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Kürzel-Erklärung

Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und
ihre tödlichen Folgen 
2011

 

5. Januar 11

 

Landkreis Leipzig im Bundesland Sachsen. Auf dem Bahnsteig des Bahnhofes von Böhlen wird gegen 14.00 Uhr ein 13 Jahre alter Flüchtlingsjunge aus Tunesien von einem Jugendlichen und zwei Mädchen geschlagen und gekratzt. Dem tätlichen Angriff ging eine verbale Auseinandersetzung voraus.

Polizei Westsachsen 5.1.11

 

11. Januar 11

 

Lübeck in Schleswig-Holstein. Es ist eine halbe Stunde nach Mitternacht, als ein 30 Jahre alter Flüchtling aus Afghanistan von zwei Männern verfolgt wird, die ihn mit nationalsozialistischen und rassistischen Parolen beleidigen. Als er sich am Steinrader Weg zu ihnen umdreht, zieht einer der Verfolger, ein 49 Jahre alter Deutscher, ein Klappmesser hervor und sticht mehrmals gezielt zu. Der Angegriffene kann die Stiche, die gegen Oberkörper und Bauch gerichtet sind, durch eine Körperdrehung abwenden, erleidet aber trotzdem eine schwere Schnittverletzung am Unterarm. Als die Täter ihren Weg fortsetzen, folgt der Flüchtling ihnen bis zu deren vermeintlicher Wohnung in die Ritterstraße. Dann informiert er die Polizei. Ein Rettungswagen bringt ihn ins Krankenhaus, wo seine Verletzung operativ und stationär versorgt werden muß.

    Gegen den polizeibekannten und mehrfach vorbestraften Täter erläßt die Staatsanwaltschaft Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung – sein 43-jähriger Begleiter, der den Afghanen ebenfalls beleidigte, bleibt auf freiem Fuß.
    Am 17. Oktober verurteilt die 3. Große Strafkammer am Lübecker Landgericht den Täter zu einer Haftstrafe von viereinhalb Jahren und Unterbringung in Sicherheitsverwahrung. Der Afghane ist auch neun Monate nach dem Angriff immer noch in medizinischer Behandlung und psychologischer Betreuung.

Polizei Lübeck 11.1.11;

Die Welt 12.1.11;

stern 12.1.11; HL-live 13.1.11;

LN 5.7.11; dapd 17.10.11

 

21. Januar 11

 

Flughafen Frankfurt am Main. Ein 16-jähriges Mädchen aus Liberia wird nach Italien (Mailand) im Rahmen der Dublin-II-Verordnung ausgeflogen. Sie war als Prostituierte festgenommen worden und kam dann in der JVA Ingelheim in Abschiebehaft. Sie hat große Angst vor der Rückschiebung, denn sie fühlt sich in Italien bedroht.

Abschiebungsbeobachtung FFM 2010-2011

 

29. Januar 11

 

Bundesland Brandenburg. In seiner Flüchtlingsunterkunft in Waßmannsdorf bittet der 19 Jahre alte Kenianer Isaac N. um 10.00 Uhr einen Wachmann, die Dusch- und Waschräume aufzuschließen. Diese sind in der Regel um diese Zeit sowieso geöffnet (von 8.00 bis 11.00 Uhr und von 18.00 bis 23.00 Uhr). "Du schwarzer Affe, kannst wieder nach Afrika gehen!" lallt ihm der Wachmann entgegen und beleidigt ihn weiterhin. Auf dem Weg zu den Waschräumen dreht sich der Wachmann unvermittelt um und schlägt Isaac N. mit der Faust gegen die Stirn. Auch als weitere HeimbewohnerInnen hinzukommen, setzt er seine Beleidigungen fort und weigert sich, die Waschräume aufzuschließen.

    Aus Angst vor weiteren Repressalien traut sich erst am Abend einer der Bewohner, die Polizei zu rufen. Diese stellt einen erheblichen Blutalkoholwert bei dem Täter fest.

    Der Wachmann wird umgehend vom Dienst suspendiert und der Flüchtling zu einem Arzt gebracht, der einen Bluterguß im Bereich der Schläfe diagnostiziert.

    Schlimmer als die körperlichen Folgen der Gewalttat sind die psychischen für Isaac N. Nach der Präsidentschaftswahl in Kenia hatten sich dort blutige Unruhen entwickelt, und Isaac N. war durch die brutalen Geschehnisse traumatisiert worden. Aus diesem Grunde war er nach Deutschland geflüchtet, um hier in Sicherheit leben zu können. Durch die Gewalt des Wachmanns kann er sich auch hier nicht mehr sicher fühlen.

Opferperspektive 9.2.11;

ND 10.2.11; MAZ 10.2.11; jW 10.2.11;

rbb – Brandenburg aktuell 14.2.11

 

Januar 11

 

Bundesland Niedersachsen. Ein 35 Jahre alter Kurde wird nach 11-jährigem Deutschland-Aufenthalt und abgelehntem Asylantrag nach Syrien abgeschoben. Dies ist vor allem deshalb möglich, weil der Landkreis Göttingen sich verpflichtet, die Medikamente für den an Hepatitis B Erkrankten zwei Jahre lang zu finanzieren.

    Da aber weder der Geldtransfer vom Landkreis aus klappt, noch die Medikamente in Syrien in der benötigten Dosierung erhältlich sind, ist der Mann lange Zeit nach der Abschiebung ganz ohne Medikation. Er flieht – auch vor dem Bürgerkrieg – in den Libanon, und erhebt von dort aus eine Klage gegen den Landkreis.

    Das Verwaltungsgericht Göttingen verpflichtet im September 2012 das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) dazu, die Abschiebungsverfügung aufzuheben und festzustellen, daß ein Abschiebungsverbot vorliegt.

HAZ 19.9.12

 

Januar 11

 

Bei seinem ersten Versuch, von Griechenland nach Italien zu kommen, gerät der 15-jährige Amin F. aus Afghanistan zusammen mit vielen anderen Flüchtlingen in akute Lebensgefahr. Er befindet sich mit, wie er selbst schätzt, 200 anderen Personen in einem LKW. Schnell wird der Sauerstoff knapp und die ersten Menschen werden besinnungslos – andere schreien um Hilfe und schlagen mit den Fäusten gegen die Wände – doch der Fahrer reagiert nicht. Schließlich bleibt ihnen nichts anderes mehr übrig, als die Polizei per Handy um Hilfe zu bitten. Der LKW wird daraufhin gestoppt und die Menschen werden befreit. Nach einer Nacht auf der Wache werden sie wieder sich selbst überlassen.

    Der zweite Versuch, das Land zu verlassen, beginnt in Igoumenitsa mit einem desolaten Schiff. An die 260 Personen, die meisten aus Afghanistan, sind an Bord, als das Boot ablegt. Amin hat einen Platz im Unterdeck und versucht zu schlafen, was ihm vor lauter Angst nicht gelingt. Dann tritt Wasser ins Boot und Risse werden entdeckt. Die Besatzung versucht, das Wasser hinauszupumpen, Amin und vier andere Flüchtlinge schaufeln das Wasser mit Eimern hinaus.

    Aber erst als sich Holzplanken lösen und der Bootsrumpf tief abgesackt ist, versucht schließlich um 7.30 Uhr der Kapitän Hilfe zu rufen. Einige Flüchtlinge rufen die italienische Küstenwache an, aber sie können nicht erklären, wo sie sich befinden. Die See wird immer stürmischer – Land ist nicht in Sicht. Amin hat, wie die meisten anderen auch, Todesangst. "Nur noch ein Schreien und Beten." sagt er später. Er übergibt sich ständig und zum Schluß bricht er nur noch Blut.

    Die Hoffnung auf Rettung steigt, als ein Militärschiff näher kommt. Aber es fährt vorbei. Der Motor im Flüchtlingsboot fällt aus.

    Eine halbe Stunde später wird ein großes holländisches Schiff gesichtet, dessen Besatzung  auf das Winken und Schreien der Menschen reagiert, Scheinwerfer ausrichtet und Netze und Seile rüberwirft. Bei dieser Aktion ertrinken über 20 Menschen, weil die Panik derart groß ist, sie sich gegenseitig wegstoßen und ins Wasser stürzen. Amin ist einer der letzten, der gerettet wird. Ein paar Minuten später sinkt das Boot vor ihren Augen.

    Da die italienische Küstenwache die Aufnahme der Flüchtlinge verweigert, muß das holländische Schiff mit den frierenden und völlig erschöpften Menschen zurück nach Griechenland fahren, wo sie nach einer 12-stündigen Fahrt auf Korfu anlanden.

    Dort erwarten sie viele JournalistInnen, MitarbeiterInnen des UNHCR, aber auch ein Großaufgebot an Polizei. Die Polizei verbietet den Flüchtlingen, mit der Presse oder anderen zu sprechen.

    Sie kommen in ein Lager und dann für eine Woche in ein Gefängnis, wo es nur einmal am Tag etwas zu essen gibt und die Behandlung sehr schlecht ist. Danach werden sie aufs Festland gebracht und sich selbst überlassen.

    Amin F. gelingt es dann tatsächlich, Griechenland zu verlassen – im Mai erreicht er die Bundesrepublik. Seither lebt er in einer Unterkunft für unbegleitete Minderjährige in Hessen.

Lostatborder Dez. 12

 

1. Februar 11

 

Landkreis Hildesheim in Niedersachsen. In der kleinen Ortschaft Giesen rückt morgens vor dem Wohnhaus der kurdisch-yezidischen Flüchtlingsfamilie Naso eine Polizeistaffel mit Hunden an. Nachdem das Haus umstellt ist, werden die Eheleute Bashe Hasso und Badir Naso und ihr 15 Jahre alter Sohn Anuar festgenommen. Zurück in der Wohnung bleibt die 18-jährige Tochter Schanas. Diese Polizeiaktion geschieht für die Familie, die seit 10 Jahren in der Bundesrepublik lebt, völlig überraschend, denn die Ausländerbehörde hat bewußt auf eine vorherige Ankündigung verzichtet.

    Am Flughafen Frankfurt am Main erleidet die 56 Jahre alte Bashe Hasso einen Schwächeanfall, wird von Sanitätern umgehend in die Flughafenklinik gebracht und anschließend ins Sachsenhausener Krankenhaus transportiert. Ohne die kranke Bashe Hasso wird dann Badir Naso mit seinem minderjährigen Sohn über den Flughafen Frankfurt am Main nach Syrien abgeschoben. Damit ist die Familie getrennt, denn noch weitere sieben erwachsene Kinder der Eheleute und viele Enkelkinder leben in Niedersachsen.

    Noch auf dem Flughafen von Damaskus werden Vater und Sohn festgenommen und der Auswanderungs- und Paßbehörde unterstellt. Der Grund dafür soll die angeblich ungeklärte Identität des 15-jährigen Anuar Naso sein, weil in seinem von syrischen Behörden ausgestellten Paßersatzpapier ein Alter von 19 Jahren angegeben ist. Der 62 Jahre alte Badir Naso wird dem Direktorat für politische Sicherheit vorgeführt und verhört – dann erfolgt seine Verlegung in das Adra-Gefängnis bei Damaskus. Von dort wird er am 11. Februar in die Haftanstalt seines Geburtsortes Hasseke verlegt und zwei Tage später nach Zahlung "erheblicher Geldmittel" an die Polizei (so die Familie) unter Auflagen entlassen. Ein Strafverfahren ist gegen ihn anhängig.

    Am 25. Februar wird Anuar Naso in das Gefängnis von Hasseke verlegt. Hier haben Angehörige erstmals die Gelegenheit, kurz und unter Bewachung mit ihm zu sprechen. Seine Freilassung erfolgt am 3. März unter Auflagen. Weder Vater noch Sohn äußern sich telefonisch zu ihren Haftbedingungen. Einzig die Äußerung des Vaters an seine Tochter Schanas läßt erahnen, wie es ihnen in den Knästen des Regimes Assad erging, in denen körperliche und psychische Folter an der Tagesordnung ist. Er sagte ihr am Telefon: "Sei glücklich, daß Du nicht erlebt hast, was wir hier durchgemacht haben." Später wird bekannt, daß beide in der Haft mißhandelt wurden.

    Nach der Abschiebung werden Einzelheiten über die Entscheidungskriterien der Ausländerbehörde Hildesheim bekannt. Die Frage der Integration des 15-jährigen Anuar Naso spielte dabei eine entscheidende Rolle. Nach einem Erlaß des Niedersächsischen Innenministeriums hatte die Ausländerbehörde Hildesheim geprüft und entschieden, daß Anuar aufgrund angeblich mangelnder Integration keine Aufenthaltsperspektive eröffnet werden könne. Grundlagen für diese Entscheidung waren einerseits eine Stellungnahme der Schule - andererseits ein anhängiges Ermittlungsverfahren gegen den Jungen. Obwohl die Rektorin der Molitoris-Schule in der Stellungnahme von einem erfolgreichen Hauptschulabschluß ausging, bezog sich die Ausländerbehörde auf Kopfnoten, die "wenig Arbeitseinsatz", "für Arbeiten nicht gelernt" oder "Hausaufgaben fehlen häufig" beinhalten. Auch das Ermittlungsverfahren, das nach Aussage der Staatsanwaltschaft eine maßvolle Strafe in Form einer Verurteilung zu gemeinnütziger Arbeit nach sich ziehen könne, wurde negativ gegen den Jungen und die Familie ausgelegt. Vor diesem Hintergrund sei "nicht davon auszugehen, daß Anuar Naso sich in die hiesigen Lebensverhältnisse dauerhaft vollständig einfügen wird", so der Aktenvermerk der Ausländerbehörde vom 20. Januar 2011.

    Nach Recherchen des Flüchtlingsrats Niedersachsen weist das Paßersatzpapier des staatenlosen Badir Naso eine Reihe von Merkmalen auf, die den Verdacht einer Fälschung nahelegen. Die ausstellende Behörde mit dem Namen "Arabische Republik Syrien Außenministerium Generalkonsulat" (mit handschriftlicher Ergänzung "Berlin") existiert in der BRD gar nicht. Der Geburtsort wird mit Haifa in Israel angegeben statt richtigerweise Hasske in Syrien. Als Staatsangehörigkeit ist "Syrer", als Beruf "Ausländer" eingetragen. Die Personalmerkmale und eine Unterschrift von Badir Naso fehlen.

    Im April 2011 verweigert die Ausländerbehörde Hildesheim der 18-jährigen Schanas Naso eine Arbeitserlaubnis mit der Begründung, daß sie keinen Paß aus Syrien habe. Damit ignoriert die Behörde ein Schreiben der Landesaufnahmebehörde vom 4. Februar, in dem erklärt wird, daß sie staatenlos sei und somit gar keinen Paß vorlegen könne.

    Mit Hilfe des Flüchtlingsrates Niedersachsen gelingt es schließlich, ihr einen Ausbildungsplatz zu beschaffen. Einen dauerhaften Aufenthaltstitel, den ihr – vor laufenden Kameras – der Hildesheimer Landrat Reiner Wegner (SPD) vor über einem Jahr in Aussicht gestellt hatte, hat sie immer noch nicht, so daß sie weiterhin von der Abschiebung bedroht ist.

    Am 20. Dezember 11 entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), daß bei einer eventuellen Abschiebung nach Syrien Frau Bashe Hasso eine menschenrechtswidrige Behandlung drohe. Damit steht ihr nach 11-jährigem Kampf um ein Bleiberecht jetzt eine Aufenthaltserlaubnis zu.

    Nach ihrer Freilassung aus syrischer Haft gelingt Badir und Anuar Naso die Flucht über die Türkei, doch kurz hinter der bulgarischen Grenze werden sie entdeckt und kommen für vier Monate in Gefangenschaft. Als sie danach wieder versuchen, das Land in Richtung Deutschland zu verlassen, erfolgt erneut die Festnahme. Badir Naso wird im Spätsommer 2011 wegen "versuchten illegalen Grenzübertritts" zu einer Haftstrafe verurteilt, die er bis zum Oktober 2012 im Zentralgefängnis in Sofia absitzen muß. In der Zeit der Gefangenschaft des Vaters ist Anuar in Sofia auf sich selbst gestellt.

    Ende Dezember 2012 leben Badir Naso und Sohn Anuar in einer kleinen Wohnung im Stadtteil Nadeshda von Sofia unter prekären Lebensverhältnissen. Sie warten auf die Erlaubnis der Einreise in die Bundesrepublik. Immer wieder werden die Verantwortlichkeiten zwischen der Deutschen Botschaft und dem Landkreis Hildesheim hin- und hergeschoben. Die in Deutschland lebende Familie versucht alles, den formalen Anforderungen für die Rückkehr nachzukommen. Sie bezahlen sogar die Kosten der Abschiebung und stimmen einer Altersfeststellung Anuars durch einen bulgarischen Arzt zu. Dieser schätzt den 16-Jährigen anhand von Röntgenaufnahmen auf "mindestens 17 Jahre" alt und in einer zweiten Einschätzung auf "mindestens 19,5 Jahre" alt ein. Ein Radiologe der Medizinischen Hochschule Magdeburg kommt allerdings zu dem Ergebnis, daß die bulgarischen Aufnahmen des Knochenbaus von Anuar durchaus noch zu einem 16-jährigen Jungen passe. Dieses Gutachten und auch die Originalunterlagen aus Syrien werden vom Landkreis Hildesheim schlichtweg ignoriert.

    Am 18. Februar 13 wird Frau Bashe Hasso in einem weiteren Asylverfahren vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt, wodurch die rechtliche Grundlage einer Familienzusammenführung vorliegt. Doch "Nachzugsanspruch" bestehe, laut Landkreis, nur für den Vater, weil der Sohn "mindestens 19,5" Jahre alt und damit erwachsen sei.

