausländerrat Dresden 31.3.08; Ausländerrat Dresden 15.9.08 29. März 08 Berlin – Bezirk Lichtenberg. Ein
ca. 30 Jahre alter, abgelehnter Asylbewerber aus Vietnam stürzt aus dem 19.
Stock des Hochhauses in der Franz-Jacob-Straße 1. Er ist sofort tot. Die
Polizei geht von einer Selbsttötung aus. Marina Mai – Journalistin; Antirassistische Initiative Berlin 31. März 08 Hamburg. Als die 14-jährige
Liana Grigorjan morgens um 5 Uhr die Wohnungstür öffnet, sieht sie sich einem
Dutzend Personen gegenüber. Es handelt sich bei dem Aufgebot um Polizisten
und Mitarbeiter der Ausländerbehörde. Ein Beamter sagt ihnen, daß die Familie
jetzt abgeschoben werde – sie hätte 20 Minuten Zeit zum Packen. Liana
wird mit ihrem in Handschellen gelegten Vater Ruben Grigorjan und dem
11-jährigen Bruder Grisha zum Flughafen transportiert. Zurück bleiben die
5-jährige Schwester Sona und ihre 36 Jahre alte Mutter Gohar. Die beiden
können nicht abgeschoben werden, weil für Sona, die in Hamburg geboren wurde,
die nötigen Papiere (Registrierung in Armenien) fehlen. Damit ist die Familie
durch die Abschiebung getrennt. Bei
einem Zwischenstop in Prag müssen Vater und Kinder zwölf Stunden lang in
einer kleinen schmutzigen und stinkenden Zelle ausharren, bevor der Flug
Richtung Eriwan weitergeht. Auch
drei Monate nach der Abschiebung wechselt Ruben Grigorjan aus Angst vor
Verfolgung alle drei Tage die Bleibe. Die Kinder sprechen kaum Armenisch,
lesen und schreiben können sie es gar nicht. Ruben
Grigorjan hatte vor 14 Jahren Armenien verlassen müssen, weil seine Familie
nach einer Beteiligung an einem tödlichen Autounfall von der Familie des
Opfers mit dem Tode bedroht wurde. Sie blieben dann sechs Jahre in Rußland –
am 21. Januar 2000 kamen sie in die
Bundesrepublik und wurden eine Woche später wegen Verstoßes gegen die Einreisebestimmungen
schriftlich wieder ausgewiesen. Seither
lebten sie in Hamburg, die Tochter Sona ist hier geboren. Die Kinder Liana
und Grisha besuchten die Heinrich-Hertz-Grundschule. Liana war
Klassensprecherin in der Klasse 7a, und Grisha bereitete sich im Boxverein
auf seine ersten Kämpfe vor. Die Erlaubnis, eine Arbeit aufnehmen zu können,
verweigerte die Behörde Herrn Grigorjan wiederholt, weil sie der Familie
vorwarf, unter falschem Namen in die BRD eingereist zu sein. Nach
der Abschiebung von Mann und Kindern verliert Gohar Grigorjan die Wohnung und
wird mit ihrer kleinen Tochter in ein Flüchtlingsheim eingewiesen. Das
Entsetzen, die Empörung und die Trauer in den Schulklassen, in denen jetzt
zwei Kinder fehlen, ist groß. MitschülerInnen und LehrerInnen von Liana und
Grisha organisieren Unterschriftensammlungen, Briefaktionen und schreiben
Flugblätter. In der Aktionsgruppe "Kommt zurück" schließen sich
FreundInnen und UnterstützerInnen zusammen, um die Rückkehr der Abgeschobenen
zu erkämpfen. Am 4. Juni findet eine "Demonstration zur Rückkehr"
statt, an der 150 Menschen teilnehmen. Unter ihnen sind viele Kinder aus
verschiedenen Schulen, Eltern und LehrerInnen, auch Mitglieder der GEW und
des Flüchtlingsrates. Ausländerbehörde,
Petitionsausschuß und Härtefallkommission schieben die Verantwortlichkeit
monatelang hin und her. Am 19. August eröffnet der Eingabenausschuß das
"Angebot", daß die Kinder "vorübergehend", ohne den Vater
und auf eigene Kosten einreisen dürfen – und zwar so lange, bis die noch
fehlenden Ausreisepapiere für die 4-jährige Sona vorliegen und dann die
Familie gemeinsam abgeschoben werden kann. Als
allerdings die beiden Geschwister in Eriwan in der Deutschen Botschaft ihre
Visa abholen wollen, werden ihnen diese verweigert, weil sie auf die Frage,
was sie denn in Hamburg machen wollen, geantwortet haben: "Endlich
wieder zur Schule gehen!". Mit dieser Antwort würde deutlich, so
Botschaftsangehörige, daß sie in Hamburg bleiben wollen, die "Rückkehrwilligkeit"
nach Armenien sei zweifelhaft. Liana und Grisha brechen weinend zusammen. Erst
nach Intervention vieler UnterstützerInnen stellt die Botschaft am nächsten
Tag schließlich die Visa aus. Die aus Spendengeldern finanzierten Flugtickets
sind indes verfallen. Am
30. August kehren die Kinder nach Hamburg zurück. Trotz allem hält die
Ausländerbehörde auch im Dezember noch an dem Vorhaben fest, die Familie
komplett abzuschieben. Am
24. April 09 stellt das Verwaltungsgericht Hamburg fest, daß die Abschiebung
rechtswidrig war. Anfang
des Jahres 2010 wird wieder versucht, die ganze Familie abzuschieben. Ein
Antrag bei der Härtefallkommission ist noch nicht entschieden. Auch
die Situation von Herrn Grigorjan ist weiterhin prekär, denn eine Rückreise
in die BRD bleibt ihm immer noch verwehrt. FRat HH 21.4.08; ndr 90,3 23.4.08; taz-nord 4.6.08; Hamburgische Bürgerschaft DS 19/181; FRat HH
5.6.08; taz-nord 13.6.08; HM 28.6.08; Hinz&Kunzt 7.7.08; Die
Zeit 31.7.08; FRat HH 20.8.08; Welt 20.8.08; FRat HH 27.8.08; HA 28.8.08; HM 28.8.08; HA 28.8.08; FRat
HH; Hinz&Kunzt Dez. 2008; Fluchtpunktinfos HH Dez.
2008; Flüchtlingsräte Winter 2008; Fluchtpunkt 11.5.09; FRat HH 10.6.09 2. April 08 Berlin. In aller Frühe dringen
Polizisten in eine Wohnung im Bezirk Schöneberg ein und nehmen die 51 Jahre
alte staatenlose Kurdin Khadra O. mit. Noch am selben Tag wird die
siebenfache Mutter – nach 27 Jahren Deutschland-Aufenthalt – in die Türkei
abgeschoben. Der
in Beirut geborenen und dort aufgewachsenen Khadra O. werfen die deutschen
Behörden Identitätstäuschung vor, obwohl sie gerichtlich von diesem Vorwurf
freigesprochen wurde. Als die Berliner Härtefallkommission sich für ein
Bleiberecht ausspricht, wird dieses von Seiten des Innensenators Körting an
folgende Bedingungen geknüpft: Frau O. soll eine Arbeit aufnehmen, um ihren
Lebensunterhalt selbst zu bestreiten; zudem soll sie einen türkischen Paß
beantragen und die angebliche Identitätstäuschung zugeben. Davon
abgesehen, daß die beiden letzten Bedingungen nicht erfüllbar sind, hatte
Frau O. einen Arbeitsplatz in einer Firma zugesagt bekommen – eine
Arbeitserlaubnis wurde ihr von der Ausländerbehörde jedoch verweigert. Nach
der Abschiebung kommt Frau O., die kein Türkisch spricht, bei Verwandten
ihrer Berliner Nachbarin in Mardin unter. Am
3. Juli kann Khadra O. aufgrund einer politischen Einzelfallentscheidung des
Innensenators Körting (§ 22 AufenthaltsG – Aufnahme aus dem Ausland)
"auf eigene Kosten" zu ihren Kindern und Enkelkindern nach Berlin
zurückkehren. FRat Berlin; TS 6.4.08; taz 7.4.08; BK 7.4.08; FRat
Berlin 10.7.08; Flüchtlingsräte Winter 2008 3. April 08 Bundesland Bremen. Die 34 Jahre
alte X. Y. aus dem Libanon soll nach 16 Jahren Deutschland-Aufenthalt in die
Türkei abgeschoben werden. Frau Y. ist Mutter von acht Kindern und im siebten
Monat schwanger. Bei der Schwangerschaft handelt es sich laut Fachgutachten
um eine Risikoschwangerschaft. Zudem leidet sie unter chronischen
Rückenschmerzen, asthmoider Bronchitis, Angstzuständen und optischen und
akustischen Halluzinationen. Wegen Letzterem steht sie unter Medikation von
Psychopharmaka. Frau Y. wird im Gesundheitsamt
Bremerhaven auf Reisetauglichkeit untersucht. Das
Gutachten, von einer Fachärztin für Psychiatrie unterschrieben, lautet u.a.
wie folgt: "Sie gibt jetzt in der Untersuchung an, sie werde sich im
Falle einer Ausweisung in das Heimatland das Leben nehmen. Im Falle einer
erzwungenen Ausreise in das Heimatland ist mit einer weiteren deutlichen
Verschlechterung der Symptomatik und auch mit Kurzschlußhandlungen zu
rechnen. Somit ist eine Gefahr für Leib und Leben im Falle einer erzwungenen
Ausreise nicht völlig auszuschließen. Um diese Kurzschlußhandlungen zu
verhindern, müßten Sicherheitsmaßnahmen wie z.B. Anlegen von Hand- und
Fußfesseln, medikamentöse Behandlungen und jederzeit ärztliche
Notfallversorgung vom Zeitpunkt der Ankündigung bis zum Abschluß der Maßnahme
sicher gestellt werden ...... Eine für den Reiseverlauf eventuell notwendige
Sedierung könnte von der ärztlichen Begleitung verabreicht werden." Hans-Eberhard Schultz – Rechtsanwalt; Torsten Müller – Rechtsanwalt 8. April 08 Flughafen Frankfurt.
Bundespolizisten tragen einen 22 Jahre alten Flüchtling aus Pakistan in das
noch leere Flugzeug der Fluggesellschaft GULF AIR. Der abgelehnte Asylbewerber
ist an Händen und Füßen gefesselt und soll über Bahrain abgeschoben werden.
Die Beamten versuchen ihn auf den Sitz zu zwingen, was aufgrund der
Fesselungen schwierig ist. Mit Gewalt schnallen sie ihn an. Als sich zwei
Mitarbeiter der GULF AIR rechts und links neben ihn hinsetzen, beginnt er um
Hilfe zu rufen. Die deutschen BeamteN beobachten die Szene. Eine Frau –
offensichtlich auch Angestellte der Fluggesellschaft – erscheint und
verabreicht dem Flüchtling eine Injektion, die ihn schwindelig macht. Als die
Passagiere einsteigen und sogar Fotos von der Szene machen, schreit er
weiter; und der Mann bekommt prompt eine zweite Injektion. Sein linker
Bewacher drückt ihm gegen den Hals, so daß er keine Luft mehr bekommt. Aufgrund
der Proteste einiger Passagiere wird die Abschiebung abgebrochen. In einem
Krankenhaus werden im Blut des Mannes Sedativa nachgewiesen. Die GULF AIR behauptet daraufhin, daß die
Zwangssedierung des Mannes in Absprache mit der Bundespolizei geschehen sei.
Später äußert die Fluggesellschaft, daß es sich um eine ihr "unbekannte
Person" gehandelt hat, die auf Anforderung der Bundespolizei mitfliegen
sollte. Am
Vormittag des 23. April wird der Mann endgültig und in Begleitung von
Bundespolizeibeamten abgeschoben. Bis dahin ist es trotz Anzeige gegen die
zwei Mitarbeiter und eine Mitarbeiterin der GULF AIR wegen
gefährlicher Körperverletzung weder zu einer richterlichen Vernehmung noch
zur Sicherstellung der Passagierlisten gekommen. Pro Asyl 11.4.08; FR 14.4.08; Pro Asyl 16.4.08; Caritas Frankfurt 17.4.08; Pro Asyl 23.4.08; FRat Sa-Anh. Newsletter 24.4.2008; Pro Asyl 24.4.08; Andreas Cochlovius – Rechtsanwalt 15. April 08 Bundesland Thüringen. Im
Krankenhaus von Neuhaus am Rennweg stirbt der 43-jährige Armenier Robert Weniaminov.
Er war 2001 mit seiner Mutter, seiner Frau Marina Akopian, der 15-jährigen
Tochter Gajana, dem 14-jährigen Sohn Artak und dem 1-jährigen Josef über
Rußland in die BRD eingereist. Die
Familie wurde in das Sammellager Katzhütte umverteilt und ist über die
nächsten Jahre zum Nichtstun verurteilt. Robert Weniaminov, seine Frau, seine
Mutter und seine beiden inzwischen erwachsenen Kinder, sie alle bekamen keine
Arbeitserlaubnis. Marina Akopian bekommt paranoid-depressive Störungen und
sollte eigentlich in einer Klinik stationär behandelt werden. Weil sie ihre
Familie nicht allein lassen wollte, bekam sie ersatzweise Rezepte für bis zu
fünf Sorten Psychopharmaka. Robert Weniaminov, der gelernte Fleischer, ertrug
die Situation am wenigsten und begann exzessiv zu trinken. 2004 mußte er das
erste Mal in stationäre Behandlung. Danach litt er unter panischer Angst vor
Ärzten und Krankenhäusern. Seine
Ärztin diagnostizierte 2007 eine alkoholbedingte schwere Leberzirrhose,
chronische Gastritis, aktive Hepatitis C und einen schmerzhaften Nabelbruch
und empfahl dringend die Unterbringung in einer Spezialklinik in der 40
Kilometer entfernten Stadt Suhl. Da der Weg dorthin zwei Landkreisgrenzen
kreuzt, hätte seine Familie aufgrund der für sie bestehenden Residenzpflicht
ihn nur selten besuchen können. Diese Vorstellung war für den Kranken
unerträglich – er hätte aufgrund seiner akuten psychischen Situation keinen
Tag ohne seine Familie weiterleben können. Er
lehnte die Therapie ab, und die Familie stellte im Februar ein letztes Mal
einen Antrag auf Umverteilung in einen Landkreis, in dem es eine Klinik gab.
Zwei Monate später tragen Rettungssanitäter Robert Weniaminov aus der Dusche.
Eine
Antwort auf den Umverteilungsantrag hat die Familie auch vier Wochen später
immer noch nicht. Im
Juli 2008 erhalten die Mutter, die Tochter Gajana und der Sohn Artak
Aufenthaltsgenehmigungen und wollen nach Erfurt ziehen. Frau Akopian und der
inzwischen 8-jährige Josef bekommen weiterhin Duldungen. JWB 29.5.08; Andreas Wucher – Pfarrer; The VOICE 4.6.08 Mitte April 08 Bundesland
Nordrhein-Westfalen. In der Gemeinde Hövelhof des Landkreises Paderborn tötet
sich eine Frau aus Guinea nach abgelehntem Asyl und anstehender Abschiebung. Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren 22. April 08 Bundesland Thüringen. In Suhl-Goldlauter
finden Spaziergänger im Waldgebiet am Unteren Geiersberg, ca. 300 Meter
unterhalb der Beerberg-Schanze, eine männliche, stark verweste Leiche. Nach
den in der Nähe liegenden Papieren han-delt es sich um den 32 Jahre alten
Ruslan Yatskevich, geborener Polubiatka, der zuletzt am 22. Februar in
Zella-Mehlis gesehen worden war. Ruslan
Polubiatka war langjähriger Bewohner des Flüchtlingslagers Zella-Mehlis. Der
Weißrusse war schon im Jahre 2000 in die Bundesrepublik gekommen und wurde
seit der Ablehnung seines Asylantrags im Jahre 2004 nur noch geduldet. Wegen
Epilepsie befand er sich in ständiger ärztlicher Behandlung und mußte – auch
wegen Alkoholkrankheit – mehrmals im Fachkrankenhaus für Psychiatrie und
Neurologie in Hildburghausen behandelt werden. Durch die zunehmenden
Aufforderungen der Ausländerbehörde, das Land zu verlassen, geriet er immer
mehr unter Druck. Die letzte Drohung, ihn abzuschieben, hatte er am 5.
Februar 08 erhalten. Er flüchtete in den Wald und wurde nicht wieder gesehen.
Die Polizei vermutet entweder einen
Unfall oder einen Suizid. Die langjährigen MitbewohnerInnen im Lager
Zella-Mehlis, die immer wieder nach ihm gefragt hatten, jedoch von den
Behörden keine Antwort bekamen, trauern um ihn. Allein
aufgrund der Nachfrage der Journalistin Gitta Düperthal gibt die
Staatsanwaltschaft Meiningen die Identität des gefundenen Toten bekannt. Dies
geschieht drei Jahre nach dem Tod von Ruslan Polubiatka. "Er ist aus Angst
geflüchtet, erfroren, verhungert. Selbst der Umgang mit migrantischen Toten
zeugt von Respektlosigkeit der Behörden uns gegenüber", sagt ein Freund
Ruslans zu der Journalistin. Kyffhäuser Nachrichten 2.5.08; FW 2.5.08; Kyffhäuser Nachrichten 30.12.08; jW 8.3.11; Gitta Düperthal – Journalistin; BewohnerInnen des Lagers Zella-Mehlis 23. April 08 Landkreis Passau in Bayern. In
der Flüchtlingsunterkunft in Hauzenberg versucht sich in der Nacht der 37
Jahre alte Tunesier Mouldi C. zu erhängen, weil er seine Lebenssituation
nicht mehr ertragen kann. Verletzt
kommt er ins Bezirksklinikum Mainkofen und wird dort therapiert. Der
Suizidversuch ist ein von verschiedenen ÄrztInnen seit Monaten prophezeiter
Krisenhöhepunkt, weil sich die psychische Verfassung des Flüchtlings
dramatisch verschlechtert hatte. Mouldi
C. wird von der bayerischen Staatsregierung als "Top-Gefährder"
eingestuft, weil ihm Kontakte zu militanten Islamisten in Deutschland,
Italien und Großbritannien nachgewiesen wurden. Zwar ist er nie wegen Terrors
verurteilt worden, auch hat der Generalbundesanwalt das Ermittlungsverfahren
gegen ihn ohne Ergebnis eingestellt, doch muß er fernab seiner in Regensburg
lebenden Frau und der vier minderjährigen Kinder isoliert in Hauzenberg
leben. Er darf kein Handy und kein Internet benutzen und hat sich täglich bei
der Polizei zu melden. Seine
Psychotherapeutin hatte vergeblich eine stationäre Behandlung beantragt. Erst
seinem Hausarzt gelang es Monate später, einen Krankenhausplatz bewilligt zu
bekommen. Doch anstatt die Einweisung in eine Regensburger Klinik zu
erlauben, legte die Landesregierung eine Liste mit Krankenhäusern vor, die so
weit entfernt sind, daß der Kontakt zu seiner Familie vollständig abgebrochen
wird. SZ 7.5.08; Hubert Heinhold – Rechtsanwalt April 08 Bundesland Rheinland-Pfalz. Nach
dreitägiger Abschiebehaft in Ingelheim wird ein psychisch kranker Flüchtling
aus dem Kosovo in die Rheinhessenklinik Alzey verlegt. Von hier aus erfolgt
seine Abschiebung nach Prishtina. epd 6.3.09; Netzwerk Abschiebungsbeobachtung 25.11.09 1. Mai 08 Bundesland Rheinland-Pfalz. Aus
der Rheinhessen-Fachklinik Alzey wird Herr M. von der Polizei herausgeholt,
um ihn in den Kosovo abzuschieben. Aufgrund eines Selbsttötungsversuchs
befand er sich in der Klinik in Behandlung. Die
verantwortlichen ÄrztInnen haben die Gefahr einer akuten Eigengefährdung im
Falle einer Abschiebung attestiert. Trotzdem wird der Ashkali, der seit
seinem zweiten Lebensjahr in der BRD lebte, über den Flughafen Frankfurt am
Main in einem Learjet nach Prishtina ausgeflogen. Abschiebungsbeobachtung FFM 2008 1. Mai 08 An der niederländisch-deutschen
Grenze wird der Kurde Cihan C. festgenommen. Der 47-Jährige will eigentlich seine
Familie in Hamburg besuchen und kommt jetzt in Auslieferungshaft. Obwohl
die Niederlande ein Jahr zuvor ein Auslieferungsbegehren der Türkei abgelehnt
hatten, weil ein Haftbefehl aus dem Jahre 1979 wegen des Vorwurfs eines
Mordversuchs von einem türkischen Militärgericht erlassen worden war und
obwohl dem Betroffenen von den Niederlanden ein Aufenthaltsrecht wegen
politischer Verfolgung gewährt wurde, erklärt das Oberlandesgericht Oldenburg
eine Auslieferung für zulässig. Der
Rechtsanwalt legt Verfassungsbeschwerde verbunden mit einem Eilantrag zur
Verhinderung der Auslieferung ein und schaltet vorsorglich den Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte ein. Obwohl Mitte März die
Verfolgungsverjährung eingetreten ist, gewährt das Oberlandesgericht den
türkischen Behörden noch einmal vier Wochen Zeit, um die Sachlage zu
überprüfen. Erst
einen Tag, nachdem nun der Anwalt eine Anzeige wegen Freiheitsberaubung
angekündigt hat, wird der Gefangene nach 10 Monaten Haft Mitte März 2009
entlassen. Hans-Eberhard Schultz - Rechtsanwalt 3. Mai 08 Birkenfeld in Rheinland-Pfalz.