    Eine Unterstützungskampagne von Schanas für ihren Bruder mit Facebook-Demonstrationen und E-Mail-Aktionen an den Landkreis Hildesheim und einer Petition, die 18.232 Unterschriften trägt, führen letztlich zu einem persönlichen Gespräch mit dem Innenminister Pistorius, der Schanas und ihren MitschülerInnen zusagt, sich persönlich für eine Lösung einzusetzen.

    Am 18. April erklärt sich der Landkreis öffentlich bereit, "... in diesem besonderen Einzelfall zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte ... die Zustimmung zur Erteilung des Visums" zu erteilen.

    Um 16.55 Uhr des 1. Juni – auf den Tag genau 28 Monate nach der Abschiebung – landet die Lufthansa-Maschine (LH 2098) auf dem Rollfeld in Hannover-Langenhagen. Vater und Sohn werden von einem großen Familien-, Freundes- und UnterstützerInnenkreis im Blitzlicht-Gewitter der bundesweiten Presse tränenreich begrüßt.

FRat NieSa 4.2.11; FRat NieSa 8.2.11;

HiZ 8.2.11; FRat NieSa 10.2.11;  jW 10.2.11;

 Kurdwatch 13.2.11; Kehrwieder am Sonntag 13.2.11;

MI NieSa Fragestunde Nr. 60 18.2.11;

MI NieSa 18.2.11; FRat NieSa 23.2.11;

FRat NieSa 28.2.11; HAZ 1.3.11;

FRat NieSa 4.3.11; Kurdwatch 15.3.11;

FRat NieSa 18.4.11; MI NieSa 27.5.11;

Der Schlepper Nr. 55/56 Sommer 2011;

taz 30.12.11; FRat NieSa 20.1.12;

FRat NieSa 23.1.12;

FRat NieSa 1.6.13; ND 1.6.13;

HAZ 3.6.13

 

8. Februar 11

 

Am Berliner Ostbahnhof wird der ca. 30 Jahre alte Flüchtling B. O. aus Luckenwalde um 14.00 Uhr von einem Polizisten angehalten und aufgefordert, seine Papiere zu zeigen. Nachdem der Kenianer dies getan hat, fordert der Beamte ihn auf, mit zur Wache zu kommen. Dort befinden sich fünf weitere Polizisten.

    Nach Aufforderung zieht er seine Jacke aus, aber als er sich weiter ausziehen soll und dies verweigert, werden drei weitere Beamte hinzugeholt. Sie drücken ihn an die Wand, dann auf den Boden und ziehen ihm die Kleidung mit Gewalt aus. Danach kann er sich wieder anziehen und wird mit der Aufforderung, Berlin umgehend zu verlassen, weggeschickt.

    Ein von der Polizei angekündigtes Schreiben zu diesem Geschehnis erhält er nicht.

Refugees Emancipation 10.2.11

 

8. Februar 11

 

Bundesland Bayern. In seiner Zelle auf der Etage der Abschiebegefangenen der JVA München-Stadelheim nimmt sich ein Mann aus dem Iran das Leben. Er sollte nach zwei Monaten Abschiebehaft gemäß dem Dublin-II-Verfahren nach Bulgarien zurückgeschoben werden.

Jesuiten-Flüchtlingsdienst

 

21. Februar 11

 

Landkreis Ansbach im Bundesland Bayern. Um 10.00 Uhr morgens erscheinen Polizisten in der Flüchtlingsunterkunft Windsbach und lesen einem 40 Jahre alten russischen Flüchtling den Haftbefehl zur Abschiebehaft vor. Da greift dieser zu einem Küchenmesser und hält es seinem 18 Monate alten Sohn in drohender Haltung an den Hals.

    Als einer der Beamten versucht, die Hand des Vaters mit dem Messer von dem Kind wegzuziehen, erleidet das Kind eine Schnittverletzung an der Hand. Es wird zur medizinischen Versorgung in ein Krankenhaus gebracht. Der Vater des Kindes kommt in Abschiebehaft.

Polizei Mittelfranken 22.2.11; dapd 22.2.11

 

24. Februar 11

 

Braunschweig in Niedersachsen. Als ein 10-jährige Junge im Stadtteil Kralenriede einen unbeschrankten Bahnübergang überquert, verhaken sich die Räder seines Puppenbuggys in den Schienen. Er bückt sich, versucht die Räder zu lösen und wird dann vom Regionalzug aus Gifhorn erfaßt und getötet.

    Der Vater des Jungen, ein 32-jähriger serbischer Flüchtling, und ein 36-jähriger Bekannter hatten die Gleise ca. 10 Meter vor dem Jungen überquert. Sie alle kamen vom Einkaufen. Die Erwachsenen schoben ein beladenes Fahrrad und einen Einkaufsroller und wollten zur Landesaufnahmebehörde für Asylbewerber in der nahe gelegenen Boeselagerstraße, in der die Familie seit Januar untergebracht ist.

    Gegenüber der Presse und der Polizei erheben AnwohnerInnen den Vorwurf, daß zumindest eine der beiden Warnglocken seit längerer Zeit nicht funktioniert.

(siehe auch: 3. Dezember 11)

newsclick.de 26.2.11; newsclick 4.12.11;

T-online 29.12.11

 

27. Februar 11

 

Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Ein 30 Jahre alter irakischer Gefangener verletzt sich selbst durch das Verschlucken eines "gefährlichen Gegenstandes".

Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/11577

 

Februar 11

 

Der 16 Jahre alte afghanische Flüchtling Reza X. wird nahe der serbischen Grenze in Ungarn – zusammen mit zwei weiteren minderjährigen Flüchtlingen – von der Polizei festgenommen. Alle drei werden brutal geschlagen und gezwungen, sich vollständig zu entkleiden, was sie als sehr beschämend empfinden.

    Am folgenden Tag wird Reza X. in das Gefängnis von Kiskunhalas gebracht und leidet dort unter großer Angst und vor allem auch unter Hunger, denn er bekommt hier wenig zu essen. Was ihn zusätzlich beunruhigt, ist die Tatsache, daß die Beamten ihn durch den Eintrag seines Geburtsdatums älter gemacht haben (25.7.1993) als er ist.

    Erst einige Tage später besucht ihn eine Rechtsanwältin des Helsiniki Komitees, so daß er an einem der folgenden Tage ins serbische Subotica zurückgeschoben wird. Hier erfolgt erneut seine Inhaftierung. Nach seiner Entlassung gelingt ihm die Flucht aus Serbien nach Hamburg.

    Damit ist er am Ziel seiner Reise, denn hier lebt sein Bruder seit drei Jahren mit einem sicheren Aufenthaltsstatus.

    Die Festnahme in Ungarn ist nicht Rezas erste Inhaftierung. In der türkisch-griechischen Grenzregion des Evros-Gebietes wurde er von einer griechischen Grenzpatrouille festgenommen und in ein völlig überfülltes Gefängnis gebracht. Mit der Aufforderung, Griechenland innerhalb von vier Wochen zu verlassen, erfolgte einige Tage später seine Entlassung. Da es ihm nicht gelang, das Land über Patras zu verlassen, entschied er sich, über Mazedonien, Kosovo, Serbien und Ungarn nach Deutschland zu gelangen. In allen diesen Ländern wurde er inhaftiert und machte Gewalterfahrungen.

    Die Folgen dieser schweren Menschenrechtsverletzungen, die der Jugendliche auf seiner Flucht von Afghanistan nach

Hamburg erlitten hat, sind schwerwiegende Posttraumatische Belastungsstörungen.

Bundesfachverband für UMF 18.4.11;

 

Februar 11

 

Bundesland Hessen. Als die Iranerin R. M. in die Bundesrepublik einreist und einen Asylantrag stellt, um bei ihrem Ehemann in Nürnberg leben zu können, wird sie nach Hessen umverteilt. Aufgrund der Residenzpflicht darf Frau M. den Main-Kinzig-Landkreis nur mit Erlaubnis der Ausländerbehörde verlassen. Ihr Mann, der eine Aufenthaltserlaubnis hat, ist berufstätig.

    Da ihre Ehe nach traditionellem Recht geschlossen wurde, wird ein Antrag auf Umverteilung nach Nürnberg abgelehnt. Zitat aus der Ablehnung: "Ihre freundschaftliche Beziehung können sie neben wenigen Besuchen ... auch telefonisch oder schriftlich aufrechterhalten ..."

    Als Frau M. im April schwanger wird und ein erneuter Antrag zusammen mit der förmlichen Vaterschaftsanerkennung und der gemeinsamen Sorgerechtserklärung gestellt wird, bekommen sie wieder eine Absage. Zitat: "Da derzeit nicht von einer anerkannten Eheschließung ausgegangen werden kann, greift Art. 6 GG, durch den 'Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen' hier nicht."

    Seit der Geburt des Kindes im Januar 2012 leben Mutter, Vater und Kind offiziell zusammen.

Alternativer Menschenrechtsbericht 2011

 

Februar 11

 

Flughafen Hamburg. In einem zweiten Versuch soll Herr O. nach Ghana abgeschoben werden. Er wird im Auto der Ausländerbehörde transportiert und ist an Händen und Füßen gefesselt – er blutet aus dem Mund.

    Er kann sein linkes Bein nicht belasten, schleift es über den Boden. Im Durchsuchungsraum rutscht er vom Stuhl, im Gewahrsamsraum von der Bank, bis er in einen Raum kommt, wo er sich hinlegen kann.

    Er jammert laut über starke Schmerzen in seinem Bein. Herr O. legt eine ärztliche Bescheinigung vom September 2009 vor, in der eine Hüftgelenksdysplasie, ein Hüftschiefstand und zwei weitere Diagnosen bzgl. des Beines bestätigt sind. Herr O. hat auch entsprechende Medikamente dabei. Der Bundespolizei liegt ein Attest vom Oktober 2010 vor, das besagt, daß Herr O. uneingeschränkt reisefähig sei.

    Mit der Begründung, daß die Reisefähigkeitsbescheinigung zu alt sei und somit für heute nicht mehr aussagefähig ist, bricht der Leiter der Rückführungsstelle die Abschiebung ab.

    Herr O. berichtet den Sanitätern, daß er bei der Abholung aus der Justizvollzugsanstalt am frühen Morgen von einem Mitarbeiter der Ausländerbehörde – der jetzt auch noch anwesend ist – so heftig von der Liege gezogen wurde, daß er mit dem Gesicht auf den Boden fiel. Die Sanitäter untersuchen seinen Mund und bestätigen, daß die unteren Schneidezähne locker und blutig sind.

Zwischen Abschiebungshaft und

freiwilliger Ausreise 13.1.14

 

1. März 11

 

Bundesland Niedersachsen. Auf dem Bahnhof Gifhorn in der Nordhoffstraße beobachten zwei 14- und 15-jährige Schülerinnen um 15.40 Uhr, wie sich ein Mann in das Gleisbett begibt

und seinen Kopf auf eine Schiene legt. Die Jugendlichen versuchen verzweifelt, den Mann zu warnen, aber als der nicht reagiert und sich ein Güterzug aus Hannover nähert, laufen sie in Panik weg. Der Mann wird von dem Zug überrollt und ist augenblicklich tot.

    Es ist der 40 Jahre alte Flüchtling Shambu Lama aus Nepal, der nach 15 Jahren Deutschland-Aufenthalt und 15 Jahren Leben als Geduldeter in Flüchtlingslagern am 24. Februar von der Ausländerbehörde Gifhorn erfahren hatte, daß er jetzt abgeschoben würde. Der Behörde war es gelungen, ein Paßersatzpapier für ihn zu besorgen.

    Shambu Lama war Vater eines zehn Monate alten Sohnes. Aufgrund der Tatsache, daß die Mutter des Kindes eine Deutsche ist, hätte er gute Chancen gehabt, einen Aufenthalt zu bekommen. Obwohl der zuständige Sachbearbeiter Sven Ring versuchte, ihm das Besuchsrecht oft zu verweigern (Residenzpflicht), pflegte er regelmäßigen Kontakt und hatte eine liebevolle Beziehung zu seinem Kind Joshua Chris, das in Bad Harburg bei seiner Mutter lebt. Doch "sein deutsches Kind und seine Vaterschaft interessieren nicht", zitiert die Rechtsanwältin Daniela Öndül die Auffassung der Ausländerbehörde. Noch am Morgen des Suizids hatte Sven Ring ihm erneut angedroht, daß er in zwei Tagen abgeschoben würde. Um 11.41 Uhr des Todestages antwortete die Behörde auf die Bitte des Verwaltungsgerichts Braunschweig, "bis zur Entscheidung des Ge über den Eilantrag von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen", per Fax, daß man nicht überzeugt sei, daß zwischen Herrn Lama und dem Kind eine "schützenswerte Beziehung" bestehe.

    Um 14.14 Uhr schickt Shambu Lama eine letzte SMS an die Mutter seines Kindes, Nadine Tannenberg: "Der liebe Gott hat es so gewollt. Ich kann Euch nicht wiedersehen, aber bis zum letzten Atemzug wünsche ich Euch alles Gute."

    "Niemals hätte er Selbstmord begangen, wenn er eine Chance gehabt hätte, seinen Sohn aufwachsen zu sehen, und ihm die Behörde nicht mit Abschiebung gedroht hätte", sagt Nadine Tannenberg gegenüber der Tageszeitung junge Welt.

    Erst Wochen später wird bekannt, daß auch das Verwal-tungsgericht Braunschweig, bei dem Shambu Lama Ende Februar Klage gegen die drohende Abschiebung erhoben hatte, von einem erfolgreichen Klageverfahren ausging. So hatte das Gericht die Verfahrenskosten der Klage dem Landkreis Gifhorn auferlegt. Es stellte weiterhin fest, daß die Ausländerbehörde über die Vaterschaft des Flüchtlings schon monatelang Bescheid wußte und trotzdem die Abschiebung nicht aussetzte. Auch die Äußerung der Ausländerbehörde, Shambu Lama könne sein Umgangsrecht mit dem Sohn von Nepal aus gestalten, wurde von den Richtern gerügt.

    Ende März reicht die Anwältin Daniela Öndül eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen zwei Sachbearbeiter der Gifhorner Ausländerbehörde ein.

    Am 29. März erfolgt die Einäscherung und Beisetzung des Leichnams in Hasede bei Hildesheim.

    Aus einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Frankion DIE LINKE wird deutlich, daß sowohl das Innenministerium als auch die Ausländerbehörde jegliche Mitverantwortung an der Situation, die Shambu Lama in den Tod trieb, von sich weisen. Im Gegenteil, es werden Behauptungen aufgestellt, die nach Aussagen der Rechtsanwältin und der ehemaligen Lebensgefährtin schlichtweg falsch sind. So behauptete das Innenministerium, die Ausländerbehörde habe von der Vaterschaft des Shambu Lama nichts gewußt, obwohl die Mutter bereits Mitte Oktober 2010 die Vaterschaftsanerkennung an die Landesausländerbehörde gefaxt hatte, und die Anwältin Daniela Öndül dies der Behörde am 6. Januar 11 erneut schriftlich mitgeteilt hatte.

    Für die Flüchtlinge im Flüchtlingslager Meinersen, wo auch Shambu Lama zuletzt leben mußte, steht seine Verzweiflungstat in engem Zusammenhang mit der besonders restriktiven Flüchtlingspolitik des Kreises und der üblen Zustände in dem Sammellager. Bereits am 12. Februar hatten sie sich in einem Offenen Brief an die Betreiberfirma, die Unternehmensgruppe K&S (Dr. Krantz Sozialbau und Betreuung), gewandt und die Mißstände angeprangert.

    Sie nannten unter anderem: völlige Isolierung vom gesellschaftlichen Leben am äußersten Rand eines Dorfgewerbegebietes, 14 Kilometer von Gifhorn entfernt, 4-5 Personen pro 20 Quadratmeter großem Zimmer, schutzlos der Willkür von Heimleitung und Behörden ausgeliefert sein, Verletzung des Postgeheimnisses durch die Heimleitung, Gutscheine statt Bargeld, Verweigerung von Arbeitserlaubnissen, auch wenn jemand ein Einstellungsangebot vorweisen kann, ständige Verweigerung der Anträge zum Verlassen des Landkreises (Residenzpflicht) – ständige Angst vor einer Abschiebung.

    Im April 2013 findet ein Prozeß gegen einen Unterstützer der Gifhorner Flüchtlingsproteste statt. Er erhielt mehrere Strafanzeigen und ein Bußgeld wegen angeblicher Beleidigung. Die Strafanzeige der Mutter des gemeinsamen Sohnes gegen die verantwortlichen Behördenmitarbeiter ist seit langem abgewiesen.

Offener Brief der Flüchtlinge aus Meinersen 12.2.11;

WoAZ 1.3.11; FRat NieSa 3.3.11; WoAZ 3.3.11; taz 3.3.11;

jW 5.3.11; WoAZ 6.3.11; MaN 7.3.11;

jW 19.3.11; HAZ 26.3.11; FRat NieSa 28.3.11;

taz 1.4.11; newsclick.de 4.4.11; FRat NieSa 15.4.11;

 ND 18.4.11; taz 3.5.11; taz 22.7.11;

LT DS Niedersachsen 16/3820; Nadine Tannenberg 7.4.11;

Karawane Hamburg 14.4.13

 

8. März 11

 

Abschiebegefängnis Köpenick in Berlin. Ein 30 Jahre alter irakischer Gefangener verletzt sich durch das Schlagen seines Kopfes gegen die Gitter.

Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/11577

 

21, März 11

 

Bundesland Sachsen. In der JVA Zwickau fügt sich ein Abschiebegefangener in selbsttötender Absicht Verletzungen mit einer Rasierklinge zu.

BT DS 17/10597

 

25. März 11

 

Abschiebegefängnis Köpenick in Berlin. In der Nacht gelingt es einem Gefangenen aus Georgien, zunächst die Fenstergitter durchzusägen und sich dann aus dem 5. Stock des Gebäudes abzuseilen. Anschließend überwindet er die Gefängnismauer und springt auf das Dach eines abgestellten LKW-Anhängers.

    Er sollte am nächsten Tag abgeschoben werden.