Bei dem Besuch eines Bekannten schluckt der 31-jährige Bauingenieur Hamidur
Rahman aus Bangladesh in einem unbeobachteten Moment ca. 40
Anti-Depressiva-Tabletten, um sich das Leben zu nehmen. Obwohl bereits nach
10 Minuten der Krankenwagen eintrifft und Herr Rahman noch zu Fuß hingehen
und einsteigen kann, stirbt er am folgenden Mittag auf der Intensivstation
des Krankenhauses von Idar-Oberstein an der Tabletten-Vergiftung. Die Suizidgefährdung
des in Bangladesh verfolgten und in der BRD abgelehnten Asylbewerbers war bei
den deutschen Behörden aktenkundig, denn mehrere Suizidversuche waren zuvor
gescheitert und entsprechende Gutachten lagen vor. Hamidur
Rahman war im Mai letzten Jahres nach einem Suizidversuch aus einem dänischen
Krankenhaus geflohen (siehe hierzu 8. Mai 07). Als er nach Hamburg kam,
gewährte ihm die Nordelbische Kirche Unterkunft und Versorgung. Am
27. Juni 2007 reiste Hamidur Rahman mit einer Mitfahrgelegenheit nach Barcelona,
um den Versuch zu starten, in Spanien einen Aufenthaltsstatus zu bekommen. Es
gelang ihm nicht, und so kam er am 20. Oktober nach Hamburg zurück. In den
folgenden Monaten wurde er zunehmend depressiver und verzweifelter, weil er nicht
wußte, in welchem Staat er eine Chance zum Leben haben könnte. Anfang
Februar 2008 zog Hamidur Rahman in Hamburg in die christliche
Wohngemeinschaft Brot & Rosen. Obwohl sich viele Menschen für ihn
einsetzten, damit ein Rechtsanwalt einen Antrag bei der für ihn zuständigen
Härtefallkommission in Rheinland-Pfalz stellen kann, ging es ihm immer
schlechter. Wie
sich später herausstellte, hatte er geplant, am 18. Februar aus dem Leben zu
treten. Er hatte sein letztes Geld an seine Frau, seinen Sohn und seine
Eltern überwiesen und Abschiedsbriefe geschrieben. Aber die eingenommenen
Schlaftabletten bewirkten eine paradoxe Reaktion, nämlich totale Unruhe,
Übelkeit und starke Schmerzen. Als eine Passantin ihn an einem See
beobachtete und die Polizei benachrichtigte, kam er auf die Intensivstation
des Klinikum Nord, am nächsten Tag für eine Woche auf die geschlossene
Station – danach auf eine offene. Ab 11. April erhielt er ambulante Therapie
und lebte wieder in der christlichen Wohngemeinschaft. Aus
aufenthaltsrechtlichen Gründen (Residenzpflicht) und um die letzte Chance zu
nutzen, einen legalen Status zu bekommen (Härtefallkommission), kehrte
Hamidur Rahman Ende April nach Rheinland-Pfalz zurück. Es scheint so, daß er
nicht mehr daran glaubte und ihm nach vier Jahren vergeblicher und
verzweifelter Suche nach einem Platz zum Leben schlichtweg die Kraft fehlte. Auf
Wunsch der Familie wird seine Urne nach Bangladesh überführt. In Hamburg
gestalten seine Freunde am 25. Mai eine Trauerfeier für ihn. Diakonische Basisgemeinschaft Brot & Rosen,
Hamburg; Del Penner – Pastor in Idar-Oberstein; Hanna
Mitzlaff – Unterstützerin; Fanny
Dethloff – Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche; Martin
Link – AG Kirchliche Flüchtlingsarbeit Hamburg; Tina Übel – Journalistin; Diana Zinkler –
Journalistin; Julia Fischer-Ortmann – Gutachterin 6. Mai 08 Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick. Nach einigen Tagen Haft rasiert sich ein etwa 40 Jahre alter
polnischer Gefangener den Kopf kahl und blutig. Mithäftlinge berichten, daß er
daraufhin in die stationäre Psychiatrie Hedwigshöhe gebracht wird. Jesuiten-Flüchtlingsdienst 14. Mai 08 Der 20-jährige Petros Aforki
Mulugeta und der 26 Jahre alte Yonas Haile Mehari werden nach abgelehnten
Asylgesuchen und verweigerter Einreise in die BRD aus dem Transitbereich des
Frankfurter Flughafens heraus mit einem extra gecharterten Privatjet nach
Eritrea abgeschoben. Sie sind mit Kabelbindern gefesselt und zudem in
Begleitung von vier Bundespolizisten und zwei Ärzten. Nach ihrer Ankunft in Amara
werden sie direkt den Militärs übergeben. Es erfolgt ihre sofortige
Inhaftierung. Damit verliert sich zunächst ihre Spur. Beide
Flüchtlinge sind Deserteure des eritreischen Militärs, und bekanntermaßen
werden Desertionen mit Folter und Zwangsarbeit und oft jahrelanger
Inhaftierung geahndet – alles ohne Gerichtsverfahren. Petros
Aforki Mulugeta war mit 17 Jahren zum Militärlager nach Sawa gekommen, um
dort sein Abitur zu machen. Danach wurde er weiter verpflichtet, und als er
sich beschwerte, daß es hier keine Studienmöglichkeiten gebe, wurde er für
ein halbes Jahr inhaftiert. Er konnte fliehen und erreichte im November 2007
den Frankfurter Flughafen. Am 19. Januar und am 2. Februar 2008 scheiterte
seine Abschiebung an der Weigerung der zuständigen Piloten, ihn mitzunehmen. Yonas
Haile Mehari war im Jahre 2000 zwangsrekrutiert worden und mußte zuletzt als
Wachsoldat in einem Militär-gefängnis arbeiten. Er geriet selbst für einen
Monat in Haft, weil er sich geweigert hatte, Gefangene zu foltern. Im September
2007 desertierte er, und im November stellte er am Flughafen Frankfurt einen
Antrag auf Asyl. Am 14. Januar 2008 verweigerte der zuständige Pilot seine
Mitnahme, so daß die Abschiebung nicht stattfinden konnte. Auch im Januar 2009 gibt es keine neuen
Informationen über den Verbleib der beiden Abgeschobenen. Da ihre Asylverfahren auch nach ihrer
Abschiebung von ihrer Rechtsanwältin weitergeführt wurden, gibt es inzwischen
die Weisungen des Verwaltungsgerichtes Frankfurt an das BAMF, die Flüchtlinge
als politisch Verfolgte anzuerkennen. Dies geschieht im April 2009 für Petros
Aforki Mulugeta und im Mai 2009 für Yonas Haile Mehari. Im
April und Juni 2010 können die beiden wieder in die Bundesrepublik einreisen. Erst jetzt wird deutlich, welche
Qualen sie nach der Abschiebung auf ihrer zweijährigen Odyssee erleiden
mußten. Nach
ihrer Festnahme in Asmara kamen sie ohne Gerichtsverfahren oder Urteil in das
Geheimgefängnis Wi'a. Es liegt mitten in der Wüste, nahe der Hafenstadt
Massawa. Yonas
Haile Mehari wurde in einen unterirdischen Raum gesperrt, der dunkel war,
ohne Fenster, ca. 10 x 15 Meter groß, in dem ca. 400 Menschen
zusammengepfercht waren. Schlafmöglichkeiten gab es nicht, so daß die
Gefangenen übereinander schlafen mußten. Ihre Leiber klebten bei der Hitze
aneinander, und es entstanden Blasen und sonstige Verletzungen, die schnell
eiterten. Pro Tag gab es drei kleine Hirsebrötchen zu essen und zweimal
täglich einen Becher heiße Flüssigkeit von einer Linsensuppe – allerdings
ohne Linsen. In kurzer Zeit litten die Gefangenen an Durchfällen und
Unterernährung. Viele starben – andere wurden bei Fluchtversuchen erschossen.
Nach sechs Monaten wurde Yonas Haile Mehari "nach oben" gebracht,
wo die Situation ebenso quälend war. Als er nach acht Monaten Gefangenschaft
wegen seiner vereiterten Wunden in ein Militärkrankenhaus verlegt wurde,
gelang ihm die Flucht nach Äthiopien. Petros
Aforki Mulugeta wurde in eine Baracke aus Zink gesperrt, die sich bei
Außentemperaturen von bis zu 50 Grad stark aufheizte. In diesen 4 x 4 Meter
großen Räumen waren an die 40 Menschen zusammengepfercht. Nach 15 Monaten
Gefangenschaft wurde er – aufgrund schwerer Eiterungen seiner rechten
Körperseite – in ein Militärgefängnis verlegt. Auch ihm gelang von hier aus
die Flucht – er erreichte mit Hilfe von Fluchthelfern den Sudan. Ende
2009 konnten die beiden über Angehörige den Kontakt zu ihrer Rechtsanwältin
in Frankfurt herstellen, so daß jetzt ihre Rückreise organisiert werden
konnte. Pro Asyl, Connection, FRat Hessen, Karawane 30.5.08; ai 29.5.08; Pro Asyl, Connection, Eritreische
Antimilitaristische Initiative 9.9.10; FR 9.9.10; jW 11.9.10; Bericht der Betroffenen 16. Mai 08 Vogtlandkreis im Bundesland Sachsen.
Die drei Schwestern Sophia (14), Sandra (13) und Sonja (8) Omoroghomwan
werden von der Polizei gewaltsam aus dem AWO-Kinder- und Jugendwohnhaus in
Treuen bei Plauen herausgeholt und in das Flüchtlingslager im Wald bei
Posseck zurückgebracht. Einige Tage zuvor hatten sie sich im AWO-Kinderheim
gemeldet und wurden dort zunächst freundlich aufgenommen. Sie hatten das
Flüchtlingsheim Posseck aus eigenem Entschluß verlassen, weil sie das Leben
dort nicht mehr ertragen konnten. Zunächst
hat das Jugendamt die Kinder aufgefordert, in das abgelegene Lager Posseck
freiwillig zurückzukehren. Als diese sich weigern, wird die Polizei mit vier
Einsatzwagen angefordert. Erschreckt und verängstigt versuchen die Mädchen
davonzulaufen. Dabei werden sie von einem Polizeiwagen verfolgt. Als die
Jüngste, Sonja, gefaßt wird, bleibt die Älteste, Sophia, mit ihr zusammen
zurück. Beide werden in ein Zimmer gesperrt. Als auch die 13-jährige Sandra
schließ-lich von verfolgenden Polizisten gefaßt wird, legt man sie in Hand- und
Fußschellen und schleift sie über den Boden. Sie ist völlig außer sich,
schreit und weint. Anstatt
die verängstigten Mädchen zu beruhigen, werden sie von den Polizisten und der
Vertreterin des Jugendamtes rassistisch beschimpft. Dann werden Sandra und Sonja
in Handschellen aneinander gekettet und Sophia die Hände auf dem Rücken
gefesselt. Sie werden von den Beamten gezerrt und gezogen, die keine
Rücksicht darauf nehmen, daß sie gefesselt sind und über Schmerzen klagen.
Gefesselt werden sie ins Auto geschubst und nach Posseck verfrachtet, immer
noch gefesselt werden sie dort wieder aus dem Auto gezerrt und in ihr Zimmer
gebracht. Ihre
Adoptivmutter Claudia Omoroghomwan – von dieser Maßnahme nicht informiert –
ist entsetzt über das, was den Kindern angetan wird, und will dazwischen
gehen. Dabei wird die sichtbar schwangere Frau von einem Polizisten
zurückgestoßen. Die Mädchen selbst stehen unter Schock und klagen über
Schmerzen. Sie haben sichtbare Spuren von Mißhandlungen an Kopf und
Gliedmaßen und müssen im Krankenhaus ärztlich versorgt werden. Die
Eltern der drei Mädchen waren 2002 in Nigeria bei einem Autounfall gestorben.
Ihrer Tante Claudia Omoroghomwan wurde zusammen mit der Großmutter das
Sorgerecht übertragen. Als ihrer eigenen Tochter eine Geschlechtsverstümmelung
drohte, floh Frau Omoroghomwan im Jahre 2004 mit der 2-jährigen Dammiana und
der 4-jährigen Sonja in die Bundesrepublik, während die beiden älteren
Mädchen vorerst bei der Großmutter in Nigeria blieben. Als diese im Jahre
2006 starb, kamen Sophia und Sandra nach. Die
Familie mußte zunächst in einer Gemeinschaftsunterkunft in Reichenbach leben,
die später aufgrund der hygienischen Zustände geschlossen wurde, und kam nach
Posseck in räumliche Abgeschiedenheit, soziale Isolation und gesellschaftliche
Vereinsamung. Die Kinder hatten in dem abgeschieden im Wald liegenden
ehemaligen Militärcamp keinen Kontakt zu anderen Kindern; ein Schulbesuch war
lange Zeit gar nicht und später nur unter äußerst schwierigen Bedingungen
möglich. Frau Omoroghomwan hat daher immer wieder versucht, einen Umzug in
eine normale Wohnung in eine Stadt genehmigt zu bekommen. Schließlich sahen
sich die drei älteren Mädchen gezwungen, durch die Flucht aus Posseck selbst
ihr Leben zu verändern. Nachdem
die gewaltsame Polizeiaktion gegen die Kinder öffentliche Aufmerksamkeit
erregt hat und Ermittlungen gegen Polizei und Jugendamt laufen, wird nun von
den zuständigen Ämtern versucht, Frau Omoroghomwan die Kinder zu entziehen.
Die Familie wird getrennt. Die Kinder werden in ein Kinderheim in Chemnitz
gebracht, das in einem anderen Landkreis liegt und für die Mutter schwer
erreichbar ist. Am 13. Juni 2008 kommen sie in das Kinder- und Jugendwohnheim
"Burg Sonnenschein" in Markneukirchen und damit wieder in den Einflußbereich
des Jugendamts des Vogtlandkreises. Ihrer Tante, die sie uneingeschränkt als
ihre Mutter ansehen, wird am 23. Juni 2008 vom Familiengericht Plauen die
Vormundschaft unter formalen Gründen entzogen und auf das Jugendamt
übertragen. Dies geschieht ohne Anhörung der Kinder und der Mutter und ohne
die Betroffenen von dieser Maßnahme zu informieren. Die Mutter darf
die Mädchen nur einmal im Monat nach Voranmeldung und unter Aufsicht
besuchen. Telefongespräche werden nur
einmal pro Woche und auf Deutsch gestattet und als Strafmaßnahme gestrichen.
Auch Anrufe und Besuche von Freunden der Familie werden abgewehrt, der
Anwältin kein Zutritt gestattet. Der Antrag auf eine gemeinsame Unterbringung
in einer Privatwohnung wird abgelehnt mit der Begründung, daß Frau Omoroghomwan
nicht mehr im Familienverband mit den Kindern lebe. Am
10. Oktober kommt Frau Omoroghomwan zu einem unangemeldeten Besuch in das
Kinderheim und wird des Hauses verwiesen. Als die Kinder ihre Mutter hören,
springen sie aus dem Fenster, um zu ihr zu kommen. Sie fühlen sich im Heim
und in der Schule diskriminiert und möchten bei ihrer Mutter leben und nie
wieder in ein Kinderheim. Gemeinsam verbergen sie sich und erscheinen am 21.
Oktober hoffnungsvoll zur Verhandlung vor dem Familiengericht in Plauen. Als
den Mädchen dort erklärt wird, daß sie wieder in ein Kinderheim sollen –
falls nicht freiwillig mit Polizeigewalt – und nicht bei ihrer Mutter bleiben
dürfen, protestieren sie laut und machen deutlich, daß sie eher auf der
Straße schlafen werden. Da das Gericht wegen der mutigen Haltung der Kinder
und der zahlreich angereisten UnterstützerInnen die Familie nicht gewaltsam
trennen kann, wird nach sieben Stunden Verhandlungen von einem Polizeieinsatz
abgesehen, jedoch nur unter der Bedingung, daß sie wieder zurück nach Posseck
gebracht werden. Anfang
November 2008 kommt Frau Omoroghomwans Sohn zur Welt. Kurz darauf kann die
Familie das Lager Posseck verlassen und vorübergehend in eine Wohnung nach
Netzschkau bei Reichenbach ziehen. Wegen der Aufenthaltsbeschränkung der
Mutter können sie den Vogtlandkreis bislang nicht verlassen. Wegen
der Anzeige gegen die Polizei und das Jugendamt findet im Dezember eine
Vernehmung, aber noch keine Entscheidung statt. Ebensowenig ist bis Januar
2009 über die Rückgabe der Vormundschaft entschieden, obwohl von Seiten des
Gerichts und des Jugendamts keine Bedenken mehr bestehen. The VOICE 4.05.08; ND
9.05.08; The VOICE 17.05.08; ND 22.05.08; Sächsischer Flüchtlingsrat und Opferberatung des
RAA Sachsen 27.05.08; Karawane Sept. 2008;
The VOICE 17.09.08; Karawane und The
VOICE 28.09.08; FP 1.10.08; Claudia
Omoroghomwan 2.10.08; Karawane 13.10.08; The VOICE 14.10; The
VOICE 20.10.08; taz Bremen 22.10.08; Karawane – Hamburg ohne Datum; taz 28.10.08; ND 28.10.08;
The VOICE 10.11.08 23. Mai 08 Der türkische Flüchtling Önder
Dolutas wird am Flughafen Frankfurt-Hahn wegen eines Auslieferungsersuchens
des türkischen Staates über Interpol in Haft genommen. Nachdem am folgenden Tag
ein Haftrichter die Festnahme bestätigt, kommt er in die JVA Rohbach nach
Wöllstein in Rheinland-Pfalz. Als Grund für das Auslieferungsbegehren wird
eine Verurteilung von Önder Dolutas zu zwölfeinhalb Jahren Gefängnis in
Abwesenheit angeführt. Daß dieses Urteil wegen "unter Folter
aufgenommenen Aussagen" und festgestellten Unrechtmäßigkeiten
mittlerweile durch höhere Instanzen (Revisionsgericht in Ankara) aufgehoben
wurde, scheint vorerst keine Rolle zu spielen. Önder
Dolutas war aufgrund seiner oppositionellen politischen Arbeit in der Türkei
mehrmals staatlichen Repressionen und auch der Folter ausgeliefert gewesen.
2001 war ihm die Flucht nach Großbritannien gelungen. Hier wurde er als
politisch Verfolgter anerkannt und erwarb Anfang diesen Jahres auch die
britische Staatsbürgerschaft. Wegen
der erlittenen Folter und Mißhandlungen hatte Önder Dolutas mit anderen
Personen zusammen ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg
geführt, das mit der Veurteilung der Türkei zu einer Schmerzensgeldzahlung an
die Betroffenen endete. 2006
war er schon einmal aufgrund eines türkischen Auslieferungsbegehrens in
britische Haft geraten – wurde aber nach wenigen Tagen wieder freigelassen,
weil deutlich wurde, daß ihm bei Auslieferung an seinen Verfolgerstaat
Mißhandlung und Gefängnis drohen. Die
deutschen Behörden brauchen für diese Erkenntnis länger. Önder Dolutas wird
erst nach viereinhalb Monaten, am 8. Oktober, aus der Haft entlassen. ATİK 1.6.08; jW 6.6.08; S. Dağelen, S. Wagenknecht
3.7.08; ATİK 4.9.08; ATIK 19.9.08; ATIK 8.10.08; Önder
Dolutas 9.10.08; Rote Fahne News 10.10.08; ATIK 20.10.08; AZADI infodienst Nr. 71 Oktober 2008 25. Mai 08 Burg in Sachsen-Anhalt. Als der
31 Jahre alte Saad A., Flüchtling aus Saudi-Arabien, morgens um 2 Uhr die
Diskothek "Night Fly" verläßt, wird er von einer mindestens
15-köpfigen Gruppe von Disko-BesucherInnen überfallen und niedergeschlagen.
Er liegt bereits am Boden, als der Guineer Aliou D. hinzukommt. Diesem
gelingt es, die Polizei zu rufen, aber dann wird auch er geschlagen und
getreten. Die Gruppe kesselt die beiden ein und singt rassistische Lieder –
mehrfach wird der "Hitlergruß" gezeigt. Auch der 24-jährige Aliou
D. wird bespuckt und geschlagen. Der Türsteher der Diskothek greift nicht
ein. Für die 100 Meter von der Wache bis zum Tatort benötigen die Polizisten
10 Minuten Anfahrtszeit. Dann nehmen sie die verletzten Opfer mit aufs Revier
– Personalienfeststellungen der Täter, die auch vor Ort noch rassistische
Parolen grölen, finden nicht statt. Im
Krankenhaus wird festgestellt, daß Saad A. einen Kreuzbandriß am Knie hat und
sein Freund erheblich am Auge verletzt ist. Als
die beiden sich bei der Polizei über deren einseitiges Vorgehen beschweren
wollen, wird ihnen von einem Beamten geantwortet: "Was willst du denn,
wir haben dir doch den Arsch gerettet. Wir hätten Dich auch dalassen
können." Auch
ein Jahr nach dem Überfall ist keine Anklage gegen die Täter erhoben worden.
Aliou D. befindet sich seither in psychotherapeutischer Behandlung, Amtsärzte
haben eine dringend behandlungsbedürftige Posttraumatische Belastungsstörung
festgestellt. Acht Monate bemüht sich Herr D. um eine Verlegung des
Wohnsitzes von Burg nach Magdeburg, um den Tätern nicht mehr begegnen zu
müssen. Am
24. Juni 09 wird Aliou D. vom Innenminister H. Hövelmann der Umzug nach
Magdeburg gestattet, um "verbesserte Behandlungs- und
Gesundungschancen" mit dieser "humanitären Maßnahme" zu
ermöglichen. Auch wird eine Abschiebung vor Abschluß der Ermittlungen oder
eines Gerichtsverfahrens von ihm ausgeschlossen. Nach
achtjährigem Aufenthalt in der ehemaligen Militärkaserne in Burg kann Aliou
D. schließlich in das Flüchtlingslager nach Magdeburg-Rottensee umziehen.
Hier lebt er in einem 5-Personen-Zimmer mit den damit zusammenhängenden
Problemen: Fehlen jeglicher Privatsphäre, keine Rückzugsmöglichkeiten,
schlaflose Nächte, Unruhe, Lärm und immer wieder Angst. Eine Situation, die
für den seit dem Überfall psychisch Erkrankten immer unerträglicher wird. Nur
durch UnterstützerInnen, die die Kosten für ein privat gemietetes Zimmer
tragen, gelingt es, daß er das Heim verlassen kann. Aliou
D. war im Jahre 2001 als damals 17-Jähriger mit einem Schiff in Hamburg
angekommen. Obwohl noch minderjährig, war er zunächst in eine Zentrale
Aufnahmestelle und dann ins Lager in Burg gekommen. Ausbildung oder Arbeit
wurden ihm nie erlaubt. Im
Oktober 09 hat die Polizei von den mindestens 15 Tätern des Überfalls auf
Aliou D. und Saad A. eine Person ermittelt. Dieser Mann, Benny N., ist in der
rechten Szene tief verwurzelt. Am
29. März 10 wird Benny N. vom Amtsgericht Magdeburg mangels Beweisen von dem
Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen. Die
"individuelle" Täterschaft konnte das Gericht ihm nicht nachweisen,
obwohl der von ihm geschädigte Saad A. ihn vor Gericht identifizieren konnte.
Auch das katastrophale polizeiliche Fehlverhalten bei diesem Überfall spielt
vor Gericht keine Rolle. Die Staatsanwaltschaft legt Rechtsmittel gegen das
Urteil ein. Im
August 2010 wird Aliou D. ein Bleiberecht aus humanitären Gründen gewährt. MDZ 30.7.08; MDZ 30.3.09; Ministerium des Innern SaAnh 24.6.09; ND 25.6.09; BeZ 3.7.09; Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt
8.3.10; BeZ 30.3.10; ND 3.6.10; Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt;
FRat SaAnh 28. Mai 08 Bundesland Niedersachsen. In der
JVA Hannover-Langenhagen zündet ein 24 Jahre alter Abschiebegefangener gegen
9.25 Uhr die Matratze in seiner Zelle an. Zwei Beamte, die den Rauch entdecken,
können durch schnelles Handeln den sich wehrenden Mann aus dem
Gefahrenbereich herausholen und in eine entferntere Zelle bringen. Die
gerufene Flughafenfeuerwehr kann den Brand schnell löschen. Sowohl der
Gefangene als auch die Bewacher klagen über Atembeschwerden und werden von
dem Anstaltsarzt medizinisch behandelt. Die
Polizei ermittelt gegen den Gefangenen wegen Sachbeschädigung und
Körperverletzung. Er soll in die Türkei abgeschoben werden. Polizei Hannover 28.5.08 29. Mai 08 Bundesland Brandenburg. Ein
pakistanischer Asylbewerber befindet sich in Brandenburg an der Havel nachts
auf dem Heimweg, als er hinter sich Schritte hört. Er dreht sich um, hört
Sätze wie "Schwein, verschwinde von hier!" und wird unmittelbar mit
einem Gegenstand auf den Kopf geschlagen. Die Kopfverletzungen des
44-Jährigen sind so schwer, daß er erst nach drei Wochen aus dem Krankenhaus
entlassen werden kann. Der
ca. 25 Jahre alte Täter wird trotz Phantombildsuche nicht gefunden, so daß
die Ermittlungen vorläufig eingestellt werden. BeZ 31.5.08; TS 31.5.08; jW 31.5.08;
Opferperspektive; www.meetingpoint-brandenburg.de
16.9.08; ad-hoc-news.de 9.1.09 29. Mai 08 Bundesland Mecklenburg
Vorpommern. Um 21.00 Uhr wird der 24 Jahre alte kurdische Flüchtling Z. A.
aus seiner Wohnung in Saßnitz abgeholt und zum Polizeirevier gebracht. Er
soll abgeschoben werden. Seit
mehr als einem Jahr ist er psychisch krank. Zu den anfänglichen Depressionen kamen
Angstzustände und Wahnvorstellungen hinzu. Er hat Angst, vergiftet zu werden,
und hört Befehle aus Büchern. Er leidet unter paranoider Depression. Sein
Arzt hat ihn aus diesem Grunde gestern in der psychiatrischen Station im
Klinikum West Stralsund angemeldet. Nun
besucht ihn der Arzt auf dem Polizeirevier, weist die Beamten auf den
schlechten Gesundheitszustand des Kurden hin, warnt vor einer Abschiebung in
die Türkei und legt den Überweisungsschein für das Krankenhaus vor. Daraufhin
erklärt der anwesende Polizeioberkommissar dem unter mehreren Psychopharmaka
stehenden Herrn A., daß er sich auch in der Türkei behandeln lassen könne,
sofern die Symptome dort wieder aufträten. Zitat des Beamten: "Dieser
widersprach mir nicht, so daß ich von der Richtigkeit meiner Worte ausgehen
mußte." Z.
A. wird noch in der Nacht nach Stralsund gebracht, ohne zu wissen, was mit
ihm geschieht. Er hat über lange Zeit akute Todesangst und wird erst ruhiger,
als er in der Zelle in Stralsund ein Klopfen aus der Nachbarzelle hört. Am
nächsten Morgen wird er nach Hamburg-Fuhlsbüttel gebracht und nach Istanbul
ausgeflogen. Zwei
Tage später kommt Z. A. wegen seines akuten Gesundheitszustandes in
stationäre Behandlung, kann nach 10 Tagen entlassen werden und muß weiterhin
alle zwei Wochen kontrolliert werden. Diese therapeutische Behandlung wird
bald aufhören müssen, weil die finanziellen Mittel seiner Familie zu Ende
gehen. Hans-Eberhard Schultz – Rechtsanwalt 30. Mai 08 Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick. Eine 41-jährige Mongolin unternimmt einen Suizidversuch,
nachdem sie von einem Unfall ihres Mannes in Schweden erfährt. Sie versucht,
sich mit einem Handtuch zu erdrosseln. Sie
war am 18. März von Schweden nach Deutschland zurückgeschoben worden, wo sie
früher ein Asylverfahren durchgeführt hatte. Die nach Aussagen von
Seelsorgern stark depressive Frau hat Narben an ihrem Arm von früheren
Suizidversuchen. Sie wird in die stationäre Psychiatrie Hedwigshöhe gebracht.
Jesuiten-Flüchtlingsdienst 31. Mai 08 Ausreiselager Motardstraße in
Berlin. Um 0.55 Uhr entdeckt der Mitarbeiter des Wachschutzes einen
brennenden Kinderwagen. Es gelingt ihm, das Feuer zu löschen. Als um 1.55 Uhr
erneut ein Kinderwagen im Treppenhaus brennt, muß wegen der starken
Rauchentwicklung die Feuerwehr gerufen werden. Die Kriminalpolizei nimmt die
Ermittlungen auf. BeZ 1.6.08 31. Mai 08 Bundesland Bayern. Morgens um
3.00 Uhr entwickelt sich in der Diskothek in Grafenau ein Streitgespräch
zwischen einem 20 Jahre alten Asylbewerber und einem 25-jährigen Mitglied des
örtlichen Motorradclubs, nachdem sich Clubmitglieder an den Tisch der drei
Ausländer gesetzt hatten. Der Deutsche äußert die Meinung, daß Iraker in der
Diskothek nichts zu suchen hätten. Als der Flüchtling sich daraufhin
ereifert, fordert der Wirt ihn und seine beiden Begleiter auf, die Diskothek
zu verlassen. Auch seine beiden Begleiter werden vom Wirt aufgefordert,
diesen Raum zu verlassen. Der
Flüchtling begibt sich auf den Weg zu seinem Flüchtlingsheim. Nach ca. 100
Metern an einer Brücke entsteht ein erneuter Wortwechsel mit dem
Motorradclubmitglied, der sich aus seiner Gruppe löst und auf den Flüchtling
zugeht. Dieser flüchtet zu einer Gruppe, die sich vor einem Lokal aufhält,
entreißt einem der Gäste ein Weinglas und wirft es in Richtung des
Verfolgers. Dann flüchtet er – der 25-Jährige hinterher. Als er den Iraker
einholt, entsteht ein Handgemenge, in dessen Verlauf beide eine Böschung
herunterrollen. Dann schlägt der Ältere auf den Jüngeren ein und würgt ihn
bis zur Bewußtlosigkeit. Bekannte
des Täters ziehen ihn von seinem Opfer weg, so daß der Asylbewerber seinen
Weg fortsetzen kann. Noch
am selben Tag erstattet der Flüchtling Anzeige. Aufgrund der Ermittlungen
einer 12-köpfigen Arbeitsgruppe der Polizei wird der 25 Jahre alte Zimmerer
vorläufig festgenommen. Polizei Passau 1.6.08 Mai 08 Flughafen Frankfurt am Main. In
einem dritten Versuch soll Frau K. aus Niedersachsen nach Kasachstan
abgeschoben werden. Sie ist im 5. Monat schwanger und nahm bisher aufgrund ihrer
Heroinabhängigkeit an einem Methadon-Programm teil. Am Morgen hat sie die
letzte Dosis eingenommen. Frau K. ist völlig mittellos und hat keine
Angehörigen in Kasachstan. Allein der lange Flug mit einem Zwischenstop in
Moskau, beginnende Entzugserscheinungen und ein Abbruch der
Substitutionstherapie könnten für Mutter und Kind schwere gesundheitliche
Folgen haben. Erst
auf Nachfrage der Abschiebebeobachterin wird die Bundespolizei veranlaßt, bei
der Ausländerbehörde nachzufragen, inwieweit die Fortsetzung der Therapie von
Frau K. in Kasachstan überhaupt gewährleistet ist. Die Ausländerbehörde
zitiert aus einem Antwortschreiben des kasachischen Außenministeriums, aus
dem hervorgeht, daß es dort keine Substitution mit Methadon gibt – allerdings
eine "Pharmakotherapie" und kostenlose Behandlungsplätze für
Heroinabhängige. Diese Erklärung hatte der Ausländerbehörde ausgereicht, um
die Abschiebung einzuleiten. Aus
unbekannten Gründen wird die Abschiebung von Frau K. kurz vor dem Abflug
abgebrochen. Abschiebungsbeobachtung FFM 2008 Anfang Juni 08 Flughafen Frankfurt am Main. Die
19-jährige Romni Dijana G. wird mit ihrem 2-jährigen Sohn Ismail nach
Montenegro abgeschoben. Frau G. ist in der BRD geboren und hat in Montenegro
keine Angehörigen – auch spricht sie die Sprache nicht. Eine
Hilfsorganisation in Montenegro erklärt gegenüber der Abschiebebeobachterin,
daß eine Unterbringung maximal für einige Tage möglich ist; danach stünde die
schwangere Frau mit dem Kleinkind auf der Straße und sei obdachlos. Abschiebungsbeobachtung FFM 2008; FRat NieSa 16.6.08 4. Juni 08 Bundesland Brandenburg. Als ein
39 Jahre alter Asylbewerber aus Kamerun in Potsdam am Schlaatz einen Wagen
der Straßenbahn-Linie 92 am Magnus-Zeller-Platz besteigen will, wird er von
einem aussteigenden Fahrgast als "Neger" beleidigt und mit der
Faust ins Gesicht geschlagen. Er trägt Schwellungen an der linken Wange
davon. Der
von dem Tramfahrer gerufenen Polizei gelingt es schnell, den alkoholisierten
30-jährigen Täter festzunehmen. Ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung
und Körperverletzung wird eingeleitet. Polizei Potsdam 6.6.08; VS-Bericht Brbg 2008; Opferperspektive 4. Juni 08 Abschiebegefängnis Rottenburg in
Baden-Württemberg. Der Gesundheitszustand des 34 Jahre alten kurdischen Gefangenen
Abdurrahman Adigüzel ist nach vierwöchigem Hungerstreik derart desolat, daß
er in das Gefängniskrankenhaus Hohenasperg transportiert werden muß. Er
war am 6. Mai aufgrund einer Vorladung bei der Ausländerbehörde in Kornwestheim
verhaftet und in Abschiebehaft genommen worden. Hier hatte er umgehend mit
dem Hungerstreik begonnen. Im Gefängniskrankenhaus beendet er den
Hungerstreik und kommt zurück in die JVA Rottenburg. Abdurrahman
Adigüzel war lange Zeit für die PKK politisch aktiv, bis der Verfolgungsdruck
so groß wurde, daß er die Türkei verlassen mußte. Im Jahre 2006 kam er in die
BRD und beantragte Asyl. Dieses wurde – trotz Vorlage von Beweisen, daß er in
der Türkei polizeilich gesucht wird – als unglaubwürdig abgewiesen. Erst nach
einer erneuten Vorlage von Dokumenten, die seine politische Verfolgung in der
Türkei belegen, wurde entschieden, daß er bis zum Abschluß des Asylverfahrens
nicht abgeschoben werden darf. Auch im deutschen Exil war er mehrmals
öffentlich aufgetreten – hatte auch in dem kurdischen Fernsehsender Roj-TV
gesprochen. Bei einer Abschiebung droht dem Mann ein Strafverfahren wegen
Unterstützung der PKK. Am
3. August wird Abdurrahman Adigüzel aus der Abschiebehaft entlassen. ISKU 15.5.08; jW 19.5.08; AZADI infodienst Nr. 66 Mai 2008; SchwT 5.6.08; stattweb.de 5.6.08; jW 6.6.08; indymedia 10.6.08; AZADI infodienst Nr. 69 August 2008; Dr. Gerhard Härdle – Rechtsanwalt 9. Juni 08 Am Nachmittag erscheint die Polizei
in einem Bremer Jugendwohnheim, nimmt einen 14 Jahre alten kurdischen
Flüchtling fest und bringt ihn in Abschiebehaft. Rechtsanwältin
Christine Graebsch, die in der Bremer Abschiebungshaft zusammen mit
Studierenden eine wöchentliche Rechtsberatung anbietet, wird von der
Hafteinrichtung trotz Nachfrage und entsprechender sonstiger Gepflogenheit
nicht darüber informiert, daß der Minderjährige sich in Haft befindet, obwohl
dies exakt während der üblichen Rechtsberatungszeit der Fall ist. Am nächsten
Tag wird der Jugendliche nach Tschechien abgeschoben. Kenntnis davon erlangt
die Anwältin deshalb erst, als er sich im Polizeifahrzeug bereits auf der
Höhe von Dresden befindet. Der Eilantrag zum Verwaltungsgericht wird mangels
Bevollmächtigung abgelehnt, weil die Amtsvormündin sich ausdrücklich für eine
Abschiebung nach Tschechien eingesetzt habe. Sein
13-jähriger Freund, mit dem er auf dem Landwege von der Türkei über
Tschechien in die BRD geflohen war und mit dem er zusammen im Wohnheim lebte,
taucht daraufhin unter. Die vom Familiengericht zum Schutz der Minderjährigen
eingesetzte Amtsvormündin, eine Mitarbeiterin des Jugendamtes, hatte bis zu
diesem Tag mit beiden nicht ein einziges Mal gesprochen. Als
die Anwältin eine Vollmacht für den 13-jährigen Kurden vom Jugendamt
beantragt, wird dies abgelehnt mit den Worten "Kein Bedarf!" Dies,
obwohl der Junge selbst der Juristin schriftlich niedergelegt hatte, daß er
von ihr vertreten werden will. Er versucht mit ihrer Hilfe aus seiner
aufenthaltsrechtlich unsicheren Situation herauszukommen. Der Antrag auf
Überprüfung einer Abschiebung nach Tschechien durch das Verwaltungsgericht
und unter anwaltlicher Begleitung wird stets abgelehnt. Nach einer viele Wochen währenden
juristischen und politischen Auseinandersetzung kann schließlich erreicht
werden, daß der Jugendliche von einem ehrenamtlichen Vormund vertreten wird.
Ein Arzt hat zwischenzeitlich festgestellt, daß der Junge unter einer
Posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Christine Graebsch – Rechtsanwältin; taz-nord 13.6.08 10. Juni 08 Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick. Eine 31 Jahre alte Vietnamesin wird aus der Haft entlassen.
Sie ist schwanger und hat während ihrer 40-tägigen Haftzeit so sehr an
Gewicht verloren, daß Folgen für das ungeborene Kind nicht auszuschließen
sind. Die
Entlassung erfolgt nach einer Eingabe der Seelsorgerin an die Leiterin der
Ausländerbehörde. Jesuiten-Flüchtlingsdienst Mitte Juni 08 Bundesland Baden-Württemberg. Der
kurdische Flüchtling Nurettin Petek wird in seiner Heilbronner Wohnung von
der Polizei festgenommen und kommt in Auslieferungshaft in die JVA
Stuttgart-Stammheim. Nurettin
Petek, der als Dorfvorsteher in Kayabaglar (Zokayde) in Siirt tätig war und
sich im Jahre 2001 für zwei Monate wegen angeblichen Waffenbesitzes in
türkischer Haft befunden hatte, ist seit 2002 anerkannter politischer
Flüchtling in der BRD. Im
Falle seiner Auslieferung droht ihm eine Gefängnisstrafe von vier Jahren, zu
der er unterdessen in der Türkei verurteilt wurde. Nûçe 11.7.08; AZADI infodienst Nr. 68 Juli 2008 21. Juni 08 Bundesland Bayern. In der
Flüchtlingsunterkunft am Schollenteich in Hof wird morgens um 2.00 Uhr ein
Zimmermannshammer durch ein geschlossenes Fenster im Erdgeschoß geworfen. Der
Hammer landet unter einem Tisch in der Mitte des Raumes. Die 26 Jahre alte
Bewohnerin kommt mit dem Schrecken davon. FrP 23.6.08 22. Juni 08 Nordhausen in Sachsen-Anhalt.