BZ 28.3.11; BK 28.3.11;

BM 28.3.11

 

März 11

 

Bundesland Niedersachsen. Vier erwachsene Kinder der Familie Begani aus Baddeckenstedt im Landkreis Wolfenbüttel sitzen in Hannover-Langenhagen in Abschiebehaft und sollen nach elf Jahren Deutschland-Aufenthalt abgeschoben werden. Dadurch wird ihr pflegebedürftiger Vater, der sich jetzt allein um die zwei jüngeren Geschwister kümmern sollte, völlig überfordert.

    Als die Mutter im Jahre 2009 starb, hatten die erwachsenen Kinder sich sowohl um den Vater als auch um die Geschwister gekümmert.

    Am 11. April wird gerichtlich entschieden, daß die vier festgenommenen Personen zunächst nicht abgeschoben werden dürfen.

alle bleiben! 22.3.11;

Projekt Roma Center Göttingen 12.4.11

 

 

6. April 11

 

Landkreis Gifhorn in Niedersachsen. Morgens um 8.21 Uhr erscheinen Polizeibeamte bei der Familie I., empfehlen, daß sie sich zu essen mitnehmen sollen, weil es länger dauern würde, und fahren mit dem Ehepaar und einer Unterstützerin zur Landesaufnahmebehörde nach Lüneburg zu einer Vernehmung. Die Unterstützerin wird von den Beamten schon am Anfang aus dem Haus gedrängt.

    Herr I., der aus der russischen Teilrepublik Dagestan kommt, hatte das Land im Jahre 2000 verlassen, weil er sich von fundamentalistischen Islamisten bedroht gefühlt hatte. Seine Frau und die beiden Kinder reisten zwei Jahre später nach. Ihre Asylanträge wurden allesamt abgelehnt.

    Da sie keine Papiere besitzen und die russischen Behörden ihre Identität bisher nicht klären konnten, kann die Familie nicht abgeschoben werden. Die Befragung durch die Sachbearbeiter in Lüneburg soll zur Beschaffung von Paßersatzpapieren dienen.

    Von Beginn an schlägt dem Ehepaar eine ausgesprochen aggressive Stimmung entgegen. Sie werden getrennt verhört. Als Herr I. sich weigert, irgend etwas zu sagen, geschweige denn zu unterschreiben, wird er von dem leitenden Sachbearbeiter verbal und körperlich bedroht und beleidigt.

    Zitate des wütend schreienden Beamten: "Seit 9 Jahren machen sie so ein Affentheater hier." – "Aber nicht mit mir." – "Du Arschloch, Du bist kein Mensch, Du bist ein Schwein. Ein russischer Idiot bist Du. Dir werde ich‘s noch zeigen. Ich werde Dich und Deine Familie zerstören. Wenn du nicht sofort redest, wirst du hier den ganzen Tag ohne Essen und ohne Toilette bleiben, und deine Frau wird zu Fuß nach Gifhorn gehen." – "Ich werde dich für 6 Jahre ins Gefängnis stecken, du Vollidiot."  – "Ich mach dich alle, du russisches Schwein"......

    Und zu dem Dolmetscher sagt der Beamte: "Dieses Arschloch werde ich ins Gefängnis stecken. Er kann noch was erleben, dieses russische Schwein."

    Als Herr I. weiterhin nichts sagt, obwohl ein hereingerufener Sicherheitsbeamter sich vor ihm aufbaut und eine Hand auf die Pistole legt, hält ihm der Beamte seine Faust direkt vors Gesicht. Als er zuschlagen will, geht der Übersetzer dazwischen und verhindert den Angriff. Dann wird Herr I. aus dem Raum hinausgeworfen.

    Frau I., die getrennt von ihrem Mann verhört wird, muß sich ähnliche Bedrohungen anhören: "Dein Mann ist ein großer Idiot, Euch muss man ins Gefängnis stecken und sofort abschieben, Ihr Schweine". "Deine Tochter hat alles kaputt gemacht. Auch wenn sie ne Aufenthaltserlaubnis bekommen sollte, werde ich dafür sorgen, dass sie abgeschoben wird. Sie hat alles kaputtgemacht."

    Der Beamte zeigt die Familie wegen "Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht" und die sie begleitende Unterstützerin wegen "Beihilfe zum Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht" an.

    Der Rechtsanwalt der Familie erstattet Strafanzeige gegen den Beamten wegen Beleidigung, Nötigung und Bedrohung.

    Am 31. August 11 stehen bei Familie I. um 6.00 Uhr morgens Polizisten der Staatsschutzabteilung zusammen mit Beamten des Landkreises mit einem Durchsuchungsbeschluß

vor der Tür. Die Familie hätte eine Ordnungswidrigkeit nach dem Aufenthaltsgesetz begangen, weil sie keine vollständigen oder korrekten Angaben über ihre Identität mache und auch keine Unterlagen, die zur Identitätsklärung dienlich sein könnten, vorlegen würde.

    Die Beamten verbieten Telefonate mit dem Rechtsanwalt der Familie, es darf immer nur eine Person bei der Durchsuchung zugegen sein, die Familienmitglieder dürfen nur in Begleitung eines Beamten oder einer Beamtin zur Toilette gehen.

    Da Familie I. bei den Protesten gegen die Zustände im Wohnheim Meinersen sehr aktiv ist, liegt der Schluß nahe, daß diese Hausdurchsuchung ein zusätzlicher Versuch der Behörde ist, die Familie einzuschüchtern, zumal am 3. September eine Kundgebung stattfinden wird.

FRat NieSa 20.5.11; HAZ 20.5.11;

Landeszeitung Lüneburg 22.5.11;

FRat NieSa 15.9.11;

Karawane f. d. Rechte d. Flüchtlinge u. MigrantInnen

 

 

 

6. April 11

 

Bundesland Rheinland-Pfalz. Die Romni Snezana X., die mit ihrer Tochter und deren drei Kindern in Rheinzabern lebt, reist aufgrund einer Abschiebungsandrohung der Ausländerbehörde Trier "freiwillig" nach Serbien aus. Sie ist schwer krebskrank.

    Sie berichtet, daß sie Ende 2010 im Krankenhaus von Kandel am Bauch operiert worden sei. Als sie Anfang des Jahres 2011 große Schmerzen bekam, verweigerte die Klinik ihre erneute Aufnahme – auch ein praktischer Arzt meinte, daß er ihr nicht helfen könne. Zwei Wochen später – als die Behörde die Abschiebung androhte – entschloß sich die Tochter, ihre Mutter nach Serbien zu begleiten, damit diese nicht völlig allein sei. Sie fanden in Vranska Banja eine Unterkunft.

    Bei einem Besuch von Mitgliedern der Organisation Roma in Hamburg erzählt Snezana X., daß sie einen Monat nach der Rückkehr wieder Wasser im Bauch hatte, daß sie Blut gespuckt habe und sich ständig übergeben müsse. Am schlimmsten jedoch seien die Schmerzen. Sie kam kurz ins Krankenhaus – für einen längeren Aufenthalt oder weitere Behandlungen fehlte das Geld. "Wenn Du hier in Serbien keine Geld hast, dann stirbst Du einfach." Im Oktober erliegt Snezana X. ihrem Leiden.

    Der Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz erhält auf seine Nachfragen von der zuständigen Kreisverwaltung Germersheim die Antwort, daß dem Amt eine Erkrankung der Frau X. nicht bekannt gewesen sei – und da dies so sei, konnte ihr auch nicht geholfen werden. Zudem bestreitet die Verwaltung vehement, irgendeinen Druck auf die ausreisepflichtige Frau ausgeübt zu haben.

AK Asyl Rheinland-Pfalz;

Roma in Hamburg – Dokumentationsreise August 2011;

Roma in Hamburg 14.10.11

 

6. April 11

 

Flughafen Frankfurt am Main. Eine 34 Jahre alte Chinesin wird ohne Ankündigung und ohne einen Cent aus der Abschiebungshaft in München nach Peking ausgeflogen.

    Die Frau war vor sechs Monaten ohne gültiges Visum in München festgenommen worden und saß seither – zusammen mit Untersuchungsgefangenen – in Abschiebehaft. Sie konnte nur Chinesisch sprechen und hatte keinerlei Kontakt zu anderen Personen.

    Sie war nach Deutschland gekommen, um für ihre in China zurückgelassenen Kinder Geld zu verdienen. Eine Sozialarbeiterin am Flughafen Frankfurt, die der Frau noch 100 Euro für ihren langen Weg von Peking zu ihrem Heimatort geben wollte, konnte dies nicht rechtzeitig tun.

Abschiebungsbeobachtung FFM 2010-2011

 

12. April 11

 

Nordrhein-Westfalen. Sammelabschiebung von 43 Roma aus mindestens fünf Bundesländern (Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen) vom Flughafen Düsseldorf nach Prishtina.

    Unter den Flüchtlingen befindet sich ein Vater mit seiner 20-jährigen schwangeren Tochter. Seine Frau ist mit fünf jüngeren Kindern im Landkreis Steinfurt geblieben, wo die Familie seit 21 Jahren gelebt hat.

Aktion Sühnezeichen Friedensdienste

 

12. April 11

 

Landkreis Harburg in Niedersachsen. Die 25 Jahre alte Romni Sevlije Begani aus Tostedt wird mit ihren vier kleinen Töchtern im Alter von einem bis fünf Jahren in den Kosovo abgeschoben. Dies geschieht zu einer Zeit, in der ihr Mann und Vater der Kinder, Gani Rama, mit einer lebensgefährlichen Lungen-Tuberkulose in einem bayerischen Krankenhaus liegt. Damit ist die Familie weiterhin getrennt.

    Frau Begani war mit ihrem Lebensgefährten im Jahre 2001 vor dem Bürgerkrieg im Kosovo geflohen. Seither lebten sie als Geduldete in der Bundesrepublik – die Kinder wurden alle hier geboren.

    Bereits 2010 erfolgte die Abschiebung von Gani Rama. Danach lebte er ca. fünf Monate als Obdachloser, bis es ihm gelang, wieder in die BRD einzureisen. In Bayern wurde er festgenommen und kam umgehend in Abschiebehaft. Als Ärzte dort seine schwere Erkrankung feststellten, wurde er in ein Krankenhaus eingewiesen.

    Frau Begani wird zusammen mit weiteren 43 Menschen aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen über den Flughafen Düsseldorf in einer Chartermaschine nach Prishtina abgeschoben.

    Allein aufgrund von Spendengeldern, die UnterstützerInnen in der BRD sammeln, kann sie in einem Haus in Podujevo unterkommen, das sie mit anderen Familien teilt. Als allein lebende Romni mit vier kleinen Kindern im Kosovo ist es ihr

 nicht möglich, sich durch Arbeit selbst zu finanzieren. Auch die medizinische Versorgung muß direkt bezahlt werden, weil eine Krankenversicherung nicht bezahlbar ist.

    Als es Gani Rama gesundheitlich besser geht und er aus dem Krankenhaus entlassen wird, erfolgt erneut seine umgehende Einweisung in die Abschiebehaft. Obwohl die behandelnde Ärztin eine dreimonatige ambulante Weiterbehandlung verordnet, wird für den 7. Juli 11 um 10.55 Uhr sein Abschiebeflug nach Belgrad in Serbien gebucht.

    Im Sommer bekommt die Familie Besuch von UnterstützerInnen aus Deutschland. Sie erzählen von rassistischen Angriffen – auch in Form von Steinwürfen - auf sie und auf ihre Unterkunft, so daß auch die Vermieterin Angst bekommen hat, weil die Familie bei ihr wohnt. Gani Rama zeigt Narben am Hals und am Arm, weil er zusammengeschlagen wurde.

    Im Mai 2012 besucht eine Delegation des Innenausschusses des Niedersächsischen Landtags abgeschobene Roma-Familien im Kosovo. Die Familie Begani / Gani lebt jetzt in einer Ein-Zimmer-Wohnung in Pristina. Herr Gani sammelt Aluminium und anderen Schrott und leidet unter einer Lebererkrankung und braucht zudem dringend Hörgeräte, aber medizinische Versorgung kann sich die Familie nicht leisten.

Projekt Roma Center 12.4.11;

thecaravan.org 12.4.11; alle-bleiben! 13.4.11; taz 13.4.11;

alle bleiben! 6.6.11; alle bleiben! - Reisebericht 9.9.11;

alle bleiben! - Reisebericht  25.1.12;

DIE LINKE LT NieSa 2.5.12

 

13. April 11

 

Bundesland Saarland. Der abgelehnte Asylbewerber Khalid Hamid Hamid wird nach 9-jährigem Deutschland-Aufenthalt nach Damaskus abgeschoben. Er war am Vortag in der Ausländerbehörde Lebach festgenommen worden, als er seine Duldung verlängern lassen wollte.

    Noch auf dem Flughafen Damaskus erfolgt seine Verhaftung durch syrische Militärs, die ihn ins Gefängnis Fara' Filastin bringen. Hier wird er von Angehörigen des Militärischen Nachrichtendienstes zu seinen exilpolitischen Aktivitäten unter systematischer Folter verhört. Dabei wenden seine Peiniger den sogenannten Deutschen Stuhl (al-kursi al-almani) an. Er ist dabei auf einem beweglichen Stuhl festgebunden, der seine Wirbelsäule Stück für Stück nach hinten biegt.

    Am 20. April wird Khalid Hamid Hamid aus dem Gefängnis entlassen.

Nûçe Nr. 512;

Kurdwatch 14.4.11;

Kurdwatch 28.4.11

 

14. April 11

 

Nordrhein-Westfalen. Morgens um 4.00 Uhr kommen Polizisten in das Oberhausener Flüchtlingsheim. Die Beamten, die Polizei-Hunde dabei haben, öffnen alle Zimmertüren von Roma-Familien und gehen in die Räume hinein. Die BewohnerInnen sind völlig verstört und verängstigt – die Kinder schreien.

    Der Familie L. zeigen die Polizisten einige Tüten und fordern sie auf, ihre Sachen dort hineinzupacken. Herr L. wird in Handschellen gelegt und im Bus in einen separaten Bereich eingesperrt. Frau L. muß mit ihren drei kleinen erschrockenen Kindern, das jüngste ist ein Jahr alt, auf der anderen Seite des Busses Platz nehmen. Insgesamt nehmen die Beamten an diesem Morgen sechs Roma-Familien zur Abschiebung mit.

    Bei Familie L. ist es der zweite Abschiebungsversuch – beim ersten hat ein Arzt die Aktion abgebrochen, weil Herr L. an Bluthochdruck leidet.

Dokumentationsreise 2011

 

16. April 11

 

Auf der saarländischen Rastanlage Neunkirchen-Kohlhof an der Bundesautobahn 8 öffnet der Fahrer eines Kühltransporters  seinen Sattelauflieger, weil er Klopfgeräusche gehört hat. Er befreit einen Mann aus dem auf minus 6 Grad temperierten Anhänger, der so schwere Unterkühlungen hat, daß er umgehend ins Städtische Krankenhaus Neunkirchen eingeliefert werden muß.

    Es handelt sich um einen staatenlosen Flüchtling mit Geburtsort Gaza, der wahrscheinlich bei einem Tankstopp in Frankreich selbst in den Kühltransporter geklettert war.

BT DS 17/8704

 

16. April 11

 

Am griechischen Fährhafen Patras wird auf der Ladefläche eines LKW mit deutscher Zulassung eine leblose Person gefunden. Reanimierungsversuche bleiben erfolglos.

    Die Person war mit drei weiteren Flüchtlingen durch das Aufschneiden der Plane des Aufliegers auf die Ladefläche gelangt.

BT DS 17/8704

.

17. April 11

 

Bundesland Nordrhein-Westfalen. Im Solinger Flüchtlingsheim in der Focher Straße entsteht ein Feuer im Keller, in dessen Verlauf vor allem Sperrmüll verbrennt. Zu Schaden kommt niemand.

    Die Polizei schließt zunächst Brandstiftung aus, weil vermutet wird, daß das Feuer sich von einer Couch aus entwickelte.

STB 19.4.11

 

22. April 11

 

Bundesland Bayern. Der 51 Jahre alte Kurde Hanifi Bulu wird aus der Abschiebehaft in der JVA München-Stadelheim heraus in die Türkei abgeschoben und somit von seinen zwei minderjährigen Kindern getrennt.

    Der politische Aktivist und PKK-Unterstützer, der seit 21 Jahren in München lebt, war am 29. März 11 verhaftet worden. Aus Protest gegen die Inhaftierung und die angedrohte Abschiebung begann er sofort einen Hungerstreik. In dieser Phase seines Widerstands ist er einmal von einem Bewacher am Hals gepackt und fixiert worden.

    Als er am 5. April abgeschoben werden sollte, gelang es ihm, sich erfolgreich dagegen zu wehren. Zurück in Stadelheim setzte er seinen Hungerstreik fort, beendete ihn jedoch nach einer Woche aufgrund der körperlichen Strapazen.

    Nachdem Herr Bulu nach der Abschiebung im Süden der Türkei untergetaucht ist, hat sich seine Spur verloren.

    Hanifi Bulu hatte 1995 an einer Besetzung des kurdischen Elternvereins teilgenommen und war daraufhin zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Den Abschiebeschutz verlor er allerdings erst im Juni 2008 aufgrund einer Gesetzesänderung. Jetzt wurde die Teilnahme an der Aktion von 1995 als terroristisch bewertet und Asyl abgelehnt. Weil Herr Bulu die Frist für die Klage gegen den Widerruf versäumte, wurde er schließlich abgeschoben.

Karawane – München 11.4.11;

jW 12.4.11;

Gariban Arikan - Rechtsanwältin

 

27. April 11

 

Landkreis Bad Dürkheim in Rheinland-Pfalz. Der 20 Jahre alte Aserbaidschaner Wladimir Sogomonjan aus Hassloch wird aus dreiwöchiger Abschiebehaft heraus nach Armenien abgeschoben und damit von seiner Verlobten getrennt, die ein Kind von ihm erwartet. Zuvor war er in Handschellen und Fußfesseln zur Vaterschaftsfeststellung vorgeführt worden.

    Auf dem Flughafen von Eriwan lehnen die armenischen Behörde seine Einreise ab, so daß er sich – völlig mittellos – auf unbestimmte Zeit im Transitbereich aufhalten muß. Allein die Menschen der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) – Sektion Armenien – versorgen ihn mit Lebensmitteln und Getränken, intervenieren bei Schikanen der Grenzbeamten und helfen bei den Kontakten mit dem Außenministerium Armeniens und der Deutschen Botschaft in Eriwan.

    Hier besuchen ihn auch zwei Menschen, die schon im Dezember 2009 in der Clearingstelle Trier als "armenische Experten" tätig gewesen waren (siehe unten). Sie setzen Herrn Sogomonjan derart unter Druck, daß sogar einige Grenzschutzbeamte sie abmahnen müssen. Sie bezeichnen ihn als "verrückt" und als "Lügner" und fordern ihn auf zuzugeben, daß er aus Armenien stamme.

    Weil die Bundesrepublik mit Armenien ein Rückübernahmeabkommen abgeschlossen hat, geschieht es nicht zum ersten Mal, daß Flüchtlinge aus Aserbaidschan mit von den Behörden umkonstruierten Identitäten (= Fälschungen) nach Armenien abgeschoben werden.

    Wladimir Sogomonjan war im Alter von 12 Jahren mit seiner Mutter Gajane Ossipjan und den beiden Geschwistern Maksim und Magda aus Aserbaidschan in die Bundesrepublik geflüchtet, nachdem sie dort bedroht und verfolgt worden waren.

    Die vorhandene Geburtsurkunde der Mutter, die im Original vorlag, wurde von "Experten" aus Armenien zur Fälschung erklärt – und galt dann bei der Behörde als nicht mehr auffindbar. Weiterhin behaupteten die "Experten", daß Frau Ossipjan tatsächlich "Hakobyan" heiße und der Wohnort Gagarin, den sie angegeben hatte, auf armenischem Territorium liege. Ebenso verfuhren sie mit den Geburtsorten der Kinder: Surnabad und Chanlar (heute: Göygöl) wurden kurzerhand Armenien zugeordnet. Tatsächlich liegt Gagarin in Usbekistan und die Geburtsorte der Kinder befinden sich in Aserbaidschan.

    Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte schickte eine Kopie der Geburtsurkunde von Frau Ossipjan nach Usbekistan und erhielt eine Abschrift aus dem Einwohnermelderegister, die belegt, daß Frau Ossipjan dort geboren und aufgewachsen ist. Zudem konnte die IGFM am 14. Dezember 2010 Zeugenerklärungen von vier in Griechenland anerkannten Flüchtlingen vorlegen, die mit Unterschrift und Foto bestätigten, daß Frau Ossipjan aus Usbekistan stammt und 1988 nach Aserbaidschan gezogen war.

    Als die Familie am 11. Oktober 2010 abgeschoben werden sollte, trennte sie sich und war damit für die Behörden nicht mehr greifbar. Bis dahin waren Maksim und seine Schwester Magda geförderte Nachwuchstalente im Galaxy-Boxclub Speyer und wurden von dem international bekannten Siggi Weickemeier trainiert.

    Schließlich gelingt es Wladimir Sogomonjan und den UnterstützerInnen, seine Rückreise in die BRD durchzusetzen. Am Abend des 21. Juni 11 landet er auf dem Flughafen Frankfurt am Main.

SOZ 29.4.11, IGFM

 

30. April 11

 

Frankfurt an der Oder in Brandenburg. In der Nähe des Supermarktes Kaufland (West) wird ein 46 Jahre alter Flüchtling aus Kamerun aus einer Gruppe Feiernder heraus zunächst rassistisch beleidigt. Als drei Personen auf ihn zustürmen, versucht er per Handy die Polizei zu rufen. Die Angreifer nehmen ihm das Telefon ab, schlagen ihn nieder. Am Boden liegend wird er weiter geschlagen und mit Füßen getreten.

    Auch die Intervenierungsversuche eines Paares, das mit dem Auto und lautem Hupen auf die Angreifer zufährt, halten die Täter nicht von ihrem Gewalt-Exzeß ab.

    Durch sein weiter auf Verbindung gestelltes Handy wird die Tat akustisch in die Notrufzentrale der Polizei übertragen und mitgeschnitten. Worte wie "Kanacke!", "Bimbo!" und "Neger" sind somit dokumentiert.

    Zwei Täter können in der Nähe des Tatortes von der Polizei gestellt werden. Die Männer sind bereits früher durch rechtsmotivierte Straftaten in Erscheinung getreten.

    Der Kameruner erleidet Verletzungen im Mund und an den Lippen und Prellungen im Gesicht, an den Beinen und auf dem Rücken. Er muß sich im Krankenhaus behandeln lassen.

    Am 14. Dezember verurteilt das Amtsgericht Frankfurt (Oder) die 29 und 30 Jahre alten Täter wegen gefährlicher Körperverletzung zu Haftstrafen von je acht Monaten auf Bewährung und zur Zahlung von insgesamt 500 Euro Schmerzensgeld. Der dritte Gewalttäter bleibt unbekannt, weil die Angeklagten seinen Namen nicht nennen. Auch bestreiten sie, aus rassistischer Motivation heraus gehandelt zu haben.

    Ihr Opfer leidet auch im Dezember noch an den psychischen Auswirkungen des Überfalls.

Utopia; BORG-FFO;

FRat Brbg 14.12.11;

MOZ 15.12.11

 

April 11

 

Nordrhein-Westfalen. Polizeibeamte suchen den Rom Herrn E. in einem Duisburger Krankenhaus auf. Daß der schwer herzkranke Mann künstlich beatmet wird, hält die Beamten nicht davon ab, ihm ihren Abschiebewillen deutlich zu machen. Herr E. wurde bereits fünfmal am Herzen operiert.

    Nach seiner Entlassung entscheidet er sich, mit seiner Frau und seinen zwei erwachsenen Töchtern, von denen eine geistig behindert ist, "freiwillig" nach Mazedonien auszureisen.

    Einer deutschen BesucherInnengruppe, die er im Sommer auf den Straßen von Shutka trifft, erzählt er, daß die Familie bisher keine Sozialhilfe bekommen hat und daß es in Skopje für ihn nicht möglich ist, die Therapie seiner Erkrankung fortzusetzen.

Dokumentationsreise 2011

 

2. Mai 11

 

Flughafen Frankfurt am Main. Auf Veranlassung der Ausländerbehörde des Westerwaldkreises wird ein Armenier ohne seine Frau und seine drei Kinder nach Eriwan abgeschoben.

    Da die Kinder nach seinen Aussagen sehr gut integriert sind und eines der Kinder minderjährig ist, dürfen sie mit der Mutter vorerst noch bleiben.

Abschiebungsbeobachtung FFM 2010-2011

 

4. Mai 11

 

Flughafen Frankfurt am Main. Eine im siebten Monat schwangere Frau wird mit ihrem Kleinkind, aber ohne den Partner und Vater der Kinder nach Belgrad abgeschoben.

    Kurz vor dem Abflug hatte das Verwaltungsgericht nach einem Eilantrag entschieden, daß die Frau nur in Begleitung eines Arztes fliegen dürfe. Ein Arzt, der dafür gar nicht vorgesehen war, erklärt sich bereit, die Frau zu begleiten.

Abschiebungsbeobachtung FFM 2010-2011

 

4. Mai 11

 

Bundesland Sachsen-Anhalt. Auf dem Bahnhof von Bitterfeld wird der 37-jährige Beniner Salomon Wantchoucou morgens um 0.30 Uhr von zwei deutschen Männern angeschrien. Ob er einen deutschen Paß besitze, wollen sie wissen, wobei einer ihm ins Gesicht leuchtet und der andere mit einem Metallstab in seine Richtung schlägt. Salomon Wantchoucou gelingt die Flucht zu Fuß, und er ruft die Polizei. Als diese erscheint, sind die Angreifer fort, und sein Fahrrad ist auch verschwunden.

    Salomon Wantchoucou hatte an diesem Abend, an dem er eigentlich nur nach Hause wollte, bereits schon vorher eine Begegnung mit der Polizei. Der Sprecher der Flüchtlingsinitiative Möhlau kam von einer Veranstaltung zum Thema Fremdenfeindlichkeit und zum Gedenken an Oury Jalloh aus Dessau, als er in Raguhn wegen der nicht funktionierenden Fahrradbeleuchtung von der Polizei gestoppt wurde. Da er sich nicht ausweisen konnte, weil seine Papiere bei der Ausländerbehörde liegen, nahmen die Beamten ihn mit aufs Revier nach Bitterfeld. Dort unterzogen sie ihn auch einem Alkohol-Test, der negativ ausfiel. Da Salomon Wantchoucou sich in Bitterfeld nicht auskennt, bat er die Beamten nach seiner Entlassung um Hilfe. Diese wurde ihm verweigert, die Beamten sperrten ihn schließlich regelrecht aus.

    Als Salomon Wantchoucou auf dem Bahnhof Bitterfeld nach einer Zugverbindung nach Wittenberg suchte, wurde er von den zwei Männern angegriffen.

Flüchtlingsinitiative Wittenberg 4.5.11;

Flüchtlingsinitiative Möhlau 9.5.11;

Polizei Sachsen-Anhalt Ost 23.5.11;

MDZ 9.5.11; Der Schlepper Nr. 55/56 Sommer 2011;

Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt

 

8. Mai 11

 

Bundesland Hessen. Als ein LKW-Fahrer mittags auf der Rastanlage Großenmoor-Ost der Bundesautobahn A7 bei einer Kontrolle der Ladung die Plane seines mit Kabeltrommeln geladenen Sattelschleppers öffnet, bemerkt er eine Flüssigkeitslache und einen beißenden Geruch, was ihn veranlaßt, die Polizei zu rufen. Kräfte der Polizei und Feuerwehr entdecken dann nach der Öffnung der Stahlkappe einer Trommel einen stark verwesten Leichnam.

    Die weitere Untersuchung des LKW findet auf dem Gelände der Bundespolizei in Hünfeld statt. Hier wird in der Kabeltrommel eine zweite Leiche gefunden.

    Nach der Obduktion steht fest, daß die beiden toten Männer in der Trommel an Herzversagen aufgrund starker Hitze, räumlicher Enge und körperlicher Austrocknung gestorben sind (sog. Hitzetod). Es handelt sich um einen 20 bis 25 Jahre alten und einen circa 30-jährigen Mann – beide vermutlich aus Nord-Afrika, wie aus gefundenen Fotos geschlossen wird.

    Die Kabeltrommeln sind bereits am 3. Mai im griechischen Patras auf eine Fähre verladen und dann in Venedig von dem Sattelschlepper aufgenommen worden. Der Zielort war Süd-Niedersachsen.

    Es wird vermutet, daß sich die Flüchtlinge bereits in Griechenland in der Trommel versteckten. Dabei muß ihnen jemand geholfen haben, die Trommel mit der Stahlkappe von außen zu verschließen.

Polizei Fulda 8.5.11;

hr-online.de 8.5.11; SZ 9,5,11;

hr-online.de 10.5.11; RP 10.5.11; afp 11.5.11;

BT DS 17/8704

 

11. Mai 11

 

Kühlungsborn im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Kurz nach Mitternacht erscheinen Polizeibeamte und ein Mitarbeiter der Demminer Ausländerbehörde an der Wohnung einer armenischen Flüchtlingsfamilie, um sie nach 13 Jahren Deutschland-Aufenthalt abzuschieben. Die 33 Jahre alten Eltern, Kristine und Artur Baveyan, der 12-jährige Geworg und die 9-jährige Anne Marie Injighulyan werden aus dem Schlaf gerissenen. Sie müssen ihre Handys umgehend abgeben, und ihnen werden Telefonate jeglicher Art verboten. Mit einem Bus werden sie zum Flughafen Frankfurt am Main gefahren.

    Erst eine halbe Stunde vor Abflug der Maschine bekommen sie ihre Handys zurück, so daß sie ihren Rechtsanwalt erreichen. Diesem gelingt es mit einer einstweiligen Anordnung, die Abschiebung zu verhindern. In der Urteilsbegründung heißt es: "Wegen derzeitig fehlender weiterführender sachverständiger ärztlicher Feststellungen kann eine Reisefähigkeit nicht angenommen werden."

    Mit den "fehlenden Feststellungen" ist der Gesundheitszustand von Frau Baveyan gemeint, die seit 2004 durchgehend in ärztlicher und psychologischer Behandlung ist und deshalb mehrmals in eine Klinik eingewiesen werden mußte. Die Frau leidet an einer Posttraumatischen Belastungsstörung und anderen psychischen Erkrankungen.

    Diese schwere Erkrankung, die ein Abschiebehindernis darstellt, hat die Ausländerbehörde Demmin nicht nur ignoriert, sondern schriftlich erklärt, daß sie mit "hundertprozentiger Sicherheit Vorerkrankungen oder aktuelle Erkrankungen ausschließen" könne.

    Tatsächlich hatte der Rechtsanwalt schon ein Jahr zuvor nach der Vorlage ärztlicher Stellungnahmen erwirkt, daß ein Termin mit dem Gesundheitsamt vereinbart werden sollte. Dieses ist allerdings nie geschehen.

    Im Februar 2010 hatte die Demminer Ausländerbehörde eine Hausdurchsuchung bei der Familie durchgeführt, um Personalpapiere zu finden. Dieser behördliche Akt wurde vom Landgericht Neubrandenburg anschließend als rechtswidrig beurteilt.

    Mitte August 2011 weist der Innenminister Lorenz Caffier (CDU) den zuständigen Landrat an, der Familie mit Rücksicht auf das Wohl der zwei schulpflichtigen Kinder einen Aufenthalt zu gestatten. Kurz zuvor hatte die Härtefallkommission des Landes noch entschieden, sich nicht ein zweites Mal mit dem Fall zu befassen.

FRat MeckPom 7.6.11;

Meck. & Pom. 19.6.11;

indymedia 16.6.11; NK 16.6.11; Antenne MV 16.8.11;

Heft der Flüchtlingsräte Januar 12

 

13. Mai 11

 

Bundesland Thüringen. Als um 22.30 Uhr ca. 30 PolizeibeamtInnen und Bedienstete der Ausländerbehörde Gotha selbständig und unangemeldet in die Wohnung einer Flüchtlingsfamilie aus Aserbaidschan eindringen, versucht sich der Familienvater selbst zu verletzen. Dann wird er – nur mit einer Unterhose bekleidet – mit Gewalt von seiner Frau und den drei Kindern getrennt, ihm werden Hand- und Fußschellen angelegt, er bekommt Medikamente und anschließend erfolgt sein Transport in die Psychiatrie nach Mühlhausen.

    Der Mann ist aserbaidschanischer Nationalität, aber ohne anerkannte Staatsangehörigkeit, da er in Armenien und Rußland aufgewachsen ist und die Staatsangehörigkeit der damaligen UdSSR besaß. Er kann weder freiwillig ausreisen, noch abgeschoben werden.

    Seine Frau und die fünf, sechs und zwölf Jahre alten Kinder werden von der Polizei mitgenommen, um sie über den Flughafen Berlin abzuschieben.

    Die Frau ist schwer und in erheblichem Maße eigengefährdend psychisch krank und war aus diesem Grunde mehrfach in stationärer Behandlung.

    Ihre Abschiebung kann jetzt im letzten Moment noch durch eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Meiningen verhindert werden. Bei einem Zwischenstop des Flugzeugs in

Wien können Mutter und Kinder die Maschine wieder verlassen und kommen mit Hilfe des österreichischen Innenministeriums zurück nach Gotha.

    Hier finden sie ihre Wohnung völlig durchwühlt vor. Ohne Durchsuchungsbeschluß wurden die persönlichen Sachen aus allen Schränken gezerrt und in den Räumen verteilt. Die Ersparnisse der Familie sind nicht mehr da.

    Die Frau kommt unmittelbar wieder in stationäre Behandlung, weil die überfallartige Nachtaktion und die Familientrennung sie erheblich gefährdet haben.

    Bereits im November 2010 hatte es einen ersten Versuch gegeben, die Familie abzuschieben. Aufgrund der Krankheit der Frau und der besonderen aufenthaltsrechtlichen Situation des Mannes mußte die Abschiebung damals auf dem Flughafen Berlin unterbrochen werden.

FRat Thür 23.5.11

 

19. Mai 11

 

Bundesland Bayern. Ohne Voranmeldung erscheinen im psychiatrischen Krankenhaus Günzburg Polizeibeamte und nehmen die Patientin Mehbuba Musaveva mit. Über den Flughafen Frankfurt am Main erfolgt ihre Abschiebung nach Aserbaidschan. Damit ist die psychisch kranke Frau von ihrem Mann, ihren sieben und acht Jahre alten Söhnen und ihrer 3-jährigen Tochter getrennt.

    Frau Musaveva, die sich seit Februar 11 in stationärer Behandlung in der Klinik befand, hat bereits zwei Suizidversuche hinter sich. Auf dem Weg nach Frankfurt versucht sie ein drittes Mal, sich zu töten, und wird daraufhin in Handschellen gelegt.

    Nach der Abschiebung ist Mehbuba Musaveva auf sich allein gestellt, sie kommt bei Bekannten unter – eine medizinische Weiterbehandlung ist für sie nicht bezahlbar, und ins Krankenhaus traut sie sich nicht.

    Im März 2005 war Frau Musaveva mit ihren zwei Söhnen in die Bundesrepublik gekommen – ihr Mann einige Monate später. Seither lebte die Familie im Flüchtlingsheim Leipheim. Nach der Abschiebung der Mutter sind die Kinder geschockt und verstört. Der Älteste fällt in seinen schulischen Leistungen derart ab, daß er die Klasse wiederholen muß – auch gehen die beiden Jungs nicht mehr zu ihrem geliebten Fußballverein.