Drei Asylbewerber sind gegen Mitternacht auf dem Weg zum Nachtgebet in den
Räumen der muslimischen Gemeinde. Der 19-jährige Pakistani, der 26-jährige
Marokkaner und der 27-jährige Ukrainer tragen entsprechende Kleidung und
Gebetsmützen, so daß sie äußerlich als Muslime zu erkennen sind. Von
zwei Neonazis werden sie zunächst verbal angegriffen mit Formulierungen wie
"Geht zurück in euer Land!" und "Verpißt euch!" Dann
schlägt einer der beiden mit einem Baseballschläger zu und verletzt den
Ukrainer, der den Schlag gegen den Kopf abwehren will, am Ellenbogen. Als
die beiden anderen Asylbewerber ihm zu Hilfe eilen, setzen sich die Neonazis
in ihr Auto und fliehen. Die inzwischen informierte Polizei leitet umgehend
eine Fahndung ein und stellt den Fahrer des Wagens nach einer
Verfolgungsjagd. Der zwischendurch ausgestiegene Täter wird einige Tage
später gefaßt. Beide Neonazis werden von den Angegriffenen bei einer
Gegenüberstellung identifiziert, und die Kriminalpolizei nimmt die
Ermittlungen auf. Im
Januar 2009 ist noch nicht bekannt, ob Anklage erhoben wird. ND 23.6.08; art-ndh – aufklärung und recherche team nordhausen 25. Juni 08 Im thüringischen
Sonneberg wird das Flüchtlingsheim von Flußballfans angegriffen. Diese
versammeln sich vor dem Gebäude und skandieren "Scheiß-Ausländer"
und "Ausländer raus". Sie werfen mit Flaschen, so daß viele Fenster
zerstört werden. Schließlich brechen sie die Eingangstür auf und dringen ins
Gebäude vor. Sie beleidigen die BewohnerInnen rassistisch und attackieren sie
körperlich. THO
Chronik (Mobit) 30. Juni 08 Balingen in Baden-Württemberg.
Als seine Frau nicht nach Hause kommt, wird der Ehemann unruhig und bittet
Freunde um Hilfe. Diese finden die Kurdin am späten Abend am Eyach-Ufer. Sie
hat Benzin dabei und hantiert mit einem Feuerzeug. Den Freunden gelingt es,
sie davon abzubringen, sich zu verbrennen. Wenige
Stunden zuvor haben die kurdischen Eheleute vom Urteil des Mannheimer
Verwaltungsgerichtshofes erfahren, durch das die Entscheidung des Sigmaringer
Verwaltungsgerichts aufgehoben wurde. Damit ist die Abschiebung ihres 27
Jahre alten Sohnes gerichtlich wieder zugelassen. Seit
1990 befindet sich die Familie in der BRD, und als im Jahre 2000 die ersten
Abschiebungsverfügungen verschickt wurden, bekam sie Kirchenasyl in Balingen.
Immer wieder war es der Familie gelungen, sich den Abschiebebehörden zu
entziehen, bis die Frau und die Tochter einen Aufenthalt bekamen – der Mann
und der Sohn jedoch weiter nur geduldet waren. Vor allem in dem jahrelangen
inoffiziellen Aufenthalt des Sohnes sahen die Mannheimer Richter keine
Voraussetzung für eine weitere Duldung. Im
Januar 2009 hat die Härtefallkommission sich für ein Bleiberecht des Sohnes
entschieden. Das Votum des Innenministers steht allerdings noch aus. Südwest aktiv 2.7.08; Katholisches Pfarramt Heilig Geist in Balingen Juni 08 Bundesland Rheinland-Pfalz. Nach
sechswöchiger Abschiebehaft in Ingelheim wird ein psychisch kranker junger
Flüchtling in die Rheinhessenklinik Alzey verlegt und von dort direkt
abgeschoben. epd 6.3.09; Netzwerk Abschiebungsbeobachtung 25.11.09 5. Juli 08 Bundesland Bayern. Am ersten Tag
des Bürgerfestes in Bayreuth kommt es zwischen einem 19-jährigen Deutschen
und einem gleichaltrigen Flüchtling aus Aserbaidschan zu einem
Streitgespräch. Als der Deutsche ein Messer herauszieht, schlägt der
Flüchtling mit einer Bierflasche zu. Daraufhin sticht der Deutsche zweimal zu
und trifft den Flüchtling in der linken Brust. Nur
durch eine sofortige Notoperation im Bayreuther Klinikum kann das Leben des
Flüchtlings gerettet werden. Der
Inhalt des Streites zwischen den beiden alkoholisierten Männern war eine
handgreifliche Auseinandersetzung einer deutschen Gruppe und einer Gruppe von
Asylbewerbern, die vor einer Woche passierte. Es hatte nach dem
Europameisterschaftsspiel Deutschland – Türkei begonnen, als einer der
Asylbewerber sich eine türkische Nationalflagge umgebunden hatte, was die
Deutschen nicht tolerieren wollten. Daraus hatte sich eine Schlägerei
entwickelt. Die
Jugendkammer des Landgerichts verurteilt den Messerstecher am 12. Januar 2009
wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von zwei
Jahren. Der Angeklagte kommt nach einem halben Jahr Untersuchungshaft auf
freien Fuß. Polizei und StA Bayreuth 6.7.08; DK 7.1.09; FP 8.1.09; DK 12.1.09; NN 12.1.09; FP 13.1.08; NBK 21.1.09; Bericht des Betroffenen 13. Juli 08 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
Der 33 Jahre alte kurdische Flüchtling Ömer Berber wird in Aachen im Rahmen
einer Polizeikontrolle festgenommen und kommt – aufgrund eines
internationalen Haftbefehls der Türkei – in die JVA Köln-Ossendorf in
Auslieferungshaft. Ömer
Berber hat wegen seiner politischen Aktivitäten mehrere Jahre in türkischen
Gefängnissen gesessen. Nach den Überfällen des türkischen Militärs auf die
Gefängnisse am 19. Dezember 2000 wurde er in F-Typ-Isolation genommen. Hier
beteiligte er sich an dem Todesfasten der Gefangenen. Als er wegen seines
schlechten Gesundheitszustandes für kurze Zeit Haftverschonung bekam, nutzte
er die Gelegenheit und flüchtete außer Landes. In
Frankreich stellte er den Antrag auf politisches Asyl, der am 5. November
2003 entsprechend der Genfer Menschenrechtskonvention positiv entschieden
wurde. Damit verbunden ist auch der Abschiebeschutz in das Verfolgerland. Zum
Zeitpunkt seiner Festnahme durch deutsche Beamte ist er in Besitz einer
Aufenthaltserlaubnis in Frankreich für die nächsten zehn Jahre. Am
15. August wird er aus der Untersuchungshaft entlassen. AvEG-Köln 20.7.08; indymedia 20.7.08; AZADI infodienst Nr. 68 Juli 2008 15. Juli 08 Im Jugend-Trakt der Bremer JVA
Oslebshausen wird morgens kurz nach 6.00 Uhr der 16-jährige Flüchtling
Ibourahima Keita aus der Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire) tot aufgefunden. Er
hat sich an einem Strick, den er aus seinem Bettzeug gefertigt hat, erhängt. Ibourahima
Keita war mit 14 Jahren in die BRD gekommen und zunächst in einem Heim für
minderjährige Flüchtlinge in der Peenemünder Straße untergebracht. Ein halbes
Jahr nach seiner Ankunft wurde sein Asylantrag abgelehnt, und er bekam eine
Duldung. Mittlerweile war aus dem zurückhaltenden, freundlichen Jungen ein
aggressiver Jugendlicher geworden. Wegen vieler kleinkrimineller Delikte
wurde er kurz nach seinem 15. Geburtstag zu einer Haftstrafe von 18 Monaten
auf Bewährung verurteilt. Weil
die Heimleitung mit dem inzwischen schwierigen Jugendlichen offensichtlich
überfordert war, bekam er – unter Auflagen des Vormundschaftsamtes - eine
Ein-Zimmer-Wohnung im Ortsteil Hemelingen zugewiesen, in die später auch
seine deutsche Freundin einzog. Kurz
nach seinem 16. Geburtstag standen plötzlich Polizisten im Wohnzimmer des
noch schlafenden Paares. Die beiden wurden aus der Wohnung geräumt, weil ein
Verbleib ab dem 16. Lebensjahr für Flüchtlinge nicht mehr zugelassen wird
(für deutsche Jugendliche gilt das 18. Lebensjahr). In einem ihm zugewiesenen
Erwachsenenwohnheim meldete Ibourahima Keita sich nicht. Nach
seiner ersten Verurteilung beging er weitere 22 Straftaten, und am 1.
November 2007 wurde Ibourahima Keita auf dem Bremer Bahnhofsplatz verhaftet
und nach Oslebshausen in Untersuchungshaft gebracht. Ibourahima Keita wurde
in einem zweiten Prozeß zu zwei Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt. Am
28. Mai 2008 wurde seine Tochter Jenna geboren. Kommentar
eines JVA-Mitarbeiters zu dem Suizid des Jugendlichen: es habe "... keine
Anzeichen für die Krise" gegeben. Auf Nachfragen einer Journalistin über
die Umstände in der Haft antwortet Justiz-Staatsrat Mathias Stauch: "Es
verbietet sich, daß diese Fragen und die näheren Erläuterungen zu dem
konkreten Verhalten des Inhaftierten und den einzelnen Umständen seiner
Haftsituation in die Öffentlichkeit getragen werden." Deutschlandfunk 16.10.09; taz 19.10.09 16. Juli 08 Bundesland Bayern. Im Haftraum B
105 der Justizvollzugsanstalt Nürnberg fügt sich der 23-jährige Untersuchungsgefangene
David Sargarian aus Armenien in der Nacht mit einer Rasierklinge tiefe
Schnittwunden an beiden Unterarmen und den Armbeugen zu. Dann ruft er um
Hilfe und drückt um 2.40 Uhr auf den Alarmknopf. Mitgefangene hören dies aus
der Einzelzelle des 23-Jährigen, und einer von ihnen betätigt ebenfalls den
Notrufknopf. Zwei
Justizbeamte öffnen die Klappe an der Zellentür und werfen einen Blick auf
den stark blutenden Mann, der sie um Hilfe bittet. Sie entfernen sich wieder,
und es dauert 20 Minuten, bis ein Sanitäter und eine Sanitäterin erscheinen.
Von ihnen wird der Anstaltsarzt telefonisch informiert, der zu diesem
Zeitpunkt daheim ist. Per Ferndiagnose erteilt er dem Sanitäter die
Anweisung, die Wunden mit Klammerpflastern zu versorgen, ihn in einen anderen
Raum zu bringen und ihn dann stündlich zu kontrollieren. Dann
wird der Schwerverletzte mit einem Rollstuhl in die Krankenabteilung
gebracht, wo eine provisorische Erstversorgung der Wunden vorgenommen wird.
Bei dem anschließenden Transport des Gefangenen in einen "Gefängnisraum
ohne gefährliche Gegenstände" verliert David Sargarian das Bewußtsein.
Daraufhin verständigt ein Vollzugsbeamter um 3.44 Uhr einen Notarzt vom
Bayerischen Roten Kreuz. Als
der Notarzt zehn Minuten später eintrifft, ist David Sargarian tot. Die
Obduktion ergibt, daß er an den Folgen des starken Blutverlustes gestorben
ist. Zusammen
mit seinen Eltern war David Sargarian im Februar 2000 als 15-Jähriger aus
Armenien in die Bundesrepublik gekommen. Wegen ihrer Krankheiten erhielten
die Eltern im Februar 2006 erstmals eine Aufenthaltserlaubnis und im Frühjahr
2007 auch einen Paßersatz. Da ihr Sohn inzwischen volljährig geworden war,
betrieb die Ausländerbehörde Nürnberg seine Abschiebung, belegte ihn mit
einem Arbeitsverbot und verpflichtete ihn, in einer Gemeinschaftsunterkunft
zu wohnen. Dies stellte für ihn eine besondere Härte dar, denn er hing sehr
an seinen Eltern und betreute regelmäßig seine an Asthma erkrankte Mutter. Am 18. Februar 08 kam die Kriminalpolizei um 6.30 Uhr
in die Wohnung der Familie. Der Vater war bei der Arbeit, David bei seiner
Mutter. Er wurde festgenommen wegen des Verdachts, an einem Raubüberfall
beteiligt gewesen zu sein. Als seine Mutter einen schweren Asthma-Anfall
bekam, durfte der Sohn ihr keine Medikamente geben. Stattdessen riefen die
Beamten einen Notarzt. In
der Haft unterlag David Sargarian einer strengen Kontaktsperre; er durfte
seine Eltern weder sehen noch mit ihnen telefonieren. Briefe, die er schrieb,
wurden nicht weiter-geleitet – er wartete vergeblich auf die Antwort seiner
Eltern. Das
Amtsgericht Nürnberg lehnte eine vom Rechtsanwalt beantragte Besuchserlaubnis
für den Vater ab mit der Begründung, "dass die Besuchserlaubnis aufgrund
der laufenden Ermittlungen nicht erteilt werden kann, was mit dem Zweck der
Haft nicht vereinbar ist gem. § 119 Abs. 3 StPO". Er sei dringend
verdächtig, zusammen mit derzeit noch nicht bekannten Personen einen schweren
Raub begangen zu haben, sage zur Sache aber nicht aus, so daß Verdunkelungsgefahr
bestehe. Am
15. Juli 08 sollte ein Haftprüfungstermin stattfinden. David Sargarian machte
sich Hoffnungen, freigelassen zu werden. Doch zwischenzeitlich wurde Anklage
erhoben und der Haftprüfungstermin deshalb gestrichen. Die Eltern
interpretieren den Suizidversuch in der darauf folgenden Nacht als einen
Hilferuf ihres Sohnes nach Kontakt zu ihnen. Gegen
die JVA-Beamten und gegen das medizinische Personal stellen die Eltern eine
Strafanzeige wegen eines Tötungsdelikts aufgrund Unterlassung, fahrlässiger
Tötung und unterlassener Hilfeleistung. Mitte
Juni 2009 erhebt die Staatsanwaltschaft Nürnberg Anklage wegen fahrlässiger
Tötung gegen den Gefängnisarzt Kurt P. (61) und den Pflegedienstmitarbeiter
Ilja S. (28). Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Arzt die letzten zehn Monate
uneingeschränkt weiterarbeiten können. Nach
vier Verhandlungstagen endet der Prozeß Mitte Dezember mit einem Freispruch
für beide Angeklagten. Obwohl sich die Staatsanwaltschaft auf das Gutachten
des Erlanger Rechtsmediziners Peter Betz stützt, der viele Behandlungsfehler
nachweist und allen Beteiligten vorwirft, nicht sofort einen Notarzt gerufen
zu haben, stimmt der Gutachter letztlich mit dem Gegen-Gutachter der
Verteidigung darin überein, daß für die Angeklagten die Zeit zu knapp gewesen
sei, den verblutenden Häftling noch zu retten. NN 9./10.8.08; Abendzeitung Nürnberg 25.8.08; Bündnis Aktiv für Menschenrechte; SZ 18.5.09; NN 16.6.09; NN 17.11.09; br-online 25.11.09; NN 26.11.09; NN
12.12.09; Bernd Ophoff – Rechtsanwalt 21. Juli 08 Im sächsischen Bahren hält um
0.25 Uhr ein Audi auf dem Vorplatz des Flüchtlingsheimes. Die vier Insassen
brüllen rassistische Parolen, und nach einer kurzen Diskussion mit den
Verantwortlichen des Heimes entfernen sie sich wieder. Die Polizei nimmt die
Ermittlungen auf. AMAL Sachsen (Polizei Westsachsen) 22. Juli 08 In Baden-Württemberg wird der
togoische Asylbewerber I. Z. nach fünfjährigem Aufenthalt in der BRD von zwei
Polizisten festgenommen und zur Abschiebung zum Flughafen Frankfurt am Main
gebracht. Gleich nach der Landung in Togo wird er verhaftet und brutal
verhört. Nachdem er unter Auflagen nach drei Tagen freigelassen wird, flieht
er nach Ghana und informiert von dort aus Freunde in der BRD. Arbeitskreis Asyl Stuttgart Dezember 08; Bericht von Freunden 25. Juli 08 Helbigsdorf im Bundesland
Sachsen. Um 23.30 Uhr fährt ein weinroter VW-Kleintransporter vor das
Flüchtlingsheim. Die Insassen steigen aus und brüllen "Sieg Heil"
und "Ausländer raus!" Die Polizei beginnt Ermittlungen wegen des
Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. RAA Sachsen (Polizei Sachsen); AMAL Sachsen (SäZ 25.7.08) 5. August 08 Bundesland Baden-Württemberg. Im
Abschiebetrakt in der JVA Rottenburg entzündet um ca. 20 Uhr der 20 Jahre
alte kurdische Gefangene Ali Bal die Zelle in der Absicht, sich selbst zu
töten. Der Brand wird entdeckt, seine Zelle geöffnet, und er kommt mit einer
Rauchgasvergiftung und Schnittverletzungen am Oberkörper und an den
Unterarmen in die Tübinger Medizinische Klinik. Der
Transport von weiteren fünf Gefangenen mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung
ins Krankenhaus bereitet den Verantwortlichen auch am späten Abend noch
"Schwierigkeiten", weil es ihnen nicht gelingt, die
zur Bewachung nötigen Polizisten frühzeitig zu rekrutieren. Nach
notärztlicher Versorgung wird der 20-Jährige einem Haftrichter vorgeführt,
der die Einweisung in das Gefängniskrankenhaus Hohenasperg entscheidet. Hier
steht Ali Bal, "weil eine Suizidgefahr nicht ausgeschlossen" ist
(Oberstaatsanwaltschaft) zunächst eine Woche lang unter Kontaktsperre und
besonderer Beobachtung. Der
junge Mann, der aus einer kurdisch-alevitischen Familie kommt und der im
Alter von 10 Jahren mit seiner Mutter in die BRD geflohen war, hat große
Angst vor einer Abschiebung in die Türkei. Er ist zudem Pazifist und
Militärdienstverweigerer und rechnet mit erheblichen Repressionen. Als
er im Jahre 2005 volljährig geworden war, sollte er im August des Jahres in
die Türkei abgeschoben werden. Bei dem Versuch wurde ihm von den Beamten die
Nase gebrochen, wodurch die Abschiebung zunächst verschoben werden mußte. Am
17. Oktober 2005 erfolgte dann tatsächlich seine Abschiebung nach Istanbul.
Direkt nach der Landung war er – noch auf dem Flughafen – verhört und
geschlagen worden. Nach
seiner Entlassung gelang ihm einige Tage später die Flucht in die BRD, und er
konnte zunächst zu seiner Mutter und seinen Geschwistern zurückkehren. Nach
dem Suizidversuch in der JVA Rottenburg ermittelt die Oberstaatsanwaltschaft
gegen den Flüchtling wegen "versuchter schwerer Brandstiftung". Da
er weiterhin von der Abschiebung bedroht ist, befindet er sich in einer
extremen psychischen Ausnahmesituation. Am
28. August 2008 erscheinen Polizisten im Haftkrankenhaus Hohenasperg und
erklären ihm, daß sie ihn zurück in die JVA Rottenburg bringen wollen.