    Die Abschiebung von Herrn Musaveva gelingt der Ausländerbehörde vorerst nicht, weil Aserbaidschan dem Armenier die Einreise verweigert.

FRat Bayern;

AA 10.10.11

 

21. Mai 11

 

Chemnitz in Sachsen. Gegen Abend kommt es im Bereich der Zentralhaltestelle Bahnhofstraße zu einem Angriff von mehreren Deutschen auf zwei tunesische Flüchtlinge. Die 20 und 24 Jahre alten Asylbewerber werden von den Deutschen geschlagen und gestoßen – schließlich gelingt ihnen die Flucht.

    Sie kommen allerdings zurück und können der Polizei gegenüber Aussagen machen. Zwei Chemnitzer im Alter von 18 und 25 Jahren werden als Verdächtige ermittelt.

    Die Flüchtlinge erleiden durch die Attacken Prellungen und Blutergüsse.

Sachsen Fernsehen 24.5.11

 

25. Mai 11

 

Bundesland Bayern. Kurz nach der Überschreitung der österreichisch-deutschen Grenze wird der 16 Jahre alte Abdo Basel festgenommen. Er kommt in die JVA München (Stadelheim) in Abschiebehaft.

    Der minderjährige Flüchtling, der in der syrischen Stadt Daraa lebte, war vor den dortigen Unruhen und nach dem plötzlichen Verschwinden seines Vaters außer Landes geflohen, um bei seiner in Magdeburg lebenden Tante Zuflucht zu finden. Da er mit dem Zug Italien passierte, soll er jetzt nach dem Dublin-II-Abkommen dorthin zurückgeschoben werden.

    Erst aufgrund deutlicher Proteste der Landtagsfraktion Die Grünen und durch die Intervention seines Rechtsanwaltes kommt er am 30. Juli, nach fünf Wochen Gefangenschaft, frei. Die Abschiebung ist vorläufig ausgesetzt, und er kann zunächst bei seiner Tante und seinem Onkel wohnen, die die Vormundschaft beantragt haben und bereit sind, für ihn zu sorgen.

LT-Fraktion Die Grünen 25.7.11;

FRat Bayern 2.8.11; SZ 2.8.11; jW 2.8.11;

dpa 3.8.11; tz 3.8.11;

Ulrich Köhler - Rechtsanwalt

 

30. Mai 11

 

Nürnberg im Bundesland Bayern. Durch die Androhung der Ausländerbehörde, ihn – entsprechend dem Dublin-II-Abkommen - nach Ungarn zurückzuschieben, ist der jugendliche Flüchtling G. H. derart verzweifelt, daß er sich ein Küchenmesser vor den Bauch hält und droht, sich umzubringen. Allein durch die mutige Intervention anderer Jugendlicher seiner Wohngruppe und der BetreuerInnen kann dies verhindert werden. G. H. kommt anschließend für eine Woche in die Kinder- und Jugend-Psychiatrie.

    Schon vor diesem Suizidversuch hatte sich der Iraker durch Ritzen an den Armen selbstverletzt, so daß er schon einmal für einen Tag in die Psychiatrie eingeliefert worden war.

    G. H. leidet zudem unter einem Gehirntumor, der ihm Schlaflosigkeit, Depressionen und unerträgliche Schmerzen bereitet. Erst nach Ablauf der Überstellungsfrist nach Ungarn kann ein Asylantrag gestellt werden, so daß es dem Jugendlichen wenigstens psychisch etwas besser geht. 

Wohngruppe Bahia Nürnberg;

Alternativer Menschenrechtsbericht 2011

 

Anfang Juni 11

 

Bundesland Rheinland-Pfalz. Ein 22-jähriger Flüchtling aus dem Irak, der in der Flüchtlingsunterkunft Neuwied untergebracht ist, wird vermißt gemeldet.

    Am 13. August wird sein Leichnam von Hilfskräften der Feuerwehren Urmitz und Kaltenengers im Rahmen einer anderen Suche auf der Rheininsel "Urmitzer Werth" gefunden. Die stark verweste Leiche hängt in rund fünf Metern Höhe an einem Baum, die Hände sind auf dem Rücken zusammengebunden.

    Laut dem Obduktionsergebnis wird ein Gewaltverbrechen ausgeschlossen und eine Selbsttötung des Flüchtlings angenommen, zumal er diese auch vorher mündlich angekündigt hatte.

    Der Mann war – zusammen mit seinem ein Jahr jüngeren Bruder – am 11. Februar in die Bundesrepublik eingereist und hatte sich erst seit Mitte Mai in der Flüchtlingsunterkunft Neuwied befunden.

Rhein-Zeitung 14.8.11; swr 15.8.11;

Rhein-Zeitung 15.8.11;

Rhein-Zeitung 17.8.11; swr 17.8.11;

Antirassistische Initiative Berlin

 

Anfang Juni 11

 

Kaiseresch in Rheinland-Pfalz. Als die Polizei an der Wohnungstür des Nigerianers Smart Imafidon erscheint, um ihn mitzunehmen, springt dieser aus dem Fenster. Bei dem Fall aus der ersten Etage verletzt er sich an Kopf und Brust.

    Ohne weitere Behandlung wird er zum Flughafen Frankfurt am Main gefahren, wo er sich aber so vehement wehrt, daß der Pilot sich weigert, ihn mitzunehmen. Danach kommt er ins Abschiebegefängnis Ingelheim – auch hier wird er weder medizinisch noch psychologisch behandelt. Ende Juni erfolgt von hier aus seine Abschiebung nach Nigeria.

jW 1.9.11

 

4. Juni 11

 

Burgenlandkreis im Bundesland Sachsen-Anhalt. Gegen 18.00 Uhr entdecken SpaziergängerInnen eine tote Person im Gestrüpp am Ufer der Weißen Elster in Höhe der Gartenanlage Am Kurpark. Bei dem Toten handelt es sich, wie später festgestellt wird, um einen 35 Jahre alten Asylbewerber aus Sierra Leone, der im nahen Flüchtlingsheim in der Albrechtstraße wohnte. Er ist am Tag zuvor unter massiver Gewalteinwirkung mißhandelt und dann mit mehreren Stichen in die Brust getötet worden.

    Die polizeilichen Ermittlungen konzentrieren sich auf das Thema Drogenhandel, und zehn Tage nach Fund des Toten wird eine konkrete Fahndung nach dem mutmaßlichen Täter veröffentlicht. Am 8. August wird der 21-Jährige in Berlin festgenommen.

dapd 6.6.11; MDZ 6.6.11; ND 7.6.11;

MDZ 11.8.11; dapd 12.8.11

 

8. Juni 11

 

Landkreis Lippe in Nordrhein-Westfalen. Um 23.30 Uhr wird die Feuerwehr in den Ortsteil Sabbenhausen der Gemeinde Lügde gerufen. Im Keller der Alten Schule, in der Flüchtlinge untergebracht sind, brennt es, und die starke Rauchentwicklung hat sich über einen Versorgungsschacht schon bis in das Erdgeschoß ausgedehnt. Als die Feuerwehr eintrifft, haben sich bereits neun BewohnerInnen ins Freie geflüchtet. Zwei Personen müssen von den Rettungskräften aus dem Haus geholt werden und kommen anschließend mit Verdacht auf eine Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus.

    Als Brandursache wird eine defekte Lampe im Keller vermutet. Aufgrund des großen Sachschadens und des sowieso desolaten Zustands des Hauses wird die Gemeinde das Gebäude abreißen. Die ehemaligen BewohnerInnen werden in Wohnungen untergebracht, denn, so der Bauamtsleiter der Ortschaft: "Wir haben in der Kernstadt noch städtische Wohnungen frei. Ein Platzproblem gibt es also nicht."

Freiwillige Feuerwehr 9.6.11;

Deister- und Weserzeitung 9.6.11;

LLZ 4.2.12

 

10. Juni 11

 

Bundesland Bayern. In Weiden werden in der Nacht zwei zu Brandsätzen umgebaute Bierflaschen gegen das Gebäude der Asylbewerberaufnahmestelle in der Kasernenstraße im Stadtteil Stockerhut geworfen. Dabei geht eine Fensterscheibe des Verwaltungsgebäudes zu Bruch, und die Außenwand wird verrußt.

    In einem 50 Meter entfernten Gebäude leben zur Zeit 90 AsylbewerberInnen.

    Am 15. Juni werden drei Männer aus Weiden im Alter von 19, 23 und 24 Jahren festgenommen, die die Brandattacke zugeben. Die beiden jüngeren Täter kommen in Haft – der 24-Jährige wird unter Auflagen vorläufig entlassen. Zumindest bei einem von ihnen werden rassistische Motive angenommen.

    Der Angriff ist ein Zeichen für die stärkeren propagandistischen Aktivitäten des neonazistischen Kameradschaft-Dachverbands "Freies Netz Süd" (FNS) und dessen Untergruppe "Widerstand Tirschenreuth". In deren Texten wird auch immer wieder das Flüchtlingsheim Stockerhut genannt.

dapd 10.6.11;

Oberpfalznetz.de 17.6.11

aida-archiv.de

 

12. Juni 11

 

Sigmaringen in Baden-Württemberg. Gegen 22.00 Uhr bedroht ein 26 Jahre alter Mann die BewohnerInnen des Flüchtlingsheimes Laiz in der Römerstraße. Er hält eine Gaspistole hoch und schießt mehrmals vor dem Gebäude in die Luft.

    Auch die gerufenen Polizisten werden von dem alkoholisierten Mann beleidigt. Er wird vorläufig festgenommen.

SK 14.6.11

 

14. Juni 11

 

Bundesland Bayern. Der 19 Jahre alte afghanische Flüchtling Matin A. wird im Rahmen des Dublin-II-Abkommens aus Coburg nach Italien zurückgeschoben. Am Flughafen Rom erfolgt seine Festnahme für zwei Tage. Dann wird er mit dem Papier in der Hand, daß er binnen 60 Tagen das Land zu verlassen habe, in die Obdachlosigkeit entlassen. Der junge Mann leidet an der Blutkrankheit Hämophilie A, deren Hauptsymptom eine Verhinderung der Blutgerinnung ist. Geringste Verletzungen bringen den Patienten in Lebensgefahr. Medizinische Versorgung wird ihm in Italien versagt.

    Aus Angst um sein Leben gelingt es Herrn A. mit Hilfe von Freunden, Mitte Juli erneut in die Bundesrepublik einzureisen, wo er sicher sein kann, daß er medizinisch betreut wird. Im Herbst 2012 kommt er nach einem schweren Sturz in Lebensgefahr ins Erlanger Krankenhaus. Bei seiner Entlassung am 6. November 12 wiegt der 1,70 Meter große Mann nur noch 47 Kilogramm. Er ist extrem schwach und kann nur mit Mühe gehen.

    In dieser Situation erhält er die Nachricht, daß die Ausländerbehörde ihn am 13. November um 6.00 Uhr nach Italien zurückschieben will.

    Nachdem sich neben dem Flüchtlingsrat Bayern seine ÄrztInnen, die Diakonie, der Coburger Stadtrat Martin Lücke sowie die Bundestagsabgeordnete Anette Kramme für ihn eingesetzt haben und innerhalb von drei Tagen knapp 900 Menschen eine Petition unterzeichneten, geht am späten Nachmittag des 12. November die Nachricht ein, daß sein Asylverfahren in der Bundesrepublik durchgeführt werden kann.

FRat Bayer 9.11.12; Pro Asyl

 

27. Juni 11

 

Bundesland Nordrhein-Westfalen. Gegen Mittag entwickelt sich ein Brand in einer Küche in der vierten Etage des Kölner Übergangswohnheims in der Ricarda-Huch-Straße im Ortsteil Stammheim. In diesem Gebäude leben AsylbewerberInnen.

    Fünf Personen werden verletzt, drei Menschen kommen umgehend in ein Krankenhaus.

dapd 27.6.11;

Express.de 27.6.11

 

28. Juni 11

 

Bundesland Bayern. Im Augsburger Flüchtlingsheim, das in der ehemaligen Flak-Kaserne im Stadtteil Kriegshaber untergebracht ist, entsteht um 12.00 Uhr mittags ein Feuer in der ersten Etage.

    Als die Berufsfeuerwehr und die Freiwilligen Wehren aus Stadtbergen und Haunstetten in die Neusäßer Straße einbiegen, schlagen die Flammen meterhoch aus dem Haus. Zu diesem Zeitpunkt haben alle BewohnerInnen das Gebäude verlassen können.

    Zwei Menschen sind leicht verletzt. Eine Person hat eine Rauchgasvergiftung, und ein Mann verletzte sich durch den Sprung aus dem Fenster eines brennenden Zimmers.

    Von den 300 BewohnerInnen des Lagers müssen rund 30 Personen die Zimmer wechseln, weil die Decken einsturzge-fährdet sind.

    Das marode Gebäude sollte ursprünglich Ende Juni geräumt sein, doch die Stadt hatte den Mietvertrag mit der Regierung Schwaben nochmals bis Ende Dezember verlängert.

    Als Brandursache wird ein technischer Defekt an einer Herdplatte ermittelt.

a.tv-Kompakt 28.6.11;

Radio RT1 28.6.11; AA 28.6.11;

MbZ 28.6.11

 

30. Juni 11

 

Der Deutsche Bundestag nimmt die Empfehlung des Petitionsausschusses zum Bleiberecht des schwerkranken Hasbulat X. einstimmig an. Damit übernimmt die Bundesrepublik offiziell die Zuständigkeit für das Asylverfahren der tschetschenischen Flüchtlingsfamilie, die eigentlich – entsprechend dem Dublin-II-Abkommen – nach Polen zurückgeschoben werden sollte.

    Zerema und Ruslan X. waren im Frühjahr 2010 über Polen in die BRD gekommen, um für ihren 8-jährigen schwer nierenkranken Sohn Hasbulat medizinische Hilfe zu bekommen. Der Junge war bereits im Alter von 11 Monaten das erste Mal operiert worden. Nach weiteren Operationen und

Behandlungsversuchen hatten die tschetschenischen ÄrztInnen die Hoffnung auf Besserung des lebensgefährlichen Zustandes aufgegeben.

    Im Universitätsklinikum Marburg wurde der Junge ab Mai 2011 medizinisch behandelt und mit Sonden-Nahrung versorgt, so daß sich sein Allgemeinzustand deutlich besserte. Durch eine Rückschiebung nach Polen wäre dieser Gesundungsprozeß abgebrochen worden, weil die mangelnde medizinische Versorgung in Polen das Kind in Lebensgefahr gebracht hätte.

    Seine Lehrerin der Vorklasse der Mittelpunktschule Hartenrod, Frau Rieger, schreibt die Petition an den Deutschen Bundestag und initiiert eine Unterstützungskampagne, die schließlich von der gesamten Schule mitgetragen wird. 5.166 Unterschriften, die die SchülerInnen, Eltern und Lehrkräfte gesammelt haben, unterstützen flankierend die Petition.

    Nach Aussage der Sprecherin des Petitionsausschusses sei auch die beeindruckende Zahl an Unterschriften einer der Gründe für die positive Entscheidung gewesen.

Mittelpunktschule Hartenrod;

mittelhessen.de 14.4.11;

FRat NieSa 12.5.11;

Marburger RS 25.5.11; OP 30.6.11

 

8. Juli 11

 

Abschiebegefängnis auf dem Gelände der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt (ZABH). Am zweiten Tag in Haft verletzt sich der 25 Jahre alte Kameruner Poclaire W. an Kopf und Armen. Wegen schwerer psychischer Probleme erfolgt dann seine Verlegung in die geschlossene psychiatrische Abteilung des örtlichen Krankenhauses. Dort wird er fortan rund um die Uhr von zwei Sicherheitsbeamten bewacht.

    Auf Veranlassung der Kreisverwaltung Oberhavel war er am 6. Juli im Flüchtlingslager Stolpe-Süd (Hennigsdorf) festgenommen worden. Da zu diesem Zeitpunkt auch die Gutscheinausgabe für die Flüchtlinge stattfand, während der UnterstützerInnen und Flüchtlinge auf einer kleinen Kundgebung Bargeld forderten, wurde spontan, aber vergeblich versucht, die Abfahrt des Polizeiwagens mit einer Sitzblockade zu verhindern.

    Poclaire W. soll – entsprechend dem Dublin-II-Abkommen – nach Zypern zurückgeschoben werden.

    Am 23. Juli versucht er, sich mit einer Überdosis Tabletten zu vergiften, so daß er auf die Intensiv-Station des Humboldt-Klinikums verlegt wird. Trotz dieses erneuten Suizidversuches, trotz der weiterhin sehr schlechten Verfassung von Poclaire W. und entgegen dem Rat der behandelnden Ärzte ist seine Abschiebung aus der Psychiatrie heraus für die Nacht zum 25. Juli geplant. Um 21.15 Uhr des 24. Juli entsteigen zwei Männer der Ausländerbehörde und ein Arzt, der mitfliegen soll, einem grünen Polizeitransporter auf dem Krankenhausgelände, um den Kameruner abzuholen und zum Flughafen Hamburg zu bringen.

    Nur durch Intervention von VertreterInnen des Flüchtlingsrates Brandenburg, verschiedener Flüchtlingsinitiativen und des Rechtsanwalts gelingt es, an diesem Wochenende das Innenministerium zu erreichen, das schließlich ein sozialpsychiatrisches Gutachten des Flüchtlings verlangt, um die Flug- und Reisefähigkeit zu prüfen. Da dieses nicht ad hoc zustande kommen kann, müssen die Behördenvertreter und der Arzt das Krankenhaus wieder verlassen.

    Am 24. Juli erklärt das Landgericht Neuruppin die Abschiebehaft für rechtswidrig. Sie war gerade vom Amtsgericht Oranienburg bis zum 18. August verlängert worden. So müssen auch die beiden Bewacher an diesem Tag das Krankenhaus umgehend verlassen.