Tatsächlich fahren sie ihn zum Flughafen Stuttgart, fesseln ihn an Händen und
Füßen und zwingen ihn trotz versuchter Gegenwehr in das Flugzeug. Unter
Bewachung von zwei Polizisten und einem Arzt wird er nach Istanbul
ausgeflogen. Obwohl
der Arzt ihn mit dem Vermerk, daß er suizidgefährdet sei, an die türkischen
Behörden übergibt, wird er umgehend und über einen Zeitraum von ca. vier
Stunden verhört und immer wieder geschlagen. Ihm wird aufgrund seines
Geburtsortes Unterstützung des kurdischen Widerstands vorgeworfen. Verletzt
und Blut spuckend, ohne Geld und Papiere erfolgt dann seine Entlassung unter
der Auflage, sich in zehn Tagen bei der zuständigen Miltärkaserne
einzufinden. Auf
der Straße ist er völlig perspektivlos. Seine Mutter und seine Geschwister
leben in der BRD – der Vater ist tot. Er bittet einen Taxifahrer um Hilfe,
der ihn zu einer Familie bringt, die ihn vorerst bei sich aufnimmt. Auch hier
äußert er weiterhin Suizidabsichten. Im
September 2008 wird er zum Militärdienst gezwungen. Auch hier muß er Schläge
und Schikanen erleiden und versucht erneut, sich das Leben zu nehmen. Er
kommt für kurze Zeit ins Militärkrankenhaus. Berichte des Betroffenen; SchwT 6.8.08; RGA 8.8.08; SchwT 8.8.08; SchwT 17.8.08; Bündnis gegen Abschiebehaft Rottenburg 18.8.08; Bündnis gegen Abschiebehaft Rottenburg 31.8.08; SchwT 1.9.08; FRat BaWü 2.9.08; FRat BaWü 9.10.08; Schattenbericht Abschiebehaft 2010; BT DS 17/10597 5. August 08 Bundesland Niedersachsen. Bei
einer Vorführung auf dem türkischen Konsulat in Hannover springt ein 38 Jahre
alter Abschiebegefangener aus dem ersten Obergeschoß ins Freie und flieht. Sechs
Tage später wird er an einem Kiosk verhaftet und kommt zurück in die JVA
Hannover. Polizei Hannover 12.8.08 6. August 08 Berlin – Bezirk
Marzahn-Hellersdorf. Um 10.15 Uhr wird der 19 Jahre alte vietnamesische
Flüchtling N. T. D. vor einem Supermarkt in der Marchwitzastraße von einem
Deutschen bestohlen, angegriffen und zusammengeschlagen. Dann ruft der
35-jährige Angreifer die Polizei an, teilt mit, daß er einen
"vietnamesischen Zigarettenhändler" festhalte und droht:
"Regelt Ihr das oder muß ich das selbst erledigen?" Danach rammt er
dem Vietnamesen ein Messer in die Brust und rennt nach Hause. Noch
vor Ort kann der Schwerverletzte reanimiert werden, kommt ins
Unfallkrankenhaus Marzahn und erliegt seinen schweren Verletzungen während
der Not-Operation. Der
Täter hatte gegenüber Bekannten mehrmals gegen "diese Fidschis"
(VietnamesInnen) gehetzt und Gewalttaten angedroht. Nach dem Mord wird er in
den meisten Zeitungen als "psychisch labil" und
"drogenabhängig" beschrieben. Einen Tag nach dem Mord wird er in einer
psychiatrischen Klinik untergebracht. Das
Berliner Landgericht verurteilt den Täter im Juni 2009 zu dauerhafter
Sicherheitsverwahrung in der Psychiatrie. Polizei Berlin 6.8.08; Antifa Bündnis Marzahn-Hellersdorf 7.8.08; TS 7.8.08; BK 7.8.08; ND 7.8.08; BM 7.8.08; ABM 7.8.08; rbb-online
7.8.08; TS 8.8.08; jW 8.8.08;
JWB 14.8.08; Antifa Bündnis Marzahn-Hellersdorf 16.8.08; Beratungsstelle Reistrommel; Integrationsbeauftragte Marzahn-Hellersdorf; BZ 13.5.09; TS
27.6.09 13. August 08 Flughafen Frankfurt am Main. Ein
64 Jahre alter Flüchtling (wahrscheinlich aus dem Libanon) wird im Rahmen der
Dublin-II-Verordnung aus dem Saarland nach
Göteborg in Schweden zurückgeschoben. Aufgrund eines Schlaganfalls ist der
Mann halbseitig gelähmt und wird direkt über die Flughafenklinik mit einem
Spezialfahrzeug in einem Stuhl in das Flugzeug gebracht. Im Flugzeug wird er
liegend transportiert. Der
begleitende Arzt versichert der Abschiebebeobachtung, daß der Mann
flugtauglich sei und daß mit den Behörden in Stockholm die Übernahme und
Rehabilitationsmaßnahmen vereinbart seien. Den
Abschiebebeobachterinnen gelingt es nicht, mit dem Patienten zu sprechen –
und es scheint ihnen unklar, ob der Mann überhaupt versteht, was mit ihm
geschieht. Abschiebungsbeobachtung FFM 2009 15. August 08 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
Die 38 Jahre alte L. M. wird am 5. Tag ihres Krankenhaus-Aufenthaltes von
Beamten der Ausländerbehörde in Begleitung eines
Arztes aus der geschlossenen Abteilung der psychiatrischen Klinik
Lippstadt (LWL) geholt. Die psychisch schwer kranke und unter Psychopharmaka
stehende Frau wird dann einem Haftrichter des Amtsgerichts Warendorf
vorgeführt, der ohne Kenntnis der aktuellen Herkunft der Kranken
Sicherungshaft zwecks Abschiebung verordnet. Zeitgleich
ist ein Mitarbeiter des Jugendamtes im Auftrag der Ausländerbehörde
unterwegs, um die Kinder der Frau, den 8-jährigen Luigi, die 14-jährige Laura
und den 15-jährigen Leonard, bis zur Abschiebung "in Obhut zu
nehmen". Da der Jugendamtsbeamte dies im Anblick der psychischen
Verfassung der Kinder ablehnt, beläßt er sie in der Wohnung, zumal sie
zugesagt haben, daß sie "freiwillig" mitgehen würden, wenn die
Mutter abgeschoben wird. Am
nächsten Tag werden die Kinder um 5.00 Uhr zu Hause abgeholt und sehen ihre
Mutter am Flughafen Düsseldorf wieder, die aus der Polizeihaft herangefahren
wird. Um 11.00 Uhr untersagt das Oberverwaltungsgericht Münster die
Abschiebung der Familie, nachdem sich die Richterin bei dem behandelnden Oberarzt
der LWL-Klinik erkundigt hatte. Die
Abschiebung wird abgebrochen, und Frau M. kann mit den Kindern wieder nach
Hause. Noch am gleichen Tag wird sie zurück ins Krankenhaus gebracht, aus dem
sie erst am 10. September entlassen werden kann. Einen
Tag nach dem Abschiebeversuch bekommt Frau M. die Mitteilung des Sozialamtes,
daß sie mit den Kindern in ein Flüchtlingsheim in Beckum umziehen soll. Erst
nach Intervention des behandelnden Arztes kann erreicht werden, daß die
Familie ab 10. Oktober eine kleine abgeschlossene Wohnung beziehen kann –
allerdings in einer Obdachlosen-Unterkunft. Frau
M. war 1994 mit ihrem damals 1-jährigen Sohn ihrem Ehemann in die BRD
gefolgt, der bereits ab 1991 in Baden-Württemberg lebte und arbeitete. Mit
einem Visum eingereist bekam die Familie dann größtenteils Duldungen. Als der
Ausreisedruck der Behörden sich deutlich verstärkte und zudem im Kosovo Krieg
herrschte, stellten sie Anträge auf Asyl. Dies hatte zur Folge, daß sie
umgehend nach Warendorf in Nordrhein-Westfalen umverteilt wurden. Aufgrund
des Ausreisedruckes der Behörde gingen sie im Jahre 2000
"freiwillig" in den Kosovo zurück – kamen dann aber enttäuscht in den Jahren 2002 und 2004 zurück,
weil es dort für sie unmöglich war, eine wirtschaftliche Existenz zu
entwickeln. Zudem ging es Frau M., die seit Jahren an psychischen Problemen
litt, zunehmend schlechter. Durch
den Kosovo-Aufenthalt hatten sie die Bedingungen für Altfallregelungen
verwirkt. Als
am 5. Oktober 2006 Herr M. verhaftet wurde und in Abschiebehaft kam, brach
Frau M. zusammen und kam ins Allgemeinkrankenhaus in Beckum. Dort wurde sie
am Morgen des 12. Oktober von Beamten der Ausländerbehörde herausgeholt und
zum Flughafen gebracht. Die Behörde wollte die Eheleute ohne ihre Kinder
abschieben. Durch
Intervention von UNHCR und UNMIK wurde die Einreise in den Kosovo von Frau M.
abgelehnt – ihr Mann wurde allein ausgeflogen. Frau M. kam in das
psychiatrische Krankenhaus St. Rochus nach Telgte. Durch
die Abschiebung des Vaters und Ehemanns verlor die Familie ihre
wirtschaftliche Existenz. Erstmalig in den Jahren ihres Aufenthaltes in der
BRD mußte die Familie Sozialhilfe beantragen. Aufgrund
der Umstände um die Abschiebung der Eltern erkrankte die damals 12-jährige
Laura und befindet sich seither in kinderpsychiatrischer Behandlung. Ein
weiterer für Mutter und Tochter traumatisierender Vorfall fand am 5. Juli
2007 statt. Die Ausländerbehörde hatte geplant, die Familie ohne
Vorankündigung nachts zur Abschiebung aus der Wohnung zu holen. Sie brachen
die Wohnungstür auf und verwüsteten die Wohnung, zerschlugen eine Scheibe.
Zufälligerweise waren Frau M. und die Kinder in dieser Nacht bei Verwandten. Aufgrund
dieses Ereignisses verschlechterte sich der psychische Gesundheitszustand von
Frau M. dermaßen, daß sie am 10. Juli in die geschlossene Abteilung der
psychiatrischen Klink Lippstadt (LWL) eingeliefert wurde. Bei der Tochter
wurde sowohl von dem behandelnden Arzt als auch von der behandelnden
Therapeutin eine Posttraumatische Belastungsstörung festgestellt – ausgelöst
durch das Verhalten der Ausländerbehörde und die gewaltsame Trennung vom
Vaters. Werner Weigelt – Rechtsanwalt; Bericht der Betroffenen; LT NRW Plenarprotokoll 14/88 18. August 08 Potsdam. Am Montagabend gegen 22
Uhr wird ein 46-jähriger Vietnamese im Asylbewerberheim Lerchensteig von zwei
vietnamesischen Bekannten mit schweren Kopfverletzungen aufgefunden. Am
nächsten Tag stirbt er im Krankenhaus. Die
Polizei hat keinen Verdacht auf ein Verbrechen, ordnet aber eine Obduktion
an. Dabei werden ältere Kopfverletzungen und Blutgerinnsel festgestellt. MAZ 20.8.08; PNN 21.8.08; Henri Kramer – Journalist 23. August 08 Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick. Der 29 Jahre alte Abschiebegefangene E.H. E-T aus Libyen
sammelt auf der Etage Tabletten von Mitgefangenen zusammen, schluckt sie und
legt sich ins Bett. Die Mitgefangenen verständigen die Wache, und der Libyer
kommt ins Krankenhaus Hedwigshöhe. Hier
berichtet er, daß er lieber sterben wolle, als weiterhin eingesperrt zu sein.
Die Ärzte diagnostizieren bei dem offensichtlich psychisch kranken Mann,
dessen Körper von unzähligen Narben (Schnitt- und Schußverletzungen) übersät
ist, daß eine "Retraumatisierung durch Eingesperrtsein" vorliegt.
Nach einer medikamentellen Ruhigstellung mit Psychopharmaka kommt er noch am
gleichen Tag in die Abschiebehaft zurück und steht hier bis zum 1. September
in einer Überwachungszelle "unter besonderer Beobachtung". Dann
kommt er zurück auf seine Etage. Die
Gefängnis-Psychologin überweist ihn abermals in den Überwachungstrakt, als er
wieder deutlich verhaltensauffällig wird. Seit dem 17. September ist er
erneut im Krankenhaus Hedwigshöhe in stationärer Behandlung. Obwohl er zwei Tage
später offiziell aus der Abschiebehaft entlassen wird, wird er bis zu seiner
Entlassung aus dem Krankenhaus weiterhin polizeilich bewacht. Der
Mann war am 31. Juli in die BRD eingereist, und schon am Flughafen hatte die
Bundespolizei ihn an die Ausländerbehörde verwiesen, wo er einen Asylantrag
hätte stellen können. Dies tat er jedoch nicht, wurde acht Tage später von
der Polizei nach einem Diebstahl festgenommen und ins Abschiebegefängnis
gebracht. Da er im Besitz eines Visums von Großbritannien ist, sollte er
dorthin zurückgeschoben werden. Noch
dreimal wird der Libyer von der Polizei festgenommen und jeweils im
Schnellverfahren abgeurteilt. Im Januar 2009 sitzt er wegen Diebstahls im Haftkrankenhaus
Plötzensee. Der Rechtsanwalt hat gegen die gerichtliche Entscheidung Berufung
eingelegt, weil der Libyer laut Gutachten vermindert schuldfähig ist. Polizei Berlin 24.8.08; BeZ 25.8.08; TS 25.8.08; Welt 25.8.08; ND 25.8.08; Thomas Krautzig – Rechtsanwalt; BT DS 17/10596;
BT DS 17/10597; Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 25. August 08 In Baden-Württemberg wird die
togoische Asylbewerberin C. K. aus der Abschiebehaft des Frauengefängnisses
Schwäbisch Gmünd von Polizisten abgeholt und zur Abschiebung zum Flughafen
Frankfurt am Main gebracht. Der Pilot der vorgesehenen Maschine verweigert
jedoch ihre Mitnahme, weil sie sichtlich sehr krank ist. Daraufhin
wird C. K. in die Haftanstalt zurückgebracht und am 2. Oktober 08 nach Togo
abgeschoben, obwohl das Bundesamt genau für diesen Tag in Ulm eine
Verhandlung über ihren Asylfolgeantrag angesetzt hatte. Arbeitskreis Asyl Stuttgart Dezember 08; Bericht von Freunden 9. September 08 Flughafen Frankfurt am Main. Eine
Kamerunerin, die mit ihrem circa 1 ½- jährigen Sohn abgeschoben werden soll,
klagt über starke Bauchschmerzen und Atemnot. Sie ist HIV-positiv, spricht
kein Deutsch und hat kein Geld bei sich. Die
Bundespolizei bringt die Frau mit ihrem Sohn in die Flughafenklinik, von wo
aus sie zu weiteren Untersuchungen in die Frankfurter Universitätsklinik
gebracht werden muß. Als
die Untersuchungen abgeschlossen sind, wird die Frau aus dem Krankenhaus
entlassen. Auch die Polizisten lassen die Frau mit ihrem Kleinkind dann ohne
Aushändigung ihrer Papiere frei. Sie ist jetzt obdachlos. Abschiebungsbeobachtung FFM 2009 12. September 08 Bundesland Sachsen. In Oppach im
Kreis Görlitz werden um kurz vor Mitternacht zwei Flaschen aus einem Personenwagen
heraus auf das Flüchtlingsheim geworfen. Die Flaschen, in denen sich Benzin
befindet, zerschellen an der Außenwand und verursachen ein Feuer – das dann
selbständig erlischt. Die BewohnerInnen kommen mit dem Schrecken davon. Da
ein rassistischer Grund für diesen Brandanschlag nicht auszuschließen ist,
nehmen Kriminalpolizei und Staatsschutz die Ermittlungen auf. Elf
Wochen nach der Tat hat die Polizei vier Tatverdächtige im Alter von 19 bis
26 Jahren ermittelt. Als Haupttäterin wird die einzige Frau der Gruppe
festgestellt. Die vier Personen, die alle im Oppacher Umland wohnen, geben
die Tat zu und begründen sie mit ihrer nationalistischen und rassistischen
Gesinnung. Sie gestehen zudem, bereits einige Tage vor dem Brandanschlag ein
Fenster im Heim eingeworfen zu haben. Anfang
August 2010 verurteilt das Amtsgericht Bautzen die drei Männer zu
Bewährungsstrafen in Höhe von zwei Jahren, einem Jahr und acht Monaten sowie
einem Jahr und vier Monaten. Das Verfahren gegen die jetzt 27-jährige Frau wird
von diesem Prozeß abgetrennt. LR 15.9.08; SäZ 15.9.08; dpa 15.9.08; indymedia 24.9.08; RAA Sachsen; SäZ 1.12.08; FAKTuell 21.7.10; FAKTuell 3.8.10; FAKTuell 4.8.10 14. September 08 Görlitzer Park in
Berlin-Kreuzberg. Zwei schwarze Männer aus Brasilien, die sich auf einer
Parkbank miteinander unterhalten, werden von einem Deutschen brutal
attackiert. Dem einen boxt er ins Gesicht, so daß dieser mit gespaltener
Oberlippe zu Boden fällt – dem zweiten Brasilianer zerschlägt er eine
Bierflasche auf dem Kopf. Die Angegriffenen laufen um ihr Leben, als sie
bemerken, daß noch mehr Rassisten hinter ihnen her sind. Während
sich der erste Verletzte im Krankenhaus behandeln läßt, kann derjenige, der
die Bierflasche auf den Kopf bekam, weder ins Krankenhaus noch eine Anzeige
erstatten, weil er keinen
gültigen Aufenthalt hat. Als er seinen Schock halbwegs verarbeitet hat,
rasiert er sich seinen Kopf kahl, um mit dem Afro-Look nicht erneut zum Opfer
zu werden. El Patio 15.9.08 15. September 08 Berlin. Der Antrag der Eltern,
in die Nähe ihres in einem Pflegeheim in Wurzen lebenden schwer behinderten
Sohnes umziehen zu dürfen, wird von der Ausländerbehörde abgelehnt. Im
Jahre 2006 waren der damals 67 Jahre alte Herr A. und seine 56-jährige Frau
aus dem Kosovo gekommen, weil ihr Sohn nach einem Autounfall und nach langem
Koma gelähmt und sprachbehindert in ein Pflegeheim kam. Als ihr Visum
abgelaufen war, stellten sie einen Asylantrag, weil sie in der Nähe des
33-jährigen Sohnes und seiner drei kleinen Kinder bleiben wollten. Sie wurden
nach Berlin verteilt und leben seither in einem Wohnheim – haben zwar die
Erlaubnis von der Ausländerbehörde, ihren Sohn besuchen zu dürfen – können
ihn aber nicht besuchen, weil sie die Fahrkosten von den 196 Euro
Lebensunterhalt pro Person nicht bezahlen können und das Sozialamt nicht
bereit ist, die Fahrkosten zu übernehmen. Am
29. Januar 2009 verurteilt das Sozialgericht das Sozialamt zur
Kostenübernahme, da es sich um ein "regelmäßiges und grundlegendes
Bedürfnis der Eltern" handele, auf welches auch § 6 AsylbLG zuträfe. FFM – Eva Weber 24. September 08 Karlshöfen in der Gemeinde
Gnarrenburg in Niedersachsen. Zwischen 3.00 Uhr und 4.00 Uhr morgens wird die
Familie El Sharif / Bulut von lauten und bedrohlichen Geräuschen an der Wohnungstür
geweckt. Die 42-jährige Hadra Bulut und ihre Kinder vermuten Einbrecher oder
Rechtsextreme, die in dieser Gegend öfter in Wohnungen von AusländerInnen
eingestiegen sind. Tatsächlich sind es Polizeibeamte, die ohne zu klingeln
oder zu klopfen das Türschloß aufbohren. Da ein Riegel von innen vorgeschoben
ist, wird zunächst der Türgriff abgesägt und dann mit einem Rammbock die Tür
aufgebrochen. Dann stürmen Polizeibeamte in die Wohnung und fesseln Frau
Bulut an Händen und Füßen. Weder Frau Bulut noch ihre Töchter Fatma (12),
Zekie (14), Amira (17) und Muene (18) dürfen sich anziehen. Sie müssen in
ihren Schlafanzügen und T-Shirts und barfuß das Haus verlassen. Nur der
13-jährige Mohammed, der gerade dabei war, eine Hose anzuziehen, als die
Beamten hereinkamen, darf sich noch fertig anziehen. Die Mahalmi-Familie aus
dem Libanon soll nach 13-jährigem Aufenthalt in der BRD in die Türkei
abgeschoben werden. Dazu sind an diesem Morgen ca. 50 Beamte vor Ort nötig. Polizeibeamte
packen Kleidung in Tüten. Geld oder Handy darf niemand mitnehmen – auch die
Psychopharmaka, die Frau Bulut regelmäßig einnehmen muß, bleiben liegen. Als
Frau Bulut hinausgeführt wird und verzweifelt ruft, bekommt sie ein Tuch vor
den Mund gepreßt, so daß sie keine Luft bekommt – sie verliert das Bewußtsein
für ca. eine Stunde. Sie kommt im Krankenwagen wieder zu sich, fühlt sich
körperlich sehr schwach und muß beim Gehen gestützt werden. Frau Bulut ist
schwer krank, leidet an Krebs, hohem Blutdruck und behandlungsbedürftigen
Angst- und Panikattacken sowie Depressionen. Im Krankenwagen auf der Fahrt
zum Flughafen Düsseldorf bleibt sie an Händen und Füßen gefesselt und bekommt
irgendwann drei blutdrucksenkende Tabletten. Der Rest der Tabletten, den sie
bei sich hat, wird ihr weggenommen. Erst am Flughafen und nach heftigem
Protest darf sich Frau Bulut einen Rock über die Halbshorts überziehen, die
sie zum Schlafen anhatte. Ihre
Kinder werden getrennt von ihrer Mutter im Polizei-Transporter nach
Düsseldorf gebracht. Zekie wird gedroht, daß sie eine Spritze bekäme, wenn
sie nicht aufhören würde, zu weinen und zu schreien. Die jüngste Tochter,
Fatma, ist dermaßen schockiert, daß sie erst im Flugzeug wieder ansprech- Am
Flughafen angekommen werden sie nicht zu den anderen Flüchtlingen, die im
Rahmen dieser Sammelabschiebung in der Wartehalle sind, gebracht, sondern
noch ca. 2 Stunden auf dem Rollfeld in einem Polizei-Bus festgehalten.
Telefonieren dürfen sie nicht. Später kommt Frau Bulut dazu – ihre
Handgelenke sind entzündlich gerötet. Um
12.30 Uhr erhebt sich die Maschine in Richtung Türkei. In Istanbul angekommen
stehen die Buluts weinend und hilflos in der Flughafenhalle, als sie von
einer Familie aus Izmir angesprochen werden können, weil deren Sohn Deutsch
spricht. Diese Familie nimmt Mutter und Kinder mit zu sich und beherbergt sie
auch noch zwei Monate nach der Abschiebung provisorisch. Erst
durch Unterstützung aus Gnarrenburg, wo von FreundInnen, MitschülerInnen,
LehrerInnen und NachbarInnen eine Spendenaktion begonnen wurde, bekommt Frau
Bulut – Wochen nach der Abschiebung – ihre Medikamente und Geld. Mit
den Spenden mieten sie sich eine Zwei-Zimmer-Wohnung, obwohl sie nicht
wissen, wie sie hier leben sollen. Sie haben kein Geld, und sie sprechen kein
Türkisch – ausschließlich Arabisch und Deutsch. Noch
am Morgen der Abschiebung informieren NachbarInnen die zwei erwachsenen
Kinder von Frau Bulut, die aufgrund eines gesicherten Aufenthaltes nicht
abschiebebedroht sind. Der Sohn Ali fährt nach Karlshöfen und findet die Wohnung
leer vor. Weder die Polizei noch die Ausländerbehörde erteilt ihm Auskunft
darüber, was mit seiner Familie passiert ist. Wegen
der drohenden Abschiebung der Familie hatten sich MitschülerInnen,
LehrerInnen und die Schulleiter der Gnarrenburger Haupt- und Realschule an
die niedersächsische Härtefallkommission gewandt. Dieser Antrag war wegen des
Abschiebetermins nicht angenommen worden. Die
Ablehnung eines Eilantrags des Rechtsanwalts der Familie wurde nicht
ordnungsgemäß zugestellt und erreichte ihn deshalb zu spät. Auch ein weiterer
Eilantrag, der sich auf die Rechte der Kinder (Schulbesuch, Rücksicht auf
ihre Bindungen in Deutschland) bezog, war zum Zeitpunkt der Abschiebung noch
nicht entschieden. Die Kinder hätten deshalb nicht abgeschoben werden dürfen
und infolgedessen die Mutter auch nicht. Später wurde der Eilantrag abgelehnt
mit der Begründung, daß die Kinder schon abgeschoben seien. Bereits
im Jahre 2002 hatte es einen Abschiebeversuch der Familie gegeben. Als Frau
Bulut mit einem Messer in der Hand in heller Panik drohte,
sich zu töten, waren die Polizisten wieder abgezogen. ZeZ 7.10.08; ZeZ 11.10.08; ZeZ 3.12.08; FRat NieSa 11.12.08; Hans-Werner Leinweber – Rechtsanwalt; 28. September 08 Bundesland Baden-Württemberg. Am
Sonntagabend um 22.00 Uhr klingelt die Polizei an der Wohnung der
vietnamesischen Familie Luong in Ostfildern. Die Eheleute Huong und Dung
Luong und ihre beiden Töchter Mai Lingh und Giang bekommen 30 Minuten Zeit,
um die Sachen zu packen. Dann werden sie in einem vergitterten
Polizeitransporter nach Berlin gebracht und am Flughafen in eine
Abschiebezelle gesperrt. Die
6-jährige Mai Linh hat hohes Fieber, schweren Durchfall und hatte sich schon
auf der Fahrt nach Berlin ständig übergeben. Ein Flughafenarzt untersucht das
Mädchen und entscheidet, daß es nicht reisefähig ist. Die Abschiebung wird
abgebrochen, die Familie wird erneut einige Stunden in eine Zelle gesperrt
und um ca. 14.00 Uhr von der Polizei zum Berliner Hauptbahnhof gebracht.
Gegen 21.00 Uhr kommen die Eltern mit den völlig erschöpften Kindern nach
Ostfildern zurück. Die
14-jährige Giang leidet seit dem Abschiebeversuch unter einer
Posttraumatischen Belastungsstörung und wird von einer Psychologin betreut. Dung
Luong war Vertragsarbeiter in der DDR gewesen und wurde nach der politischen
Wende straffällig. Seine Vorstrafe verhinderte positive Entscheidungen beim
Petitionsausschuß und der Härtefallkommission, obwohl er jetzt seit zehn
Jahren eine feste Arbeitsstelle hat. StZ 24.12.09; AK-INFO AK-Asyl BaWü Jan. 09 September 08 Bundesland Hessen. Ein 24 Jahre
alter Kurde wird nach 12 Jahren Deutschland-Aufenthalt nach Syrien
ausgeflogen. Aus
der Ausweisungsverfügung, die die deutschen Beamten ihren syrischen Kollegen
direkt übergeben, geht hervor, daß der Vater des Abgeschobenen sich in der
BRD gegen den syrischen Staat politisch betätigt hat. Noch
auf dem Flughafen Damaskus wird der Sohn festgenommen und verprügelt. Es
folgen Verhöre unter systematischer Folter mit Schlägen ins Gesicht und auf
die Fußsohlen und Gefangenschaft in überfüllten, ungelüfteten Zellen, unter
katastrophalen hygienischen Bedingungen und schlechtem Essen. Als der Mann
nach über 20 Tagen entlassen wird, hat er 20 Kilogramm Körpergewicht
verloren. Ihm
gelingt erneut die Flucht außer Landes, und seit Juni 2010 ist er wieder in
der BRD. Obwohl
der Ausländerbehörde Wiesbaden bekannt ist, daß er nach der Abschiebung gefoltert
wurde, bedarf es eines Eilverfahrens, um eine erneute Abschiebung zu
verhindern. Am
13. Januar 11 stellt das Verwaltungsgericht Wiesbaden Abschiebungshindernisse
in Form drohender Folter fest (§ 60 Abs. 2 AufenthG) und untersagt damit
weitere Abschiebungsversuche. Bemerkenswert
ist die Tatsache, daß der Syrer von der Behörde, die ihn direkt in die Hände
seiner Folterer auslieferte und erneut ausliefern wollte, eine
Zahlungsaufforderung in Höhe von 5347,81 Euro für die Kosten der Abschiebung
bekommt. Pro Asyl 26.5.11; jW 31.5.11; Pro Asyl 1. Oktober 08 Berlin. Der 29 Jahre alte Imam
Ahmed Hemaya wird um 18 Uhr in der Wohnung seiner deutschen Frau von der
Bundespolizei festgenommen und unverzüglich zum Flughafen Tempelhof gebracht.
Am nächsten Morgen um 6.30 Uhr startet die Maschine Richtung Ägypten. Der
islamische Geistliche ist während des Fluges von Italien bis Ägypten mit
Handfesseln gebunden. In Kairo wird er von ägyptischer Polizei verhört und
erst nach zwei Tagen wieder freigelassen. Der
Grund für die Abschiebung ist die an die Ausländerbehörde weitergegebene
Äußerung des Verfassungsschutzes, daß Ahmed Hemaya zum "Heiligen
Krieg" und zum Abbruch aller Kontakte mit den Besatzungsmächten im Irak
aufgerufen haben soll. Obwohl dies von ihm selbst bestritten wird und der
Inhalt der in arabischer Sprache gehaltenen Predigt auf
Übersetzungsgenauigkeit überprüft werden könnte, weigert sich die
Ausländerbehörde, die Vorwürfe zu konkretisieren. Die Verpflichtung der
Behörde durch das Berliner Verwaltungsgericht, die komplette Akte
einschließlich der Beweismittel der Geheimdienste vorzulegen, wird durch die
vollendete Abschiebung ad absurdum geführt. Die
fehlende richterliche Anhörung vor dem Amtsgericht Berlin-Schöneberg nach der
Festnahme wird von Seiten der Behörde damit begründet, daß es bereits einen
wirksamen Ausweisungsbeschluß vom 21. November 2006 gebe: Die Abschiebung sei
damit "rechtmäßig". ND 5.10.08; Islamisches Nachrichtenfenster 5.10.08; Hans-Eberhard Schultz – Rechtsanwalt; Ehefrau des Betroffenen 3. Oktober 08 Fürstenwalde in Brandenburg. Auf
einem Parkplatz in der Stadtmitte kommt es zwischen einem deutschen Mann auf
der einen Seite und einem Flüchtling aus dem Kamerun sowie einem libanesischen
Deutschen nach einer verbalen Auseinandersetzung zu einer Messerstecherei.
Dabei wird der Kameruner niedergestochen und schwer verletzt – sein 16-jähriger Begleiter erleidet
leichte Schnittverletzungen an einer Hand. Staatsanwaltliche
Ermittlungen werden gegen beide Parteien eingeleitet. MOZ 4.10.08; TS 4.10.08; jW
4.10.08; BM 6.10.08;
TS 6.10.08 6. Oktober 08 Bundesland Hessen. Im Bereich
des Seckbachtunnels auf der Autobahn A 661 entdeckte ein Busfahrer um 22.20
Uhr bei einem Halt einen 17-jährigen "blinden Passagier" auf der
Hinterachse seines Busses. Der Jugendliche ist völlig entkräftet, durchnäßt,
durstig und hungrig – aber ansonsten unverletzt. Der
junge Algerier ist nach eigenen Angaben seit acht Monaten unterwegs und über
Griechenland nach Italien gekommen. In Venedig war er unter den Bus
geklettert, der mit einer Frankfurter Schulklasse nach Frankfurt zurückfuhr. Der
Jugendliche bittet um Asyl und wird ins hessische Erstaufnahmelager nach
Gießen verwiesen. Wegen des Verdachts der illegalen Einreise bzw. wegen des
Verstoßes gegen die Paßpflicht beginnt ein Ermittlungsverfahren gegen ihn. Der
Busfahrer berichtet, daß zwei Schüler schon 70 Kilometer vor Mailand bei
einer Rast auf einem Grillplatz zwei schwarze Männer unter dem zweiten Bus
dieser Reisegruppe gesehen hätten, die dann weggerannt waren. Polizei Frankfurt am Main 6.10.08 7. Oktober 08 Bundesland Baden-Württemberg.
Der 37 Jahre alte Rom Fahri Berisha wird nach sechs Wochen Abschiebehaft in
Rottenburg und nach 17 Jahren Aufenthalt in der BRD in den Kosovo
abgeschoben. Seine herzkranke Frau Skurta Abazi und die drei Kinder, die
15-jährige Brenda, der 8-jährige Brendi und der 2-jährige Ismail, bleiben in
Baden-Baden zurück. Damit ist das eingetreten, was Fahri Berisha versucht
hatte zu verhindern: die Familie ist getrennt. Um
der Abschiebung zu entgehen, war die Familie im Februar nach Frankreich
geflüchtet und hatte dort Asyl beantragt. Am 28. August 2008 wurden sie dort
festgenommen und in die BRD zurückgebracht. Herr Berisha mußte in Haft
bleiben. Im Laufe der Jahre war Herr Berisha wegen
Verletzung der Residenzpflicht, Fahrens ohne Fahrerlaubnis und kleinerer
Diebstähle straffällig geworden, wodurch die Familie die Kriterien der
Bleiberechtsregelung nicht mehr erfüllte. Seine
Frau und seine Kinder sind weiterhin akut von Abschiebung bedroht. Badische Ztg 27.9.08; SchwT 8.10.08; Bündnis gegen Abschiebehaft Rottenburg; Schattenbericht Abschiebehaft 2010 9. Oktober 08 Regensburg im Bundesland Bayern.
Gegen 3.40 Uhr schlagen in der Pfarrergasse drei Männer und eine Frau auf
einen 26-jährigen iranischen Flüchtling ein. Zwei Männer, die zufällig
vorbeikommen, wollen dem Iraner helfen. Daraufhin gehen zwei der Schläger auf
einen der Helfer los, einen 43-jährigen Mann aus dem Landkreis Regensburg.
Mit Händen und Füßen schlagen bzw. treten sie auf den Mann ein, bis dieser
schließlich zu Boden fällt. Auch jetzt noch treten die beiden mit den Füßen
weiterhin auf ihn ein. Noch
bevor die Polizei eintrifft, entfernen sich die Täter. Im Rahmen der sofort
eingeleiteten Fahndung können zwei von ihnen, ein 27-jähriger Deutscher sowie
ein 24-jähriger Rumäne, noch in Tatortnähe vorläufig festgenommen werden. Ein
Mann sowie die Frau sind flüchtig. Der
Helfer wird aufgrund seiner schweren Verletzungen zur stationären Behandlung
in ein Regensburger Krankenhaus gebracht. Der Iraner ist nur leicht verletzt. Die
Ermittlungen der Regensburger Staatsanwaltschaft sind auch Anfang 2009 noch
nicht abgeschlossen. Polizei Regensburg 9.10.08; Kanal 8 9.10.08; MbZ 10.10.08; Polizei Regensburg 28.1.09 11. Oktober 08 Bundesland Niedersachsen. Bei
einer polizeilichen Kontrolle der Autobahnwache auf dem Rastplatz Harburger
Berge an der Autobahn A 7 entdecken die Beamten auf der Ladefläche eines
fensterlosen Ford Transit elf Männer in schlechtem gesundheitlichen Zustand.
Sie sind irakische Flüchtlinge, zwischen 15 und 32 Jahre alt und
offensichtlich auf dem Weg nach Skandinavien. Im Führerhaus befinden sich
neben dem deutschen Fahrer eine 18- und eine 38-jährige Frau – beide aus
Bagdad und als Asylbewerberinnen in der BRD registriert. Das
Fahrzeug wird mit den Flüchtlingen zur Autobahnwache Thieshope gebracht, und
als die Personen den Wagen verlassen, bricht ein Mann zusammen, muß in die
Wache getragen und notärztlich versorgt werden. Die
Flüchtlinge werden zunächst mit privaten Lebensmitteln und Getränken der
Beamten versorgt und anschließend alle festgenommen. Polizei Harburg 11.10.08 12. Oktober 08 Bundesland Brandenburg. Im
Stadtgebiet der deutsch-polnischen Grenzstadt Guben wird am Ufer der Neiße
ein teilweise skelettierter Leichnam aufgefunden. BT DS 16/11688 14. Oktober 08 Bundesland Bayern. Bei einer Verkehrskontrolle
in der Nähe von Feucht wird ein Auto gestoppt, in dem sich zwei jugendliche
Flüchtlinge befinden, die keine Papier bei sich haben. Es sind der 14-jährige
Khalid Khan und der 16-jährige Afzal Gul aus Afghanistan. Weil
festgestellt wird, daß die beiden sich vorher in Lettland aufgehalten haben,
entscheidet das Amtsgericht Hersbruck, daß sie in Rückschiebehaft genommen
werden. In
Haft wirken die Jugendlichen sehr ängstlich und verspannt, Khalid Khan weint
und zittert, wie eine ehrenamtliche Betreuerin berichtet. Die beiden sind
verzweifelt bei dem Gedanken, daß sie nach Afghanistan zurückgeschoben werden
könnten. Am
7. November findet eine Verhandlung im Landgericht statt, während der der
verhandelnde Richter zwar bedauert, daß die Jugendlichen in Haft sind,
andererseits aber eine Entlassung ablehnt, weil der Flug nach Lettland
bereits gebucht ist. Obwohl
Khalid Khan an diesem Tag unter Vormundschaft gestellt wird, werden die
beiden am 10. November nach München gebracht – denn für den 12. November ist
der Flug nach Lettland gebucht. Am
11. November storniert das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge die Rückschiebung und läßt ein Asylverfahren in der BRD zu. Alternativer Menschenrechtsbericht 2008 14. Oktober 08 Bundesland Sachsen. In der JVA
Bautzen erhängt sich der 40 Jahre alte D.V.Q. aus Vietnam. Er befand sich in
Abschiebehaft. Bei
einer Razzia im Flüchtlingswohnheim Großharthau hatten Polizeibeamte einige
Tage zuvor den Vietnamesen festgenommen, weil er keine gültigen
Aufenthaltspapiere vorlegen konnte. Seine Angst vor Abschiebung und seine
psychisch labile Verfassung waren so offensichtlich, daß die Gefängnisleitung
eine "Suizidprophylaxe" schon am Tage seiner Aufnahme angeordnet
hatte. Er wurde deshalb in einer Gemeinschaftszelle zusammen mit anderen
Abschiebegefangenen untergebracht. Nach dem Aufschluß ging der Mann in die
Toilette neben den Aufenthaltsräumen und strangulierte sich. CMP 8.11.08; FAKTuell 9.11.08; BT DS 17/10596; BT DS 17/7466 15. Oktober 08 In der Hamburger JVA Fuhlsbüttel
trinkt der 36 Jahre alte Abschiebegefangene R.S. aus Albanien Spülmittel. Zwei
Tage später versucht er sich mit einem in Streifen gerissenen
Geschirrhandtuch am Fenstergitter zu erhängen. Hamburgische Bürgerschaft DS 20/469; BT DS 17/10596; BT DS 17/10597 20. Oktober 08 Bundesland Niedersachsen. Der 26
Jahre alte Asylbewerber Mohsen Shams aus dem Iran wird in seiner
oldenburgischen Flüchtlingsunterkunft um 2.00 Uhr durch lautes Klopfen an der
Tür geweckt. Polizei und ein Arzt stürmen in das Zimmer. Er werde nach
Griechenland zurückgeschickt, wird ihm mitgeteilt, der Flieger würde um 7.00
Uhr starten. Im Polizeitransporter gelingt es dem Festgenommenen, eine zuvor
versteckte Teppichmesserklinge aus seinem Handy zu nehmen. Damit schneidet er
sich die Pulsadern auf. Die
Abschiebung wird abgebrochen, er kommt ins Krankenhaus – danach in
Rückschiebehaft. Am
27. Oktober wird er entsprechend dem Dublin-II-Abkommen
nach Athen ausgeflogen. Schon
auf dem Flughafen Athen wird er festgenommen und eingesperrt. Die
hygienischen Bedingungen in der Haft sind katastrophal, Essen gibt es nur
einmal täglich, und seine Armverletzung, die ihm Probleme bereitet, wird von
keinem Arzt untersucht. Nachdem er zu seinen Fluchtgründen gefragt wird und
ein Papier in griechischer Sprache unterschreibt, wird er mit fünf Euro
Kapital, der Adresse vom griechischen Flüchtlingsrat und einem
Aufenthaltsrecht von sechs Monaten am 30. Oktober freigelassen. Fortan ist er
mittel- und obdachlos. Mohsen
Shams hatte in der iranischen Stadt Karaj als Buchhändler gearbeitet. Als bei
ihm während einer Hausdurchsuchung islamkritische und somit verbotene Bücher
gefunden wurden, blieb ihm nur noch die Flucht ins Ausland, um sein Leben zu
retten. Er lieh sich Geld bei seinen Verwandten und kam über die Türkei,
Griechenland und Italien und erst nach mehrmaligen Versuchen am 5. Februar 08
in die BRD. Auch
nach seiner Rückschiebung nach Griechenland gelingt es ihm trotz aller
Schwierigkeiten, wieder nach Oldenburg zurückzukommen. Seine Anwältin stellt
hier in seinem Auftrag einen Asylfolgeantrag. FR 30.10.09; Susanne Schröder - Rechtsanwältin 23. Oktober 08 Vlotho in Niedersachsen. Am
späten Abend ist der 23-jährige Mesfun Teskie aus Eritrea auf dem Weg zu
seiner Flüchtlingsunterkunft am Jägerort. Auf Höhe des Schulzentrums – auf
einem einsamen und unbeleuchteten Weg – wird er von vier deutschen Männern
rassistisch angepöbelt. "Hey! Du Neger!" brüllen sie und versetzen
ihm Schläge. Auch als er nach einem Faustschlag ins Gesicht zu Boden stürzt,
schlagen sie weiter auf ihn ein. Mesfun
Teskie schreit um Hilfe, und erst als Menschen hinzukommen, lassen die Täter
von ihm ab, laufen zu einem kastenförmigen PKW mit Mindener Kennzeichen und
verschwinden. Vlothoer Anzeiger 23.20.08 23. Oktober 08 In der ostbayerischen Ortschaft
Bogen bricht ein Feuer im Flüchtlingsheim aus. Gegen 21 Uhr brennt es im
Treppenhaus, und als die Feuerwehr eintrifft, waren die Bewohner mit ihren
Löscharbeiten erfolgreich. Ein Bewohner hat sich Schnittverletzungen
zugezogen, ein anderer erleidet einen Schock. Es
stellt sich schnell heraus, daß der Brand selbst gelegt wurde. Tatverdächtig
sind ein 34-jähriger Nigerianer und ein 20-jähriger Mann aus Sierra Leone,
die beide im Heim leben. Sie sollen das Feuer aus Protest gegen ihre drohende
Abschiebung gelegt haben. Der Nigerianer wird am 21. November festgenommen
und kommt in die JVA Regensburg in Abschiebehaft, die Verhaftung des
20-Jährigen erfolgt am 27. November. UnserRadio – online 24.10.08; dpa 8.12.08 24. Oktober 08 Bundesland Baden-Württemberg.