    Am 13. Oktober hat Herr W. erneut einen Termin im Gesundheitsamt Oranienburg, wo die Ausländerbehörde seine Reise- und Flugfähigkeit überprüfen lassen will.

    Im Februar 2012 ist die Frist für eine Rückschiebung nach Dublin-II abgelaufen, so daß das Asylverfahren in der BRD durchgeführt werden muß.

Die-Mark-Online.de 7.7.11; MAZ 7.7.11;

Die-Mark-Online.de 20.7.11; MAZ 23.7.11;

MOZ 25.7.11; Gemeinsame Presseerklärung am 26.7.11:

FRat Brbg, Flüchtlingsinitiative Brandenburg,

Refugees Emancipation, Initiative U.R.I.;

MAZ 26.7.11; ND 27.7.11;

MAZ 25.10.11; FRat Brbg 10.11.11; FRat Brbg

 

8. Juli 11

 

Abschiebegefängnis Köpenick in Berlin. Um 18.45 Uhr legt sich ein 23 Jahre alter Gefangener aus der Türkei eine elastische Mullbinde um den Hals und versucht, sich dann an einer Türzarge des Waschraums zu erhängen. Mitgefangenen gelingt es, die Selbsttötung zu verhindern.

    Nach einem Krankenhaus-Aufenthalt kommt der Mann wieder zurück in die Abschiebehaft. Im Isolationstrakt wird er fortan rund um die Uhr beobachtet.

    Er befindet sich seit Mitte Juni in Haft und wird Ende Juli in die Türkei abgeschoben.

Polizei Berlin 9.7.11;  Die Welt 9.7.11; BM 9.7.11;

ND 10.7.11; taz 11.7.11; Jesuiten-Flüchtlingsdienst;

BT DS 17/10597; Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/11577

 

8. Juli 11

 

Bundesland Niedersachsen. Das Landgericht Göttingen beschließt, daß ein junger afghanischer Flüchtling unverzüglich aus der Abschiebehaft zu entlassen ist, weil es festgestellt hat, daß er noch minderjährig ist.

    Dies geht aus den vorgelegten Papieren hervor, in denen das Geburtsdatum mit 21.12.1372 (islamischer Kalender) angegeben ist, was dem Datum 13.3.1994 im gregorianischen Kalender entspricht. Auch seine Eltern bestätigen das jugendliche Alter ihres Sohnes Ramin. Damit wird der 17-Jährige nach über fünf Wochen Haft entlassen.

    Er war wegen unerlaubter Einreise am 13. Dezember 10 von der Stadt Münster nach Ungarn zurückgeschoben worden,

weil er dort bereits einen Asylantrag gestellt hatte. Am 30. Mai 11 versuchte er erneut die Einreise in die Bundesrepublik, wurde in einem Zug in Göttingen festgenommen und kam dann umgehend in Abschiebungshaft.

    Die Haft wäre dem Jugendlichen erspart geblieben, wenn die Ausländerbehörde Göttingen sich näher mit den verschiedenen Anhaltspunkten beschäftigt hätte, die darauf hindeuteten, daß es sich bei dem Flüchtling um einen Minderjährigen handelte. So war dies auch bereits in Österreich durch eine Handwurzeluntersuchung festgestellt worden.

Peter Fahlbusch - Rechtsanwalt

 

9. Juli 11

 

Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Ein 24 Jahre alter irakischer Gefangener legt sich ein Handtuch um den Hals und versucht, sich zu erdrosseln.

Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/11577

 

11. Juli 11

 

Bundesland Nordrhein-Westfalen. Morgens um 6.15 Uhr werden die Feuerwehr und die Polizei zu einem Brand in der Flüchtlingsunterkunft nach Lippstadt in die Hospitalstraße gerufen. Ein Zimmer brennt komplett aus – die BewohnerInnen können von den Rettungsmannschaften unverletzt evakuiert werden.

    Als Ursache des Brandes wird ein technischer Defekt festgestellt.

Polizei Soest 11.7.11

 

12. Juli 11

 

Bundesland Bayern. Mitten in der Nacht dringen der Mitarbeiter der Erlanger Ausländerbehörde Herr M. und einige Polizisten in die Erlanger Flüchtlingsunterkunft ein und nehmen die 30 Jahre alte Hysnie Bahtiri und ihre drei Söhne, Amin (9 Monate alt), Armand (6 Jahre alt) und Avdyl (14 Jahre alt) in Gewahrsam. Die Familie wird umgehend in die Slowakei abgeschoben, wo sie vor eineinhalb Jahren auf ihrer Flucht aus dem Kosovo durchreiste. Die Rückschiebung erfolgt nach dem Dublin-II-Abkommen.

    Weil der Ehemann und Vater der Kinder, Florim Berisha, sich zu dieser Zeit nicht im Lager aufhält und somit nicht mit abgeschoben werden kann, ist die Familie jetzt getrennt.

    Daß die Abschiebung an diesem Tag stattfindet, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Zufall, denn am morgigen Tag läuft die Frist für die Rückschiebung in die Slowakei ab, und damit hätte das Asylverfahren von der BRD bearbeitet werden müssen. Jetzt befindet sich die Familie in einer ausweglosen Situation: Die Slowakei weigert sich, Herrn Berisha aufzunehmen, und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) weigert sich, Frau Bahtiri und die Kinder zurückzunehmen.

    Als Florim Berisha im November 2011 auf einer Pressekonferenz der unten genannten flüchtlingspolitischen Organisationen seine Geschichte erzählt und diese durch andere ergänzt wird (siehe hierzu: 21. August 07 und

9. Dezember 10), erstattet der Mitarbeiter der Erlanger Ausländerbehörde Herr M. umgehend Anzeige wegen Verleumdung gegen den Bayerischen Flüchtlingsrat und versucht, diesen mit einer Unterlassungserklärung mundtot zu machen. Der Flüchtlingsrat soll unterschreiben, daß er den Beamten nie mehr als "Sheriff Gnadenlos" bezeichnet, und er soll nicht mehr behaupten, daß Herr M. "Ermessensentscheidungen am äußersten rechten Rand" trifft.

    Kommentar des Sprechers des Flüchtlingsrats Alexander Thal: "Wir haben lediglich das getan, was zu den Kernaufga-

ben des Bayerischen Flüchtlingsrats zählt, nämlich Flüchtlingen eine Stimme zu geben und alles dafür zu tun, dass sie fair und gerecht behandelt werden .... Wir freuen uns auf die gerichtliche Auseinandersetzung!"

    Ab Mitte Dezember ermittelt der Staatsschutz (!) Erlangen/Nürnberg gegen die sechs flüchtlings- und menschenrechtspolitischen Organisationen. Zu diesem Zeitpunkt werden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth wegen Beleidigung des Beamten Herrn M. eingestellt. Die Unterlassungsklage wird am 25. Januar 12 im Landgericht München verhandelt und endet mit dem Vergleich, daß der kritisierte Beamte seine Anzeige und seine Beschwerde gegen die Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth zurücknimmt und andererseits der Bayerische Flüchtlingsrat bei zukünftiger Berichterstattung den Namen des Beamten nicht mehr öffentlich nennt.

    Am 31. Januar 12 veröffentlichen die Erlanger Nachrichten, daß der Beamte Herr M. einige Tage lang bei seiner Arbeit in der Ausländerbehörde ein T-Shirt mit der Aufschrift "Sheriff Gnadenlos" trug. Dies unterließ er erst nach Untersagung durch den Amtsleiter.

Gemeinsame Presseerklärung am 29.11.11:

FRat Bayern, ai-Ortsgruppe Erlangen,

Ausländerbeirat Erlangen;

Internationales Frauencafé Nürnberg,

Flüchtlingsunterstützung Erlangen,

Ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuung Erlangen;

Radio Z 29.11.11; NN 29.11.11;

Erlanger Nachrichten 30.11.11; SZ 30.11.11;

Erlanger Nachrichten 3.12.11; SZ 5.12.11;

 SZ 8.12.11; FRat Bayern 8.12.11;

FRat Bayern 9.12.11; NN 9.12.11;

FRat Bayern 13.1.12; SZ 21.12.11;

taz 20.12.11; FRat Bayern 20.1.12;

 jW 20.1.12; FRat Bayern 25.1.12;

Erlanger Nachrichten 31.1.12;

Rainer Frisch - Rechtsanwalt

 

Mitte Juli 11

 

Bundesland Bayern. Die 9-jährige Hasti wird von einem in den Niederlanden bestellten Vormund bei ihrer Mutter in Augsburg abgeholt und in die Niederlande zu einer Pflegefamilie gebracht. Seither hat die 34-jährige Bahare Balvasi aus dem Iran zu ihrer Tochter nur noch telefonischen Kontakt.

    Am 8. Juli hatte sich das Augsburger Familiengericht in dieser komplizierten Geschichte für nicht zuständig erklärt, woraufhin das Jugendamt der Herausgabe Hastis zustimmt.

    Die geschiedene Iranerin war im Jahre 2005 in die Bundesrepublik gekommen und hatte Asyl beantragt.

    Ihre Lebenssituation war für sie dermaßen belastend, daß sie mehrere Suizidversuche unternahm und sich in ambulante und stationäre psychotherapeutische Behandlung begeben mußte.

    Erst im Jahre 2008 gelang es ihr, ihre Tochter Hasti, gegen den Willen der Familie ihres ehemaligen Mannes, in die BRD nachzuholen.

    Als ihr Asylantrag im Jahre 2009 abgelehnt wurde, flüchtete sie mit ihrer Tochter in die Niederlande. Hier stellte sie erneut einen Asylantrag. Nach einem weiteren Suizidversuch entschied das Landgericht Alkmaar am 27. Mai den vorläufigen Entzug des Sorgerechts für ihr Kind und bestellte das Jugendamt zum Vormund. Hasti kam in eine Pflegefamilie – Mutter und Tochter konnten sich allerdings weiterhin sehen.

    Als – entsprechend dem Dublin-II-Abkommen – Frau Balvasi mit Hasti im Juli in die Bundesrepublik zurückgeschoben wird, erklärt der niederländische Vormund, daß es sich hierbei um Kindesentführung handele.

AA 24.10.11;

Spiegel 1.11.11

 

29. Juli 11

 

Merseburg im Bundesland Sachsen-Anhalt. Bei einer Demonstration für Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen werfen unvermittelt gegen 15.00 Uhr an der Domprobstei Neonazis zwei Knallkörper in Richtung der Teilnehmenden. Eine 39 Jahre alte Frau aus Kamerun mit geduldetem Aufenthalt erleidet einen Schock und muß sich im Krankenhaus ambulant behandeln lassen.

    Die Polizei ermittelt wegen Körperverletzung.

    Bereits zu Beginn der Demonstration am Hauptbahnhof hatten etwa 20 Nazis versucht, die Versammlung zu stören.

Togo Action Plus 15.12.11;

Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt

 

Ende Juli 11

 

Bundesland Bayern. In der psychiatrischen Abteilung der Abschiebehaft Stadelheim in München versucht sich der 31 Jahre alte tunesische Flüchtling Walid Riahi, mit einem Matratzenbezug an der Fenstervergitterung zu erhängen. Am 14. September wird er im Rahmen des Dublin-II-Abkommens nach Italien zurückgeschoben.

    Er leidet an Epilepsie und hatte schon bei seiner Festnahme durch die Bundespolizei – drei Monate zuvor – einen schweren Anfall erlitten. Die Polizisten hatten ihn daraufhin in das Krankenhaus Weilheim gebracht, wo er einen Tag und die

folgende Nacht auf der Intensiv-Station behandelt wurde. Danach war Herr Riahi direkt in die JVA Stadelheim in Abschiebehaft gekommen, weil es "keinen Hinweis auf Haftunfähigkeit" gab.

    Dem Suizidversuch ging eine Auseinandersetzung mit den Pflegern voraus, weil diese sich weigerten, ihm einen Arzt zu rufen.

    Herr Riahi wird insgesamt viermal nach Italien zurückgeschoben – einmal mit einer kleinen Chartermaschine. Da er mit einer deutschen Staatsbürgerin eine gemeinsame Tochter hat, lebt er im Feburar 2013 in Leipzig und hofft auf einen dauerhaften Aufenthalt.

KMii-Leipzig;

Antirassistische Initiative Berlin

 

1. August 11

 

Rückführungsbereich im Flughafen Frankfurt am Main. Auf Veranlassung des Regierungspräsidiums Gießen soll ein irakischer Flüchtling im Rahmen der Dublin-II-Maßnahme nach Italien ausgeflogen werden. Der Mann sitzt regungslos im Warteraum, und auf Ansprache bittet er darum, daß die Verantwortlichen seine medizinischen Unterlagen anschauen. Es stellt sich heraus, daß er vor kurzem wegen eines bösartigen Tumors operiert wurde und daß er aufgrund des Verdachtes von Lungenmetastasen demnächst einen Arzt-Termin hat. Eine Flugtauglichkeitsbescheinigung liegt nicht vor – die Rückschiebung wird durch die Bundespolizei gestoppt.

    Auf Nachfrage erklärt das Regierungspräsidium Darmstadt, daß der zuständigen Behörde in Gießen die Erkrankung des Irakers nicht bekannt sei.

Abschiebungsbeobachtung FFM 2010-2011

 

2. August 11

 

Flughafen Frankfurt am Main. Auf Veranlassung der Ausländerbehörde Germersheim in Rheinland-Pfalz soll ein Ehepaar mit seinen sechs Kindern nach Budapest rückgeschoben werden. Es stellt sich heraus, daß die 13-jährige Tochter nicht dabei ist, denn sie besucht ihren Onkel im nordrhein-westfälischen Holzkirchen. Die Zusage, die dem 17-jährigen Sohn am Morgen der Abholung gegeben wurde, daß auch die Schwester noch rechtzeitig zum Flughafen gebracht werden würde, wird nicht eingehalten.

    Schließlich wird die Mutter mit den Kindern abgeschoben, und der Ehemann und Vater bleibt zurück, um dann später mit der 13-Jährigen gemeinsam rückgeschoben zu werden.

Abschiebungsbeobachtung FFM 2010-2011

 

3. August 11

 

Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Um 19.30 Uhr werden BewohnerInnen des Wismarer Flüchtlingsheimes Haffburg, die sich vor dem Haus befinden, von den Insassen eines PKW heraus angesprochen und beleidigt. Kurz darauf erscheinen drei weitere PKWs, so daß mindestens 16 Personen die Flüchtlinge angreifen. Drei Personen werden verletzt und kommen stationär ins Krankenhaus - zwei von ihnen sind Asylbewerber.

    Der Polizei gelingt es, die Täter zu ermitteln.

dapd 3.8.11; Ostsee-News 3.8.11;

OZ 3.8.11; OZ 4.8.11; OZ 6.8.11;

LOBBI

 

3. August 11

 

Bundesland Baden-Württemberg. In seinem Zimmer in der Flüchtlingsunterkunft von Radolfzell knüllt der 27 Jahre alte Reda A. aus Algerien eine Zeitung zusammen und setzt sie in Flammen. Er will sich umbringen.

    Was anschließend zwischen ihm und seinem Mitbewohner geschieht, kann auch das Amtsgericht Konstanz im November 2012 nicht aufklären. Reda A. ist angeklagt der versuchten besonders schweren Brandstiftung, der Freiheitsberaubung und Körperverletzung. Da sich aber sein Mitbewohner mehrfach unterschiedlich zu dem Geschehenen äußert, bleibt der tatsächliche Vorgang unklar. Zwei Polizeibeamte berichten, daß sie beide Männer in Handschellen legen mußten.

    Reda A., der in Algerien als Fischer gearbeitet hatte, war in die Bundesrepublik geflüchtet, weil er verfolgt wurde.

    Im Jahre 2010 hatte er sich in selbsttötender Absicht aus dem Fenster der Unterkunft in Radolfzell gestürzt.

SK 20.11.12

 

6. August 11

 

Rheine im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Durch das geöffnete Fenster einer Asylbewerberunterkunft werden faustgroße Steine geworfen, wodurch der PC-Schirm eines kongolesischen Bewohners beschädigt wird. Der zum Tatzeitpunkt alkoholisierte Täter wird wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe verurteilt.

LT DS NRW 16/5100;

StA Münster 4.9.14

 

15. August 11

 

Altenbeken-Schwaney, Kreis Paderborn im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Gegen 12.15 Uhr tritt der Hausmeister der Unterkunft für Flüchtlinge in das Zimmer eines Bewohners, ohne vorher anzuklopfen. Der Hausmeister fordert den Bewohner auf, seine Musik leiser zu stellen. Als sich der Bewohner über das unaufgeforderte Eintreten beschwert, entwickelt sich eine verbale Auseinandersetzung, in der dem Bewohner gegenüber diskriminierende Sprüche fallen (u.a. ''Schwarze Schwuchtel''). Der Streit entwickelt sich zu einer körperlichen Auseinandersetzung, in Folge derer der Hausmeister den Bewohner zweimal am Hals würgt und ihn aufs Bett drückt. Nur durch das Eingreifen eines Mitbewohners gelingt es schließlich dem Angegriffenen, sich aus der Situation zu befreien.

    Das Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung und Körperverletzung wurde mit Hinweis auf den Privatklageweg durch die zuständige Staatsanwaltschaft Paderborn eingestellt.

LT DS NRW 16/5100;

Polizei Bielefeld 25.4.14

 

22. August 11

 

Oberhausen in Nordrhein-Westfalen. Die 39 Jahre alte Fidan S. aus Aserbaidschan erhält einen Anruf von der Ausländerbehörde, als sie gerade in der Praxis ihrer Hausärztin ist. Ihr wird mitgeteilt, daß ihre Duldung abgelaufen sei und sie jetzt mit ihren fünf und sieben Jahre alten Söhnen abgeschoben werden wird. In ihrer Verzweiflung will sie sich aus dem Fenster stürzen, was die Ärztin erfolgreich verhindern kann. Frau S. kommt umgehend in ein Krankenhaus, in dem ihre schweren Depressionen sechs Wochen lang stationär behandelt werden.