Der Türke Mehmet Cömüt wird auf der Autobahn nahe Freiburg von der Polizei
verhaftet und kommt aufgrund eines Auslieferungsbegehrens der Türkei in Auslieferungshaft
in die JVA Freiburg. Mehmet
Cömüt war im Jahre 2000 vom türkischen Staatssicherheitsgericht wegen
Angehörigkeit zur maoistischen TKP/ML und der TIKO zum Tode
verurteilt worden. Nach der Revision und aufgrund der Intervention der EU war
dieses Urteil in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt worden. Als am 19.
Dezember das türkische Militär in 20 Gefängnissen Massaker verübte,
beteiligte er sich an dem daraus folgenden Protest-Todesfasten der
Gefangenen. Nach über 200 Tagen wurde er aus gesundheitlichen Gründen
(Wernicke-Korsakoff-Syndrom) vorübergehend für sechs Monate entlassen, weil
die Türkei sich nicht weiter Tote infolge des Protestfastens
"leisten" wollte. Mehmet
Cömüt floh nach Frankreich, stellte einen Asylantrag, erhielt eine vorübergehende
Aufenthaltserlaubnis und Abschiebeschutz in die Türkei. Am
24. November erfolgt aufgrund der Entscheidung des Oberlandesgerichts
Karlsruhe seine Entlassung aus der Untersuchungshaft mit der Begründung, daß
an den Staatssicherheitsgerichten Militärrichter mitwirkten, was laut
EU-Menschenrechtskonvention nicht einem rechtsstaatlichen Verfahren
entspräche. Entgegen
anderen Gefangenen, die sich unrechtmäßig in Haft befanden, steht den
Menschen, die sich in Auslieferungshaft befanden, keinerlei Haftentschädigung
zu, weil die BRD in diesen Fällen im Rahmen der Amtshilfe für die Türkei
gehandelt hat und sich für die Gefangenen nicht zuständig sieht. ATİK 1.11.08; ATIK 3.11.08; jW
8.11.08; UPOTUDOK 10.11.08; AZADI infodienst Nr.72 November 2008; Radio Dreyecksland 1.12.08 25. Oktober 08 Bundesland Baden-Württemberg. Im
Keller des Flüchtlingsheims Witthoh bei Tuttlingen brennt gegen 19.40 Uhr ein
Feuermelder im Keller, wodurch eine starke Rauchentwicklung entsteht. Zwei
Bewohnern gelingt es noch vor Eintreffen der Feuerwehr, den Brand zu löschen.
Alle 60 BewohnerInnen kommen unverletzt ins Freie. Aufgrund
der starken Rauchentwicklung muß das Gebäude evakuiert und durchlüftet
werden. Die Feuerwehr stellt Brandstiftung durch unbekannte Täter fest. Feuerwehr Dürnau 25.20.08; Feuerwehr Immendingen 25.10.08; DRK Tuttlingen 25.10.08 27. Oktober 08 Landkreis Gießen in Hessen. Um
4.00 Uhr morgens nimmt die Polizei in der ihnen zugewiesenen Asylunterkunft
die syrischen Christen Namir Komo (30 Jahre) und seine Frau Susan Batty (25
Jahre) mit ihren kleinen Töchtern, der 1½-jährigen Danita und der erst sechs
Wochen alten Natalie, fest. Den völlig überraschten Flüchtlingen, die sich
erst seit Januar in der BRD befinden, wird noch erlaubt, in kürzester Zeit einige
Sachen zu packen. Dann werden sie zum Flughafen nach Frankfurt gebracht und
in eine Maschine nach Athen gesetzt, weil sie ursprünglich über Griechenland
in die BRD eingereist waren (Dublin-II-Verfahren). Unmittelbar
nach der Ankunft kommen sie in Haft. In der Zelle befinden sich 40 Personen –
darunter 18 Kinder. Für das einen Monat alte Baby und das ein Jahr alte
Kleinkind gibt es weder Windeln, Milch, Nahrung noch warmes Wasser. Alles ist
verdreckt, die Toiletten quellen über, die Waschbecken sind verstopft. Der
Vater der Kinder bekommt einen Liter Milch für 28 Euro von den Bewachern. Als
die Familie nach vier Tagen frei kommt, steht sie erst einmal auf der Straße.
Nur weil die Eheleute zur Taufe ihres Kindes von ihrem Bruder bzw. Schwager
Geld geschenkt bekamen, können sie sich zunächst den Aufenthalt für 900 Euro
in einem Hotel leisten. Dann
versucht Namir Komo, die Rückkehr nach Deutschland zu erreichen. Durch die
Intervention vom bayerischen Flüchtlingsrat, Pro Asyl und dem Roten Kreuz
stellt sich heraus daß die Abschiebung auf einem behördlichen Irrtum beruhte,
so daß die Familie in die BRD zurückkommen kann. Am 12. November reist die
Familie wieder ein. Seit dem 17. November sind die Komos als
Flüchtlinge mit folgender Begründung anerkannt: "Auf Grund des von ihnen
geschilderten Sachverhaltes und der hier vorliegenden Erkenntnisse ist davon
auszugehen, daß die Ausländer im Fall einer Rückkehr in den Irak zum
gegenwärtigen Zeitpunkt mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen
i.S. von § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt sein würden." Fünf
Wochen früher hatte das Bundesamt noch auf der Ausreise der Familie bestanden
und seinen Bescheid so spät geschickt, daß Komos Anwältin nicht mehr
einschreiten konnte. Nun notiert der verantwortliche Beamte in einem
Schriftstück: "Für die Überstellung der Familie Komo nach Griechenland
bitte ich um Entschuldigung." Trotzdem
bleibt Susan Batty jede Nacht bis 5.00 Uhr wach, weil sie eine neue
Abschiebung fürchtet. SZ 27.11.08; Roland Preuss – Journalist; Angelika Lex – Rechtsanwältin; jW 21.11.09 28. Oktober 08 Bundesland Sachsen. Auf das
Flüchtlingsheim der Kleinstadt Eilenburg wird ein Brandanschlag verübt. Vier
Molotow-Cocktails zerschlagen auf dem Parkplatz vor dem Haus. Menschen werden
nicht verletzt. Die
Sonderkommission Rex (Soko Rex) ermittelt Mitte Dezember fünf Tatverdächtige
im Alter von 17 bis 21 Jahren. Diese geben als Tatmotiv ihre rassistische
Gesinnung an. Sie geben zu, daß sie nach einem Alkoholgelage die Brandsätze
auf die Autos geworfen haben. Vier
von ihnen sind mehrmals polizeilich in Erscheinung getreten. Der 21-jährige
Haupttäter ist laut Staatsanwaltschaft bereits massiv vorbestraft und steht
wegen Körperverletzung derzeit unter Bewährung. Er wird trotzdem nicht in Untersuchungshaft
genommen, weil eine Flucht- und Verdunklungsgefahr nicht bestehe. SäZ 30.10.08;afp 18.12.08; ddp 18.12.08; dpa 18.12.08;ddp 19.12.08 30. Oktober 08 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
Vor dem Amtsgericht Duisburg erkennt der 47-jährige Lars M. die Vaterschaft
zu seiner inzwischen 4-jährigen Tochter Divine L. an. Dies
geschieht nach zweieinhalb Jahren Verfahrensdauer eines Vaterschaftsprozesses
und nachdem die Geschichte an die Öffentlichkeit gelang ist. Lars
M., ein CDU-Kommunalpolitiker aus Hamburg-Altona und im Dienst beim Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge (BAMF), dazu Oberstleutnant der Reserve a. D.,
Personalratsvorsitzender in seiner Behörde und ehrenamtlicher Richter am
Hamburgischen Oberverwaltungsgericht, hatte lange Zeit versucht, die Mutter
seines Kindes, die 34-jährige Asylbewerberin Rachel L. aus der Demokratischen
Republik Kongo zu diskreditieren. Bezeichnend ist ein Schreiben von ihm an
das Gericht vom 23. März 2005, in dem er unter anderem formuliert:
"Ersichtlich will sie (Rachel L; ARI) mit dem vorliegenden Verfahren den
Beklagten zur Anerkennung einer 'Scheinvaterschaft' nötigen, um sich selbst
einen dauerhaft subventionierten Aufenthalt im Bundesgebiet zu
verschaffen." Dann zitiert er aus der Asylverfahrensakte und Prozeßunterlagen
aus dem Verwaltungsgerichtsurteil, jeweils mit den passenden Aktenzeichen.
Dieses kann dem Beamten nur bekannt sein, wenn er verbotswidrig Einsicht in
die Asylakte genommen hat. Zudem legte er dem Richter nahe, Rachel L. mit
ihrer – und seiner – Tochter abzuschieben. Auch
ein DNA-Gutachten, auf das er sich nur nach einem Beschluß des Düsseldorfer
Oberlandesgerichts einließ und das die Vaterschaft mit einem
Wahrscheinlichkeiteswert von W 99,99999% belegt, focht er an und
unterstellte, daß die Blutprobe verwechselt sei. Als
das Düsseldorfer Oberlandesgericht Ende 2007 zu der Einschätzung kommt, Lars
M. habe durch "Auswertung verwaltungsinterner Akten für private
Zwecke" mit "unlauteren Mitteln" agiert, leitet das Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge (BAMF) disziplinarische Ermittlungen gegen ihn
ein. Ergebnis
der jahrelangen Verweigerung des Beamten, sein Kind anzuerkennen, sind die
Lebensumstände von Mutter und Kind über Jahre. Sie leben in einem
Flüchtlingsheim in Duisburg, an dessen Wänden der Schimmel blüht und die
Toiletten völlig verdreckt sind. Divine leidet unter immer wiederkehrenden
Atemwegsinfektionen, so daß der Kinderarzt einen Umzug empfahl. Zudem hätten
die beiden längst einen sicheren Aufenthalt und bei Unterhaltszahlungen eine
deutlich bessere Lebenssituation. Spiegel 6.10.08; Welt 6.10.08; HA 6.10.08; taz 8.10.08; Michael Kosthorst – Rechtsanwalt 3. November 08 Im thüringischen Rockensußra
wird um 21.45 Uhr die Feuerwehr zum Flüchtlingsheim am Sportplatz gerufen. Als
die Rettungskräfte eintreffen, haben die BewohnerInnen das Feuer mit Wasser
fast gelöscht. Ein Zimmer einer Wohnung im Dachgeschoß ist völlig
ausgebrannt. Die sechs BewohnerInnen kommen in einer anderen Wohnung des
Heimes unter. Nach
Ermittlungen der Polizei wird fahrlässige Brandstiftung als Brandursache
angenommen. TA 4.11.08; Kyffhäuser Nachrichten 5.11.08 3. November 08 Bundesland Sachsen. In der
Dresdener Prager Straße wird ein 21 Jahre alter algerischer Flüchtling von
einem Unbekannten zunächst verbal attackiert und dann mit der Faust
geschlagen. Kurze Zeit später treffen sich Täter und Opfer am Postplatz
erneut. Auch jetzt schlägt der Unbekannte auf den Flüchtling ein. Dann
flüchtet er. Polizei Dresden 3.11.08; Polizei Dresden 18.1.09 4. November 08 Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz.
Morgens um 5.00 Uhr erscheinen im Flüchtlingsheim am Rappenweg ca. 30
Polizisten und städtische Mitarbeiter, um die 42 Jahre alte Dulsa Berisha und
ihre fünf Kinder zur Abschiebung abzuholen. Die 14-jährige Berlinda und ihre
Brüder, der 17-jährige Mirson und der 16-jährige Edison, sind in Ludwigshafen
geboren und aufgewachsen. Ihr ältester Bruder Milaim (21), der Vater von zwei
Kindern seiner kurpfälzischen Freundin ist, wird ebenfalls mitgenommen. Alle
vier Jugendliche werden in Handschellen abgeführt. Nur die 18-jährige Mary,
die die Nacht bei Bekannten verbringt, bleibt in dieser Nacht verschont. Um
11.30 Uhr erreichen die Polizeiautos den Flughafen Baden-Baden, von dem aus
die Familie nach Prishtina ausgeflogen wird. Dulsa
Berisha war vor 17 Jahren mit zwei kleinen Kindern in die BRD geflohen. Sie
ist ursprünglich aus Montenegro, ihr Ex-Mann, der von ihr getrennt in
Mannheim lebt, ist im Kosovo aufgewachsen. Sie gehören der Volksgruppe der
Ashkali an. Frau Berisha ist sehr krank. Sie leidet heute an Diabetes
mellitus (Zuckerkrankheit), Gastritis, Bluthochdruck und an einer
Schilddrüsen-Entzündung. Besonders schwerwiegend sind ein
Ventrikel-Septum-Defekt (Loch in der Scheidewand zwischen den beiden
Herz-Hälften) und eine chronische Ansammlung von Flüssigkeit im Herzbeutel.
Dieser Herzfehler sollte "mittelfristig dringend im nächsten halben
Jahr" mit einer Operation behoben werden, wie die kardiologische Klinik
in Ludwigshafen schrieb. Nach
der Abschiebung ist die Familie völlig auf sich gestellt. Sie haben weder
Gepäck noch die lebenswichtigen Medikamente. Ein Polizist hatte Frau Berisha
die Präparate zuvor abgenommen und nicht zurückgegeben. Mit den einzigen 100
Euro, die sie bei sich haben, fahren sie per Taxi nach Peje in der Hoffnung,
dort Hilfe zu finden. Verwandte haben sie im Kosovo nicht. Die erste Nacht
verbringen sie bei einer fremden Familie. Auch in den folgenden Nächten
werden sie von ihnen unbekannten Menschen aufgenommen, schlafen auf dem
blanken Fußboden. Die Kinder können sich nur schwer verständigen, weil sie
nur wenig Albanisch sprechen. Auch
vier Wochen nach der Abschiebung ihrer Mutter und Geschwister gilt die
18-jährige Tochter immer noch als verschollen. Am
24. Juni 09 wird Frau Berisha in das Regionalkrankenhaus
Peje eingeliefert und hier aufgrund einer akuten Herzleistungsschwäche
notbehandelt und notdürftig stabilisiert. Auch wenn Frau Berisha das Geld für
eine Herz-Operation zusammenbringen würde, so könnte die dringend anstehende
Herz-Operation im Kosovo nicht durchgeführt werden, weil hier schlichtweg die
Kapazitäten fehlen. Nach Aussagen des
behandelnden Kardiologen in Peje besteht für Frau Berisha Lebensgefahr. Im September 2009 lebt die
Familie in einem Haus von Bekannten. Es ist nur sehr notdürftig eingerichtet,
Strom gibt es nur selten und Wasser nur sporadisch, so daß das Regenwasser in
Vorratsbehältern aufgefangen werden muß. Dünne Matratzen auf dem Boden dienen
als Schlafgelegenheit. Die Rheinpfalz 5.11.08; Rheinlandpfalz
8.11.08; Rheinlandpfalz 11.11.08; Rheinlandpfalz
12.11.08; Bündnis gegen Abschiebungen Mannheim
12.11.08; Bündnis gegen Abschiebungen Mannheim
19.11.08; Initiative für die Rückkehr der Familie
Berisha 5.1.09; Kosovo Oktober 2009 13. November 08 Abschiebegefängnis Rottenburg in
Baden-Württemberg. Der Abgeschiebegefangene J. L. versucht sich zu erhängen.
Er kommt anschließend in das Justizvollzugskrankenhaus. BT DS 17/10596; BT DS 17/10597 15. November 08 Bundesland
Sachsen-Anhalt. In einem Zugabteil im Bahnhof von Halle wird ein algerischer
Flüchtling von drei deutschen Männern beleidigt und zusammengeschlagen. Ihm
wird eine Flasche auf den Kopf geschlagen und sein Gesicht mit Fäusten
traktiert. Mit einem Nasenbeinbruch, Prellungen und Blutergüssen am Kopf muß er im Krankenhaus behandelt
werden. Die
Täter im Alter von 23 bis 29 Jahren werden festgenommen. Die Polizei vermutet
einen rassistischen Hintergrund. MDZ 27.11.08; Polizei Halle 24. November 08 Berlin. Das evangelische
Königin-Elisabeth-Krankenhaus weist den schwerkranken Herrn T. mit der
Begründung ab, "solange kein Okay von der Kostenstelle vorliegt, bekommt
Herr T. hier keine Dialyse mehr". Herr
T., der aus Osteuropa stammt und sich ohne Papiere in Berlin aufhält, war
zuvor mehrere Tage wegen Nierenversagens im Endstadium behandelt worden.
Seine Entlassung erfolgte mit der Maßgabe, daß er dreimal wöchentlich eine
Dialyse machen müsse. Allerdings geschah dies, ohne daß das Krankenhaus zum
Sozialamt Kontakt aufnahm, das zur Kostenübernahme verpflichtet ist, noch
wurde der Patient über weitere sozialrechtliche Möglichkeiten beraten. Erst
durch die Unterstützung des Büros für medizinische Flüchtlingshilfe Berlin
gelang es, einen Antrag auf Duldung zu stellen. Die Aushändigung der Duldung
sollte allerdings zwei Wochen dauern, und die Behörde verweigerte zudem eine
schriftliche Bestätigung über den laufenden Antrag. Ohne diese Bestätigung
verweigerte das Königin-Elisabeth-Krankenhaus weiterhin die
überlebensnotwendige Dialyse. Es
bedurfte massiver Interventionen einer Mitarbeiterin des Büros für
medizinische Flüchtlingshilfe, die wiederholt auf die Lebensgefahr des
Patienten hinwies, bis die Behörde die Duldung ausstellte. Gleichzeitig wurde
Herr T. jedoch im Rahmen des Verteilungsverfahrens zwischen den Bundesländern
nach Bayern in die Zentralaufnahmestelle für Asylbewerber Zirndorf verwiesen.
Dort erfolgt endlich seine medizinische Behandlung. Büro für medizinische Flüchtlingshilfe Berlin; ND 23.12.08; jW 30.12.08 27. November 08 Bundesland Brandenburg. Als der
Flüchtling S. aus Bosnien auf der Ausländerbehörde Oranienburg am Vormittag
seine Duldung verlängern lassen will, wird ihm dies verweigert mit der
Aussage, daß er keine Papiere bekäme. Er sei sowieso ein Lügner und Betrüger,
er sei obdachlos, und er werde abgeschoben. Das arrogante und hämische
Verhalten der Beamten treibt den kriegstraumatisierten Flüchtling zu der
Äußerung, daß er sich umbringen wird. "Tu das, aber bitte nicht
hier", ist einer der Sätze, an die sich der Mann später noch erinnert.