    Als sie zwei Wochen nach der Entlassung eine Vorladung zum Sozialpsychiatrischen Dienst erhält, wo ihre Reise- und Flugfähigkeit festgestellt werden sollen, äußert sie erneut die Absicht, sich und die Kinder umzubringen. Ein Freund veranlaßt daraufhin eine erneute Einweisung ins Krankenhaus.

    Fidan S., Ärztin von Beruf, war in die BRD geflüchtet, als sie in Aserbaidschan zwangsverheiratet werden sollte. Seit 2003 lebt sie in Oberhausen. In einem Flüchtlingsheim traf sie den späteren Vater ihrer beiden Söhne.

    Als dieser alkoholkrank und gewalttätig wurde und sie sich von ihm trennen wollte, gelang ihr dies nur, indem sie mit den Kindern zu einem Freund flüchtete.

    Sie hat große Angst vor einer Abschiebung, denn sie fürchtet um ihr Leben. Eine unverheiratete Frau mit zwei Kindern, die zudem noch bei einem Mann christlichen Glaubens untergekommen ist, verstößt gegen viele Regeln der in Aserbaidschan streng islamischen Gesellschaft.

    Ihre Anwältin hat einen Antrag bei der Härtefallkommission des Landes NRW eingereicht, um eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu erreichen.

WAZ 5.12.11;

Barbara Hoynacki - Journalistin

 

23. August 11

 

Bundesland Sachsen-Anhalt. Ein 45 Jahre alter chinesischer Flüchtling wird am Magdeburger Willy-Brandt-Platz von einer vierköpfigen Personengruppe attackiert.

    Es beginnt damit, daß eine Person ihm aus seiner Fahrradtasche eine Pfandflasche herausnimmt, und als er sein Eigentum zurückfordert, wird er rassistisch beschimpft und mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Weitere Schläge kann er abwehren – es gelingt ihm sogar, die Polizei zu rufen.

    Als eine Frau aus der Gruppe gegen sein Fahrrad tritt und der Flüchtling sie daraufhin wegschiebt, zieht ein Angreifer sein T-Shirt aus, um erneut auf ihn einzuschlagen. Auch jetzt versucht er sich zu wehren, aber letztlich greifen ihn alle vier Personen mit Schlägen und Tritten an und hören erst auf, als die Polizei eintrifft.

    Der Chinese erleidet zahlreiche Prellungen am ganzen Körper und verliert durch den Angriff zwei Zähne.

Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt

 

23. August 11

 

Der 17 Jahre alte afghanische Flüchtling Ehsan Jafari wird aus Saarbrücken im Rahmen des Dublin-II-Abkommens nach Mailand ausgeflogen. Dies ist seine zweite Rückführung, denn zuvor war er bereits aus der Schweiz, wo er einen Asylantrag gestellt hatte, nach Mailand zurückgeschoben worden.

    Nach seiner Ankunft aus der BRD werden ihm von der Mailänder Polizei die Fingerabdrücke genommen – dann wird er auf die Straße entlassen. Auch bei kirchlichen Sozialstationen findet er kein Obdach – sogar seine Hilfeersuchen bei der Polizei sind erfolglos. In seiner Not fährt er nach Rom, aber auch hier wird der Jugendliche nur von einer Stelle zur anderen geschickt, bis er nach einer ergebnislosen Odyssee beschließt, über Frankreich wieder in die Bundesrepublik zurückzufahren.

    Von hier aus erfolgt am 19. Dezember 11 seine dritte Rückschiebung nach Mailand. Am Flughafen bekommt er von einem Vertreter der Caritas einen Hygienebeutel, in dem eine Schlafmaske, Ohrenstöpsel, ein Taschentuch, Zahnpasta, eine Zahnbürste und ein Kugelschreiber sind – eine Unterkunft bekommt der 17-Jährige hier wieder nicht. Nach einer Nacht, die ihm noch in der Flughafenhalle erlaubt wird, beginnt er erneut bei verschiedenen Hilfsorganisationen nach einer Unterkunft nachzufragen – ohne Erfolg. Nicht einmal die Polizei sieht sich in der Lage, dem Jugendlichen mitten im Winter eine Unterkunft zu vermitteln. Aus dieser Notlage heraus fährt Ehsan Jafari über Frankreich zurück ins Saarland, wo er am 21./22. Januar 12 eintrifft.

    Zwei Tage vor der auf den 10. August 12 festgelegten vierten Rückschiebung nach Italien wird der inzwischen 18-Jährige in einer Saarbrücker Kirchengemeinde ins Kirchenasyl genommen. Als das Asylbegehren im Oktober von der Bundesrepublik angenommen wird, kann Ehsan Jafari das Kirchenasyl wieder verlassen. Er ist durch die Erlebnisse traumatisiert.

taz 2.1.12; sr 9.8.12;

Aufruf: Ehsan muß bleiben 28.8.12; sr 11.10.12;

Bernhard Dahm – Rechtsanwalt

 

26. August 11

 

Neustadt im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge im Bundesland Sachsen. Am späten Abend brennt ein Wohnblock des Flüchtlingsheimes im Ortsteil Langburkersdorf nieder. Die 48 BewohnerInnen können rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden. Ein 25 Jahre alter Bewohner kommt mit dem Verdacht auf eine Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus.

    Erst nach vielen Stunden gelingt es den 70 Feuerwehrleuten, den Brand zu löschen. Die dritte Etage ist völlig ausgebrannt, das Dach eingestürzt und die zweite Etage durch den Rauch und die Löschspuren nicht mehr bewohnbar.

Die BewohnerInnen werden vorübergehend im Sportforum Neustadt untergebracht.

    Als Ursache des Brandes wird ein defekter Fernseher ermittelt. Der Gesamtschaden wird auf 900.000 Euro geschätzt.

dapd 26.8.11; Focus 26.8.11;

NWZ 27.8.11; FP 29.8.11

 

27. August 11

 

Bundesland Nordrhein-Westfalen. Im Eingangsbereich des Kölner Flüchtlingsheimes in der Potsdamer Straße brennt um 6.40 Uhr ein Kinderwagen, und es entsteht eine sehr starke Rauchentwicklung. Drei Roma aus dem Kosovo erleiden Verletzungen: zwei Personen kommen mit einer Rauchgasvergiftung und eine Person mit einer Hüftverletzung ins Krankenhaus.

    Die meisten der 49 zur Zeit im Heim anwesenden BewohnerInnen können sich selbst durch die Fenster des niedrigen Hauses retten. Vier Personen werden über Feuerwehrleitern ins Freie gebracht.

    Obwohl die Polizei von Brandstiftung ausgeht, wird eine politische Motivation für die Brandstiftung ausgeschlossen.

Polizei Köln 28.8.11;

Die Welt 28.8.11;

Polizei Köln 29.8.11

 

30. August 11

 

Wolmirstedt im Bundesland Sachsen-Anhalt. Kurz nach Mitternacht wird der 31 Jahre alte geduldete Flüchtling Arman G. aus Aserbaidschan von dem 52-jährigen Roland B. in dessen Haus erschossen.

    Der Täter, Unternehmer und passionierter Jäger, gibt an, daß er sein Opfer einige Stunden zuvor in einem Döner-Imbiß kennengelernt habe. Sie seien dann zu ihm nach Hause gegangen und hätten Alkohol getrunken. Weil Arman G. sich ihm gegenüber mit homosexuellen Absichten genähert habe, habe er zur Schrotflinte gegriffen und geschossen. Dieser Schuß hat Arman G. die Brust zerfetzt.

    Roland B. hatte 2009 für die CDU als Stadtrat kandidiert, und er hatte vor zwei Jahren bei einem sogenannten Handwerkerpokal eine Urkunde mit dem Titel "Dem besten Schützen" erhalten.

Polizei Sachsen-Anhalt 30.8.11;

VM 31.8.11;

mdr – Sachsen-Anhalt 31.8.11;

 

1. September 11

 

Bundesland Sachsen. Nach einem Matratzenbrand in der Flüchtlingsunterkunft am Adalbert-Stifter-Weg werden drei Personen mit Verdacht auf eine Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus gebracht.

    Am 3. September brennen erneut Matratzen – zunächst gegen 21.00 Uhr und dann gegen Mitternacht. Die Polizei nimmt einen 25 Jahre alten tunesischen Flüchtling unter dem Verdacht auf Brandstiftung in Haft.

    Auf Nachfragen bei der Polizei Chemnitz erklärt ein Mitarbeiter, daß die Brandstifter aus dem Kreise der Asylbewerber kommen "müssen", denn die Erstaufnahme-Einrichtung sei ja von der Außenwelt "hermetisch abgeschlossen".

dapd 5.9.11; FP 5.9.11;

Antirassistische Initiative Berlin

 

9. September 11

 

Abschiebegefängnis Köpenick in Berlin. Um 16.40 Uhr versucht sich ein 31 Jahre alter Kurde mit seiner Hose an seinem Bett zu strangulieren. Mitarbeitern des Gefängnisses gelingt es, ihn unverletzt zu bergen.

    Er kommt in ein Krankenhaus und wird dort polizeiärztlich untersucht. Er kommt dann nicht in die Abschiebehaft zurück.

    Der Mann aus dem türkisch-irakischen Grenzgebiet war Ende August inhaftiert worden. Aufgrund seiner zerbrochenen Familie und der drohenden Abschiebung war er so verzweifelt, daß er einen Hunger- und Durststreik begonnen hatte. Er mußte deshalb schon einmal ins Krankenhaus gebracht werden, wo er Flüssigkeitsinfusionen bekam.

Polizei Berlin 10.9.11;

Jesuiten-Flüchtlingsdienst;

BT DS 17/10597;

Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/11577

 

12. September 11

 

Flughafen Frankfurt am Main. Eine 18-jährige staatenlose Frau, die im siebten Monat schwanger ist, wird nach zwei Monaten Abschiebehaft ohne Gepäck im Rahmen des Dublin-II-Abkommens nach Rom ausgeflogen.

    Sie selbst gibt an, daß ihr nigerianischer Ehemann einen Aufenthaltstitel hat und in Konstanz lebt.

Abschiebungsbeobachtung FFM 2010-2011

 

15. September 11

 

Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Ein 46 Jahre alter serbischer Gefangener fügt sich mit einer Rasierklinge Schnittverletzungen am rechten Arm zu.

Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/11577

 

17. September 11

 

Flüchtlingslager Gerstungen im Bundesland Thüringen. In seinem Zimmer Nr. 213 stirbt der 37 Jahre alte Michael Kelly aus Liberia an einer Lungenentzündung. Da der an der fortgeschrittenen Immunschwächekrankheit AIDS leidende Mann sich bei seinem Nachbarn mit der Äußerung verabschiedet hat, er wolle in ein anderes Land gehen, fällt seine Abwesenheit den MitbewohnerInnen zunächst nicht auf. Erst als sich ein starker Verwesungsgeruch entwickelt und eine Heimangestellte am Vormittag des 20. September das Zimmer mit einem Generalschlüssel öffnet, wird der Tote gefunden.

    Den Vorwürfen von MitbewohnerInnen, daß Michael Kelly über 10 Tage tot in seinem Zimmer gelegen habe, widerspricht ein Betreuer, der noch am 16. September neu eingesetzte Fenster in Herrn Kellys Zimmer kontrollierte: "Michael lag auf seinem Bett. Ich habe ihn dann angestoßen, und er hat ein bißchen gestöhnt." Danach habe der Heimangestellte das Zimmer wieder verlassen.

    Michael Kelly war erst einige Monate im Flüchtlingslager Gerstungen. Als er wegen seines schlechten Gesundheitszustandes zu einem Arzt ging, überwies dieser ihn umgehend in das Universitätsklinikum Jena, wo vom 19. Juni bis zum 7. Juli eine medikamentelle Therapie begonnen wurde. Nach dem Krankenhaus-Aufenthalt ging es ihm gesundheitlich besser, und er mußte zurück ins Flüchtlingsheim.

    Die hygienischen Zustände in diesem Heim, das in einer heruntergekommenen Kaserne eingerichtet ist, sind katastrophal: eine Gemeinschaftsküche, je ein Bad für Männer und Frauen auf einer Etage. Wände und Decken sind voller Schimmel, viele Menschen und vor allem die Kinder leiden unter Asthma und Hautausschlägen. 77 Flüchtlinge leben hier zum Teil seit zehn Jahren.

    Bereits vor neun Jahren hatte Michael Kelly das erste Mal in der BRD Asyl beantragt. Seinem Zimmernachbarn erzählte er, daß er einige Zeit in Spanien mit seiner Frau und seiner Tochter gelebt habe. Seine tatsächliche Identität bleibt unklar, als in seinen Habseligkeiten ein nigerianischer Paß gefunden wird, er jedoch als Herkunftsland Liberia angegeben hatte.

Karawane 5.10.11;

 FRat Thür 6.10.11;

Südthüringen.de 7.10.11;

TA 7.10.11; OtZ 15.10.11;

TA 15.10.11; JBW 20.10.11;

Landratsamt Wartburgkreis 25.10.11;

The Voice; Cicero 1.12.11

 

21. September 11

 

Villingen-Schwenningen im Bundesland Baden-Württemberg. Um 2.00 Uhr nachts wird der 18-jährige Flüchtling Sidar Ebrima Damba aus dem Bett geklingelt und in Handschellen zum Flughafen Frankfurt am Main gefahren. Erst kurz vor dem Betreten des Flugzeuges teilen ihm die Beamten mit, daß die Bundesrepublik nicht bereit sei, ein Asylverfahren durchzuführen, und er umgehend nach Italien zurückgeschoben wird. Aufgrund dieses rechtswidrigen Vorgehens des Bundesamtes besteht keinerlei Chance, gegen die Abschiebung Rechtsmittel einzulegen, und der Jugendliche wird nach Rom abgeschoben.

    Sidar Ebrima Damba mußte als 14-Jähriger aus dem Süd-Sudan fliehen, nachdem seine Eltern im Bürgerkrieg ermordet worden waren und er selbst gefangen genommen war und Hinrichtungen mit anschauen mußte.

    Über das Mittelmeer kam er über Italien in die Schweiz, wo sein Asylantrag abgelehnt wurde. Als er – entsprechend dem Dublin-II-Abkommen – nach Italien zurückgeschoben werden sollte, war er vor circa einem Jahr in die Bundesrepublik weitergeflüchtet. Auch hier stellte er einen Antrag auf Asyl.

    Er ist aufgrund seiner Erlebnisse im Süd-Sudan und auf der Flucht schwer traumatisiert, lebte in Villingen-Schwenningen in einer betreuten Jugendeinrichtung und wurde bei Refugio seit langem psychotherapeutisch behandelt. Atteste über seine Traumatisierung liegen dem Bundesamt seit 1. März vor. Der Erfolg seiner Trauma-Behandlung ist durch den behördlichen Gewaltakt der Abschiebung in Frage gestellt.

    Nach der Landung in Rom sitzt Sidar Ebrima Damba zweieinhalb Tage auf dem Flughafen, bis es ihm gelingt, sich bei den Behörden zu melden. Hier wird ihm mitgeteilt, daß er innerhalb von sieben Tagen Italien in Richtung Herkunftsland zu verlassen habe.

    Allein durch die Hilfe von UnterstützerInnen gelingt ihm der Rückweg nach Villingen-Schwenningen, wo er zu seinem Schutz zunächst in der Paulus-Gemeinde Kirchenasyl bekommt. Am 20. Oktober entscheidet das Verwaltungsgericht Freiburg über den Antrag des Rechtsanwalts vom 28. September auf vorläufigen Rechtsschutz positiv, so daß die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung angeordnet wird. Damit erhält Sidar Ebrima Damba eine Duldung und kann seine Therapie fortsetzen.

Refugio Villingen-Schwenningen;

SchwT 24.9.11; SK 4.10.11;

SWP 6.10.11;

Schwarzwälder Bote 18.10.11;

Ullrich Hahn – Rechtsanwalt

 

22. September 11

 

Flughafen Frankfurt am Main. Ein 29 Jahre alter Flüchtling aus Somalia versucht, sich auf der Toilette mit seinem Gürtel zu strangulieren. Bundespolizisten können dies verhindern.

    Die Abschiebung wird abgebrochen. Er sollte entsprechend dem Dublin-II-Abkommen nach Rom abgeschoben werden.

Spiegel 25.7.12;

Abschiebungsbeobachtung FFM 2010-2011

 

25. September 11

 

Plauen im Bundesland Sachsen. In der Nähe der "Alten Kaffeerösterei" wird in der Nacht ein 21 Jahre alter Mann aus Tunesien auf seinem Weg zum Flüchtlingsheim von mindestens vier Unbekannten niedergeschlagen und ausgeraubt. Die Täter werden nicht ermittelt.

FrP 19.10.11;

Antifaschischische Gruppen des Vogtlandes 19.10.11;

FP 31.10.11

 

27. September 11

 

Flughafen Frankfurt am Main. Ein Mann soll mit seinen vier Kindern, aber ohne die Mutter nach Belgrad abgeschoben werden. Alle Kinder sind in Deutschland geboren. Unmittelbar vor dem Start der Maschine wird die Abschiebung vom Verwaltungsgericht Hannover gestoppt.

Abschiebungsbeobachtung FFM 2010-2011

 

29. September 11

 

Bundesland Nordrhein-Westfalen. Gegen 8.50 Uhr kommt es im Keller des Kölner Flüchtlingsheimes in der Siegburger Straße zu einer starken Rauchentwicklung. Die Feuerwehr ermittelt als Ursache einen technischen Defekt an einem Wäschetrockner. Verletzt wird niemand.

Polizei Köln 29.9.11

 

3. Oktober 11

 

Bundesland Nordrhein-Westfalen. Um 1.30 Uhr kommt es zu einem Feuer im Sanitärbereich des Flüchtlingsheimes in der Voßbuschstraße in Duisburg-Baerl. Die Brandursache ist zunächst ungeklärt – Personen kommen nicht zu Schaden.