Besonders verzweifelt reagiert er auf das Einbehalten seiner Krankenkarte,
weil er auf die ständige Medikamenteneinnahme angewiesen ist. Die Beamten
fordern ihn mehrmals auf, den Raum zu verlassen. Völlig fassungslos und
kopflos rennt S. zum Ausgang des Amtes, und auch bei den Frauen an der
Rezeption äußert er seine Suizidabsichten. Dann
kauft er sich einen Kanister Benzin, geht zurück zum Parkplatz an der
Ausländerbehörde und übergießt sich mit der brennbaren Flüssigkeit. In seiner
Panik ruft er einen Freund an, der ihn mit dem Satz: "Warte, ich komme
sofort!" zunächst hindern kann, sich sofort anzuzünden. Als der Bekannte
eintrifft, sieht er S. mit einem Feuerzeug in der Hand. Die beiden Männer
umarmen sich, und als S. einen Polizeibeamten auf sich zukommen sieht, stößt
er seinen Bekannten weg. Dann bemerkt er, daß noch mehr Uniformierte in der
Nähe sind und läuft weg. In Höhe der Breite Straße treffen ihn Gummigeschosse
in den Rücken und in die Beine – doch er läuft weiter. An der nächsten
Bushaltestelle bleibt er erschöpft stehen und wird schließlich mit einem
Krankenwagen abtransportiert. Aussage des Betroffenen; FRat Brbg November 08 Justizvollzugsanstalt
Suhl-Goldlauter in Thüringen. Der Flüchtling Sultan S. versucht, sich in
Abschiebehaft umzubringen. Er kommt ins Krankenhaus, und nach ca. zwei Wochen
versucht er, sich dort mit Tabletten zu vergiften. Als
Rom aus dem Kosovo waren Sultan S. und seine Frau den Repressionen sowohl der
serbischen Milizen als auch der UCK-Angehörigen ausgesetzt. Seine Frau wurde
vergewaltigt, kam danach schwerkrank und im Koma liegend ins Krankenhaus. Im
Jahre 1999 wurde Sultan S. nach einem Lebensmittel-Diebstahl zu einer
18-monatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Sechs Monate später gelang ihm die
Flucht, und er ging mit seiner Frau in die BRD. Sie stellten unter anderer
Identität einen Asylantrag. Durch
ein Auslieferungsbegehren von Serbien wurde die Identitätstäuschung
aufgedeckt, und Sultan S. kam am 13. Juli 2008 in Auslieferungs- /
Abschiebehaft nach Suhl. Seine
Frau ist seit der Verhaftung ihres Mannes mit den drei kleinen Kindern völlig
überfordert. Sie lebt im Flüchtlingslager Gehlberg, einem Heim, in dem
aufgrund der üblen Lebensbedingungen Aggressivität, Apathie und Depression
unter den Menschen vorherrschen. Am
30. Januar 09 wird Sultan S. ohne seine Familie nach Belgrad abgeschoben.
Dort wird er umgehend festgenommen und kommt in Haft. Karawane; The VOICE 2. Dezember 08 Flughafen Frankfurt am Main. Ein
tschetschenisches Ehepaar soll mit einem 2-jährigen und einem 4-jährigen Kind
aus Baden-Württemberg nach Moskau abgeschoben werden. Obwohl
der Mann von Beginn der Abschiebung an auf seine unerträglichen
Rückenschmerzen hingewiesen hatte, wurde er ins Polizeifahrzeug gesetzt und
mußte die zweistündige Autofahrt zum Flughafen ertragen. Erst
auf dem Flughafen findet er Gehör, und als er seinen Pullover hochzieht, wird
eine ca. 30 cm lange frische Narbe sichtbar. Er erklärt, daß er am 11. November
an der Wirbelsäule operiert wurde und daß er am 8. Dezember zu
Kontroll-Untersuchungen wieder ins Krankenhaus müsse. Dort solle der Sitz der
sich in seinem Körper befindlichen drei Schrauben nachkontrolliert werden.
Eine von der Bundespolizei gerufene Physiotherapeutin bestätigt das
Geschilderte, und die Abschiebung wird abgebrochen. Die
zuständige Ausländerbehörde gibt dazu an, daß sie von einer Operation
keinerlei Kenntnis habe. Abschiebungsbeobachtung FFM 2009 8. Dezember 08 Flughafen Frankfurt am Main. Ein
27 Jahre alter libanesischer Flüchtling soll im Rahmen des Dublin-II-Verfahrens nach Athen abgeschoben
werden. Er hat seit drei Wochen einen Knochenbruch am Fuß, der sich in Gips
befindet. Der Mann kann sich auch mit Krücken nur schwer fortbewegen. Die
Abschiebebeobachtung kontaktiert die Ausländerbehörde und das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) – doch beide Behörden sehen kein
Abschiebehindernis in der Gehbehinderung des Mannes. Da
der Mann sich bereits einmal erfolgreich gegen die Abschiebung gewehrt hat,
wird er jetzt in Begleitung von drei Bundespolizisten abgeschoben. Ob
der Kranke in Griechenland eine Folgebehandlung erhält, ist angesichts der
Berichte von Rückgeschobenen, die Obdachlosigkeit erleben und keinerlei Unterstützung
bekommen, fraglich. Abschiebungsbeobachtung FFM 2009 11. Dezember 08 Bundesland Baden-Württemberg. Im
Industriegebiet von Satteldorf bei Crailsheim entdecken Beamte der
Bundespolizei gegen 7.30 Uhr 47 Menschen auf der Ladefläche eines mit Kartonagen
vollgestopften Lasters. Es handelt sich hauptsächlich um junge Männer; aber
auch einige Frauen und kleine Kinder im Alter von vier bis fünf Jahren sind
dabei. Sie kommen aus Osteuropa und sind wahrscheinlich durch Tschechien und
über die A6 bis nach Satteldorf gelangt, wo sie zur Weiterfahrt in Autos
umsteigen sollten. Da
die Flüchtlinge einen erschöpften Eindruck machen, werden sie von
Schnelleinsatzgruppen des Deutschen Roten Kreuzes ärztlich untersucht und
bekommen heiße Getränken und Essen. Vier serbische Staatsangehörige müssen
medizinisch versorgt werden. Einer von ihnen kommt mit Kreislaufproblemen zur
Behandlung ins Krankenhaus, kann jedoch am Abend bereits wieder entlassen
werden. Ein Kind bleibt mit seiner Mutter zur längeren Behandlung im Krankenhaus,
weil es an einer ernsten Krankheit leidet und deshalb schon einmal in der BRD
operiert wurde. Hohenloher Tagblatt 12.12.08; Polizei Schwäbisch Hall 15.12.08; BT DS 16/11688 13. Dezember 08 Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick. Als die Togoerin Ginette Liebl nach einem Besuch ihres
Mannes Gerson das Gebäude verlassen will, wird auch sie in Abschiebehaft
genommen. Ihr 8-jähriger Sohn Gergi kommt ebenfalls in Haft. Erst
nach der Intervention verschiedener Ämter aus Straubing werden Mutter und Sohn
nach zwei Tagen entlassen. Aufgrund der gesundheitlichen Probleme von Ginette
Liebl – sie hatte einen Hungerstreik begonnen – kommen beide zunächst ins
DRK-Krankenhaus Köpenick. Gerson Liebl bleibt in Haft, wird aber nach
Regensburg überführt, weil die Familie seit 2003 in Straubing lebte. Der
heute 46 Jahre alte Gerson Liebl war vor 18 Jahren als Asylbewerber in die
BRD gekommen und kämpft seither um die Anerkennung der deutschen
Staatsangehörigkeit, weil sein Großvater Dr. Fritz Liebl deutscher Kolonialarzt
in Togo gewesen war. Es
ist offensichtlich, daß die deutschen Behörden keinen Präzedenzfall schaffen
wollen, um eventuell daraus folgende Anträge auf Staatsangehörigkeit
weiterer AfrikanerInnen mit deutschen Wurzeln aus der Zeit der Kolonialbesetzung
zu verhindern. Obwohl
seit dem Frühjahr ein Abschiebebeschluß gegen die Familie existiert, war sie
vor drei Wochen nach Berlin gereist, um beim Bundeskanzleramt, beim
Bundespräsidialamt, beim Bundestag und dem Berliner Abgeordnetenhaus Petitionen
abzugeben. Als
der Oberbürgermeister von Straubing dem Ehepaar einen durchformulierten
Antrag auf Aufenthaltsverlängerung persönlich zuschickt, kommentiert Gerson
Liebl seine Verweigerung mit den Worten: "Ich will keine Almosen und
keine freundlich gemeinten Angebote. Ich will Deutscher werden." Er
unterschreibt den Antrag nicht und wird am 17. Februar 2009 von München nach
Togo ausgeflogen. Seine
Frau und sein Sohn bleiben in Berlin zurück – ohne Geld, ohne Paß und ohne
Staatsbürgerschaft. Auch ihnen droht die Abschiebung. (siehe hierzu 16.
Januar 98) Im
April 2010 wird die Abschiebung von Mutter und Sohn in die Wege geleitet.
Flugnummer, Datum und Uhrzeit des Fluges stehen bereits fest, als unmittelbar
vor dem Abflug der Berliner Innensenat einlenkt. Er erklärt sich bereit, die
Zuständigkeit für die Familie zu übernehmen. Dadurch ergibt sich die
Möglichkeit, über die Härtefall-Kommission ein dauerhaftes Bleiberecht zu
erreichen. BeZ 11.12.08; BeZ 15.12.08; BeZ 16.12.08; taz 19.2.09; taz 21.4.09; taz 24.4.10: taz 29.4.10; FRat Berlin 17. Dezember 08 Bundesland Bayern. Das
Amtsgericht München ordnet Abschiebehaft für die Romni N. N. in der JVA
München-Neudeck an. Zudem wird die Unterbringung ihrer vier Kinder im Alter
zwischen acht und 14 Jahren in drei (!) verschiedenen Münchner Kinderheimen
durch das Kreisjugendamt München veranlaßt. Da auch der Ehemann und ein
erwachsener Sohn nach einer Polizeikontrolle in der JVA München-Stadelheim
einsitzen, ist die Familie jetzt komplett auseinandergerissen. Familie
N. hatte bis zum Jahre 2003 in Hamburg fast sieben Jahre lang mit einer
Duldung gelebt – einige Kinder wurden hier geboren. Um einer Abschiebung zu
entgehen, waren sie nach Italien geflüchtet. Als der Verfolgungsdruck gegen
Roma dort größer wurde, versuchten sie, zusammen mit einer verwandten
Familie, in die BRD zurückzukommen. Im
Gegensatz zu der verhafteten Frau N. kam diese verschwägerte Familie – bis
auf den Ehemann, der in Abschiebehaft genommen wurde – in einem
Flüchtlingslager unter. Frau N. geht es in Abschiebehaft zunehmend
schlechter – nur ihre beiden älteren Kinder dürfen sie einige Male besuchen.
Am 9. Januar 09 versucht sie, sich zu erhängen. Bei
einem Landgerichtstermin am 20. Januar, den ein von Amnesty International engagierter
Rechtsanwalt durch eine Haftbeschwerde erreicht, erklärt die Ausländerbehörde
überraschenderweise, daß die Rückführung der Familie nach Frankreich geplant
ist, weil dort ein Asylantrag gestellt worden war. Wegen der schlichten
Vermutung des Gerichts, Frau N. würde ohne ihre Kinder und ihren Ehemann
untertauchen, wird die Verlängerung der Haft bis zur Abschiebung entschieden.
Dann wird Frau N. in Handschellen abgeführt. Einen Tag nach dieser Verhandlung erleidet
Frau N. beim Hofgang einen psychischen Zusammenbruch und kommt zur
stationären Behandlung in die Psychiatrie des Bezirkskrankenhauses. Am
7. Februar wird sie aus der Psychiatrie herausgeholt und zum Flughafen
gefahren. Erst hier sieht sie ihre Kinder nach sieben Wochen Trennung wieder.
Die Abschiebung ihres Ehemannes erfolgt einige Wochen später. Bericht der Betroffenen; Maria Brand - ai München - JVA-Besuchsdienst 19. Dezember 08 Bad Honnef in
Nordrhein-Westfalen. Ein Feuer, das in der Küche des oberen Stockwerks des
aus Holz gebauten Flüchtlingsheimes entsteht, löst um 23.30 Uhr einen
Feueralarm aus. Die BewohnerInnen wecken sich gegenseitig und flüchten ins
Freie. Vier von den vierzehn zur Zeit anwesenden Flüchtlingen werden später
mit Rauchgasvergiftungen ins Krankenhaus gebracht. Feuerwehren
aus Königswinter, Altstadtwehr, Rheinbreitbach und Unkel müssen die
Rettungskräfte aus Bad Honnef unterstützen, weil die Flammen bis zum nächsten
Morgen nicht beherrschbar sind. Erst gegen 11 Uhr des nächsten Tages werden
mit einem Bagger die Wände eingerissen und damit die Brandherde erstickt.
Insgesamt sind 150 Feuerwehrkräfte, Rettungs- und Hilfsdienste und Polizisten
vor Ort. Noch
in der Nacht nehmen Brandexperten die Ermittlungen auf und kommen zu dem
Ergebnis, daß das Feuer vermutlich durch einen technischen Defekt in der
Küche entstand. Die
22 BewohnerInnen, die ihre bescheidene Habe verloren haben, werden in
Wohnungen im Spätaussiedlerheim an der Franzjosef-Schneider-Straße
untergebracht. wdr 20.12.08; GA Bonn 20.12.08; www.internetcologne.de
21.12.08; GA Bonn 22.12.08; GA Bonn 23.12.08 25. Dezember 08 Bundesland Sachsen-Anhalt. Kurz
nach Mitternacht wird einem abgelehnten Asylbewerber in der Diskothek
"Night-Fly" ein Bein gestellt, dann wird er geschubst und
schließlich rassistisch beleidigt. Er selbst und seine deutschen Begleiter
werden daraufhin aus der Diskothek gewiesen. Die
rassistischen Täter – es sind ca. 20 Personen – folgen ihnen auf die Straße
und jagen sie dort weiter. Den
Verfolgten gelingt es, sich ins gegenüberliegende Polizeirevier zu flüchten. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 29. Dezember 08 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
Der 15-jährige Moustapha X. aus Algerien kommt in Abschiebehaft nach Büren.
Er hat gefälschte Papiere bei sich – gibt dies auch gleich der Polizei
bekannt. Die richtigen Daten übernimmt die Behörde, das Geburtsdatum wird
allerdings aus der Fälschung entnommen. Das
Alter des vermeintlich 21-Jährigen wird durch den Gefängnisarzt, den
Sozialarbeiter und einen Mitarbeiter des Kreisjugendamtes Paderborn auf unter
18 Jahre geschätzt. Da die Ausländerbehörde und die Gerichte dies nicht
übernehmen wollen, wird das Rechtsmedizinische Institut der Universität Bonn
mit der Altersfeststellung beauftragt und kommt in vier weiteren
Untersuchungen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Nach dem radiologischen
Befund ist Moustapha 18 Jahre alt, nach dem zahnmedizinischen Befund 16 Jahre,
nach der körperlichen Untersuchung 15 Jahre und nach der rechtsmedizinischen
Beurteilung 18 Jahre alt. Auf Nachfragen des Landgerichts kommt das Institut
in einer Zusammenfassung aller Ergebnisse zu dem Resultat, daß Moustapha 16
Jahre alt ist. Schließlich entscheidet das Landgericht Bonn, daß der Junge
ein Alter von 18 Jahren erreicht hat. Da
die Inhaftierung von Jugendlichen verboten und nur unter Auflagen eingeräumt
wird, bleibt der Junge – aufgrund der vom Gericht entschiedenen
Altersfestlegung - weiter in Abschiebehaft. Moustapha
ist Vollwaise und war nach einem Streit mit seinem Großvater weggelaufen.
Über Marokko, Spanien, Frankreich und Belgien war er in Deutschland
angekommen. NW 16.3.09; GRW April 09 Im Jahre 2008 Abschiebegefängnis Rottenburg in
Baden-Württemberg. Ein junger Gefangener erhängt sich aus Angst vor der
Abschiebung in die Türkei an einer Gefängnistür. swr international in con.tra 29.9.09; Holger Rothbauer - Rechtsanwalt Im Jahre 2008 Im nordrhein-westfälischen
Abschiebegefängnis Büren befinden sich in diesem Jahr 20 minderjährige
Flüchtlinge – darunter zwei Jugendliche, die noch nicht 16 Jahre alt sind (Zwei Fälle von Inhaftierungen
sind bereits dokumentiert). NW 16.3.09; GRW April 09; BT DS 17/10597 Im Jahre 2008 Bundesland
Schleswig-Holstein. Im Abschiebegefängnis Rendsburg befanden sich 14
minderjährige Flüchtlinge (zwischen 16 und 18 Jahren) in Haft. Schlepper Nr. 47 Mai 09; Landesbeirat – Jahresbericht 2008; BT DS 17/10597 Im Jahre 2008 Im Bundesland Bayern
befanden sich 30 minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft – davon waren
zwei Personen jünger als 16 Jahre alt. Ein minderjähriger
Flüchtling war länger als drei Monate in Gefangenschaft. (Zwei Fälle von
Inhaftierungen sind bereits dokumentiert) BT DS 17/10596; BT DS 17/10597 Im Jahre 2008 Im
Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick befanden sich 83 minderjährige Flüchtlinge
in Haft – davon waren vier Personen jünger als 16 Jahre alt. BT DS 17/10597 Im Jahre 2008 Im Bundesland Brandenburg
befanden sich 11 minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft – davon waren
zwei Personen jünger als 16 Jahre alt. Zwei minderjährige
Flüchtlinge waren länger als drei Monate in Gefangenschaft. BT DS 17/10596; BT DS 17/10597 Im Jahre 2008 In Bremen befanden
sich zwei minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft. taz Bremen 21.4.09 BT DS 17/10597 Im Jahre 2008 In Hamburg befanden
sich sechs minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft. Zwei minderjährige
Flüchtlinge waren länger als drei Monate in Gefangenschaft. BT DS 17/10596; BT DS 17/10597 Im Jahre 2008 Im Bundesland Hessen
befanden sich drei minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft. BT DS 17/10597 Im Jahre 2008 Im Bundesland
Niedersachsen befanden sich fünf minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft –
davon war eine Person jünger als 16 Jahre alt. BT DS 17/10597 Im Jahre 2008 Im Bundesland
Sachsen befanden sich 55 minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft – davon
war eine Person jünger als 16 Jahre alt. BT DS 17/10597 Im
Jahre 2008 Seit
der Ablehnung der Asylanträge der algerischen Familie S. im Jahre 1996
versucht die Ausländerbehörde, Abschiebungspapiere für die Familie zu bekommen.
Die Vorwürfe der Ausländerbehörde gegen die Familie basieren auf der
Tatsache, daß zahlreiche sogenannte Sammelvorführungen bei der algerischen
Botschaft ergebnislos blieben, an denen die Familie teilnahm, um die
Identität zu klären. Alle Vorführungen waren unnötig. In einem Schreiben aus dem
Jahr 2008 forderte der Innenminister den Landkreis daher persönlich auf, doch
bei der Familie eine Razzia durchzuführen. 2010 erhielt der Landkreis ein
neues Schreiben des
Innenministeriums mit Hinweisen, wie die Familie S. weiter
schikaniert werden sollte: "Zwar
wurde allen Familienmitgliedern die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (…)
untersagt, allerdings erteilen Sie [der Landkreis] weiterhin Duldungen für
drei Monate (…). Unabhängig davon (…) halte ich auch kürzere Duldungszeiten
(zunächst monatlich) für sinnvoll." Für den Fall, daß die Familie wider
Erwarten diese monatlichen Behördengänge absolviere, schlug das Ministerbüro
ein erneutes Strafverfahren vor. Der Minister ging dabei von einer
Verurteilung aus: "Die Familie erhält zwar tatsächlich nur Tagessätze
mit einem geringen Geldbetrag, allerdings ist dieser im Hinblick auf die
bereits mehrfach gekürzten Leistungen nur schwierig aufzubringen. Darüber
hinaus kommt bei Zahlungsunfähigkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in Betracht.
Auch diese könnte einzelne Familienmitglieder beeindrucken." Entsprechend der Anregung
des Innenministeriums wurde die fünfköpfige Familie vor dem
Hannoversch-Mündener Amtsgericht im Jahr 2011 zum zweiten Mal in gleicher
Sache angeklagt. Der Vorwurf: Verstoß gegen die Paßpflicht und unerlaubter
Aufenthalt im Bundesgebiet. In der Verhandlung erwiesen sich die
Behauptungen, die Innenminister Uwe Schünemann (CDU) bereits 2008 aufstellte,
Familienmitglieder hätten sich "vehement geweigert", an der
Identitätsfeststellung mitzuwirken, als falsch. Ein Mitarbeiter der
Landesaufnahmebehörde bescheinigte Familie S., daß es "keine Anhaltspunkte"
dafür gebe, "dass die Familie falsche Angaben" gemacht habe. Auch
der Staatsanwalt kam zu dem Ergebnis, daß sich Familie S. nichts habe zu
schulden kommen lassen: "Mehr ist den S. nicht zuzumuten." Er
beantragte Freispruch. FRat NieSa
15.11.11 |