Polizei Duisburg 3.10.11

 

4. Oktober 11

 

Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Ein 20 Jahre alter Abschiebegefangener trinkt in Selbstverletzungsabsicht Schampoo.

Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/11577

 

4. Oktober 11

 

Flughafen Frankfurt am Main. Ein 29 Jahre alter Tunesier wird gemäß der Dublin-II-Verordnung in Begleitung von Polizisten und eines Arztes nach Rom zurückgeschoben. Der Mann hatte sich in der JVA Mannheim, wo er in Abschiebehaft saß, mit einer Rasierklinge Schnittverletzungen am Bauch und am Arm zugefügt. Diese waren noch vor dem Transport nach Frankfurt ärztlich versorgt worden.

Abschiebungsbeobachtung FFM 2010-2011

 

5. Oktober 11

 

Flughafen Frankfurt am Main. Ein armenischer Mann wird mit drei Kindern in Begleitung von neun Polizeibeamten und einem Arzt ohne die Mutter nach Eriwan abgeschoben.

    Als die Familie abgeholt wurde, war die Mutter nicht vor Ort gewesen.

Abschiebungsbeobachtung FFM 2010-2011

 

6. Oktober 11

 

Bundesland Niedersachsen. Als der 37 Jahre alte Nehad K. bei der Celler Ausländerbehörde um die Erlaubnis bittet, zu seiner Frau und seinen vier Kindern umziehen zu dürfen, wird er festgenommen und kommt umgehend in Abschiebehaft nach Hannover-Langenhagen. Sechs Tage später sitzt der Rom aus dem Kosovo im Flugzeug und wird nach Serbien abgeschoben. Damit ist die Familie getrennt.

    Vor knapp 20 Jahren war Nehad K. in die BRD gekommen. Den serbischen Ausweis hatte er vor sieben Jahren im serbischen Konsulat in Hamburg ausgestellt bekommen.

    Weil er seine Frau nicht standesamtlich heiraten konnte, wurden ihre Aufenthaltsangelegenheiten getrennt behandelt, so daß seine Frau und die Kinder inzwischen dauerhafte Aufenthalte haben und in einem anderen Ort leben. Obwohl sich seine Frau wegen einer anderen Beziehung vor längerer Zeit von ihm trennte, hatte Nehad K. weiterhin den Kontakt zu den Kindern gepflegt und sich auch finanziell um ihre Unterstützung gekümmert.

FRat NieSa 17.10.11

 

7. Oktober 11

 

Bundesland Niedersachsen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entscheidet, daß die Zuständigkeit für das Asylverfahren des somalischen Flüchtlings Abdirisaaq M. von der Bundesrepublik übernommen wird. Damit kann der 19-jährige Somalier das Kirchenasyl in der Fabian- und Sebastian-Kirchengemeinde Beverstedt nach 39 Tagen verlassen. Seine Rückschiebung nach Malta war behördlicherseits für den 30. August geplant worden.

    Abdirisaaq M. war im Jahre 2007 als 15-Jähriger aus Somalia geflohen, nachdem er von islamistischen Rebellen entführt und aufgefordert worden war, für sie bewaffnet zu kämpfen. Ihm gelang der Fußweg durch die Wüste bis nach Libyen. Dort wurde er von Soldaten festgenommen und ein Jahr lang als "Illegaler" unter katastrophalen Bedingungen in einem Gefängnis gefangen gehalten. Nach der Freilassung lebte er auf der Straße. Durch Geldspenden von UnterstützerInnen konnte er sich eine Überfahrt nach Malta kaufen. Im Februar 2009 fuhr er – zusammen mit 250 anderen Flüchtlingen – über das Mittelmeer. Es war eiskalt, es gab wenig zu essen und zu trinken. Zehn Personen starben auf der Überfahrt.

    In Malta erfolgte die Festnahme aller Flüchtlinge, die in ein großes Gefängnis gebracht wurden. Die Lebensverhältnisse für die Menschen waren auch hier katastrophal: 90 Personen in einem Raum, zu wenig Geschirr, zu wenig sanitäre Anlagen, zu wenig medizinische Versorgung.

    Erst neun Monate später erfolgte die "Entlassung" in Flüchtlingscamps, deren Verlassen aufgrund der Übergriffe des rassistischen Mobs von Malta lebensgefährlich war.

Im "Hanga-Camp" gab es für 1500 Flüchtlinge nur eine Küche und eine sanitäre Anlage – ähnlich war es in einem Zelt-Camp, in das Abdirisaaq M. anschließend kam. Als er einmal mit einem Freund das Lager verlassen hatte, wurden sie von einem PKW verfolgt – sein Freund wurde überfahren und starb in seinen Armen.

    Nachdem seine Mutter ihm 200 Euro schicken konnte, die sie durch den Verkauf ihres Wohnhauses bekam, entschloß Abdirisaaq M. sich sofort, Malta zu verlassen. Er kam nach Schweden und stellte einen Asylantrag, der abgelehnt wurde. Um der Abschiebung zu entgehen, flüchtete der inzwischen 18-Jährige nach Hamburg. Hier kam er zunächst in ein Kinderheim, dann in ein Lager nach Braunschweig und schließlich in das Hagener Flüchtlingsheim Grüner Weg 5.

    Ärztliche Gutachten belegen seine schwere Traumatisierung und Suizidalität.

Abdirisaaq M. – Fluchtprotokoll;

Pro Asyl 29.8.11;

FRat NieSa 12.10.11;

Fabian- und Sebastian-Kirchengemeinde Beverstedt

 

8. Oktober 11

 

Bundesland Bayern. Kurz nach ihrem Grenzübertritt aus Österreich versucht die 45 Jahre alte Afghanin Rosama Ghafari mit ihrer 7-jährigen Tochter Mohaddese auf der Raststätte Irschenberg bei der Polizei asylrechtlichen Schutz zu erhalten. Die Folge davon ist die Inhaftierung und Unterbringung in einer Pension in Rosenheim, die als Ersatzabschiebehaft gilt. Von hier aus bemühen sich die Behörden, Frau Ghafari und ihre Tochter nach Ungarn zurückzuschieben.

    Die gemeinsame Flucht der Eheleute mit ihren drei Kindern begann Mitte des Jahres 2010 und war zunächst bis nach Griechenland gelungen. Aufgrund der katastrophalen Verhältnisse für Flüchtlinge dort und der Schwierigkeiten, gemeinsam weiterzureisen, entschlossen sie sich, sich zu trennen. Der Ehemann ging in die Niederlande, dem 18-jährigen Ali Reza gelang Anfang des Jahres 2011 die Flucht in die Bundesrepublik.

    Frau Ghafari leidet unter Posttraumatischer Belastungsstörung und schwerem Diabetes mellitus – beides wurde in Griechenland nicht behandelt. Erst nach einem Jahr Aufenthalt gelang es auch Frau Ghafari mit ihren zwei minderjährigen

Kindern, der 7-jährigen Mohaddese und dem 14 Jahre alten Morteza, das Land zu verlassen. Sie kamen bis nach Ungarn und wurden in einem Ausreisezentrum untergebracht.

    Aus Angst vor der angedrohten Rückschiebung nach Griechenland machten sie sich auf den Weg nach Deutschland. Auf dem Weg wurde Morteza von Mutter und Schwester getrennt – er lebt zur Zeit in Österreich.

    Anstatt die Familie zusammenzuführen, bereiten die deutschen Behörden die Rückführung von Rosama Ghafari und Mohaddese nach Ungarn vor, von wo eine Weiterschiebung nach Griechenland vorgesehen ist.

    Erst als Frau Ghafari zusammenbricht und erst nach Vorlage weiterer ärztlicher und psychiatrischer Stellungnahmen erfolgt eine Untersuchung durch das Gesundheitsamt.

    Durch die Unterstützung des Migrationskreises und des bayerischen Flüchtlingsrats, die Petitionen sowohl an den Bayerischen Landtag als auch an den Deutschen Bundestag richten, kann erreicht werden, daß die Abschiebung von Mutter und Tochter nach Ungarn ausgesetzt wird und somit das Asylverfahren in der Bundesrepublik bearbeitet wird. Bis zu diesem Einlenken der Behörden ist fast ein halbes Jahr voller Ungewißheit und Angst für die Betroffenen vergangen.

    Ab Mitte Mai 2012 befindet sich auch der mittlerweile 15-jährige Morteza bei seiner Mutter und seinen Geschwistern. Allein der Vater bleibt vorerst in den Niederlanden und wartet hier auf seine Asylentscheidung.

FRat Bayern 20.10.11;

Ungarn 2012;

Pro Asyl Fluchtberichte;

FRat Bayern 30.5.12

 

13. Oktober 11

 

Bundesland Baden-Württemberg. Als die Polizei in der Flüchtlingsunterkunft von Sinsheim erscheint, springt die 35-jährige Bewohnerin aus Sierra Leone in Panik aus einem Fenster der 2. Etage. Mit schweren Verletzungen kommt sie ins Klinikum Ludwigshafen.

    Das rechte Fersenbein und ein Lendenwirbel sind gebrochen und müssen operativ versorgt werden. Nach vierwöchi

gem stationären Aufenthalt und insgesamt drei Operationen wird sie mit einer rechtsseitigen Lähmung des Fußes entlassen. Ihre Unterbringung erfolgt zunächst in einem Altersheim in Heidelberg. Rehabilitationsmaßnahmen erhält sie hier nicht, obwohl sie sich nur mühselig mit Krücken und einem Spezialschuh fortbewegen kann. Ihr wird mitgeteilt, daß sie nach sechs Wochen Aufenthalt wieder in die Flüchtlingsunterkunft nach Sinsheim zurück muß.

    Im Dezember bekommt sie endlich die notwendigen orthopädischen, physiotherapeutischen und psychologischen Nachbehandlungen.

    Die alleinstehende Frau, die seit sieben Jahren in der Bundesrepublik lebt, war vor kurzem zu einer Anhörung in die nigerianische Botschaft vorgeladen worden.

FRat BaWü;

Südwest Presse 4.2.12

 

14. Oktober 11

 

Plauen im Bundesland Sachsen. Gegen Mittag werden drei Bewohner des örtlichen Flüchtlingsheimes im Eingangsbereich des im Stadtkern liegenden Einkaufszentrums "Stadt-Galerie" von Angehörigen des dort tätigen Sicherheitsdienstes bedroht und körperlich angegriffen. Dabei werden ein 23 Jahre alter Libyer, ein 26-jähriger Mazedonier und ein 30 Jahre alter Tunesier teils erheblich verletzt. Die gerufene Polizei weigert sich zunächst, die Täter zu identifizieren.

    Kurz darauf wird ein albanischer Asylbewerber hinter der "Stadt-Galerie" von mehreren Personen mit einem Metallstuhl niedergeschlagen und erleidet erhebliche Kopfverletzungen.

    An diesem Tag geschieht es auch, daß zwei Flüchtlinge von einem Auto verfolgt und dann von den Insassen mit Eisenketten bedroht werden. Ihnen gelingt die Flucht vor den Angreifern.

    Als am Abend circa 20 Flüchtlingen der Zutritt zu der auch in Stadtmitte liegenden Diskothek "Number One" von Türstehern verwehrt wird, entsteht aus einer zunächst verbalen Auseinandersetzung eine Schlägerei. Nach Einschätzung einiger ZeugInnen sind die Flüchtlinge offensichtlich von den Türstehern und deren Sympathisanten erwartet worden, denn diese tragen Messer, Baseballschläger und Fahrradketten bei sich.

    Als auch die Flüchtlinge zu Steinen und Knüppeln greifen, gehen viele Scheiben der Diskothek zu Bruch. Schließlich verlassen die Asylbewerber den Ort fluchtartig. Nach einer polizeilichen Fahndung werden ein 30-jähriger Libyer, ein 23 Jahre alter Tunesier und ein 28-jähriger Algerier von der Polizei festgenommen.

    Ein 26 Jahre alter Tunesier muß seine Verletzungen eine Woche lang im Krankenhaus behandeln lassen. Auch der 23-jährige Libyer, der bereits am Vormittag angegriffen, verletzt und ambulant versorgt worden war, kommt mit einer Kopfverletzung ins Krankenhaus – und wird erst nach vier Tagen wieder entlassen.

    Am nächsten Tag durchsuchen Beamte Bereiche des Flüchtlingsheimes in der Kasernenstraße. Dabei werden Privaträume geöffnet und sämtliche anwesende BewohnerInnen fotografiert.

    Nach Ermittlungen der Polizei ist einer der drei Sicherheitsleute, die am Mittag die Flüchtlinge verfolgten und angriffen, auch in der Diskothek "Number One" tätig.

    In der Vergangenheit war es schon mehrmals zu rassistischen Ausschreitungen von Angehörigen des Sicherheitsdienstes C.O.P.S. gekommen, der nicht nur für die Diskothek "Number One" und die mittlerweile geschlossene Diskothek "Price", sondern auch für die "Stadt-Galerie" zuständig ist. In den letzten Wochen war immer häufiger "ausländisch" aussehenden Menschen der Zutritt zur Diskothek verwehrt worden.

    Nach der abendlichen Schlägerei erklärt der Besitzer des Tanzlokals, Uwe Seidel, daß ab jetzt, also als Reaktion auf den "Angriff" der Asylbewerber, allen (!) Ausländern der Zugang zur Diskothek verwehrt wird. Seine Begründung laut Lokalpresse: "Aus dem Ausland stammende Besucher hätten Gäste bestohlen, Schlägereien angezettelt oder Frauen belästigt."

    Es wird bekannt, daß nicht nur sein Security-Dienst, sondern auch er selbst deutliche Nähe zur örtlichen NPD haben. Die "Number One Spielautomaten GmbH" befindet sich am Klostermarkt nicht nur im selben Gebäude, in dem auch das lokale "Bürgerbüro" der NPD ist, sondern sie ist offensichtlich auch Eigentümerin des Hauses.

    Nach öffentlicher Kritik an dem von Uwe Seidel erlassenen Einlaßverbot für alle Ausländer nimmt er diese rassistische Sanktion teilweise zurück.

    Gegen die drei festgenommenen Flüchtlinge wird ein Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs eröffnet.

    Drei Monate nach den rassistischen Angriffen sind die polizeilichen Ermittlungsergebnisse abgeschlossen und liegen der Staatsanwaltschaft Zwickau vor. Jedoch ist inzwischen einer der Geschädigten abgeschoben, einer wurde in ein anderes Lager umverteilt und dem Dritten, dem 23-jährigen Libyer, droht die Rückschiebung nach Italien.

    Obwohl zwei der Täter einen rechtsradikalen Hintergrund haben und "einschlägig, also wegen Körperverletzung vorbestraft" sind, wie die Sprecherin der Staatsanwaltschaft mitteilt, gebe es durch die Rückschiebung des libyschen Opfers keinen "Beweisverlust", da er seine Aussage bei der Polizei bereits

gemacht habe. Am 16. Januar 12 wird sein Eilantrag bzgl. der Durchführung des Asylverfahrens in der BRD vom Verwaltungsgericht Chemnitz abgelehnt.

    Am 16. August 12 wird der Prozeß gegen die zwei Rechtsextremisten vor dem Amtsgericht Plauen ausgesetzt, weil einer der beiden Hauptangeklagten im Zuge einer Razzia in der Rockerszene zwei Tage zuvor festgenommen wurde und aus der JVA Leipzig nicht so schnell nach Plauen gebracht werden kann.

    Der Prozeß soll am 8. November fortgesetzt werden.

mdr-Sachsen 15.10.11; FP 15.10.11; FP 16.10.11;

RAA Chemnitz 18.10.11; FP 18.10.11;

Antifaschistische Gruppen des Vogtlands 19.10.11;

FrP 19.10.11; FP 24.10.11; Elsterpiraten 26.10.11;

Antifaschistische Gruppen des Vogtlands 27.10.11.;

FP 31.10.11; JWB 10.11.11;

RAA Sachsen 17.1.12;

taz 27.1.12;

t-online.de 16.8.12

 

18. Oktober 11

 

In der Hamburger JVA Billwerder bricht um ca. 1.30 Uhr ein vietnamesischer Abschiebegefangener den Borstenkopf seiner Zahnbürste ab und rammt sich den aufgesplitterten spitzen Stiel mit voller Wucht in den Bauch. Ein Rettungswagen bringt den 25-Jährigen unter Polizeibegleitung in das Krankenhaus nach St. Georg.

    Nach medizinischer Behandlung der Stichverletzung kommt er zurück in die JVA. Seine Abschiebung, die für heute geplant ist, wird aufgrund der Selbstverletzung zunächst verschoben.

    Der Gefangene, dessen Asylantrag bereits im September abgelehnt wurde, war am 6. Mai festgenommen worden und saß nach einer Verbüßung von zwei Ersatzfreiheitsstrafen wegen Diebstahls und Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz seit 11. September in Abschiebehaft.

Bergedorfer Ztg 18.10.11;

HM 18.10.11;

Hamburgische Bürgerschaft DS 20/1914;

BT DS 17/10597

 

21. Oktober 11

 

Bundesland Schleswig-Holstein. Gegen 1.00 Uhr legt ein 36 Jahre alter Gefangener aus Algerien in seiner Zelle der JVA Neumünster in selbsttötender Absicht Feuer. Da sich die Zellentür durch den Brand verzieht und verklemmt, scheitern die Versuche der Gefängnisbeamten, die Tür zu öffnen. Dies gelingt erst den später eintreffenden Rettungskräften der Feuerwehr – ein Notarzt kann jetzt nur noch den Tod des Gefangenen feststellen.

    Die Zeugenaussagen der Gefangenen aus den Nachbarzellen, daß der Algerier um Hilfe schrie, woraufhin sie Feueralarm auslösten, die Beamten jedoch erst 10 Minuten später kamen, werden von der Gefängnisleitung vehement bestritten. Auch die Suizid-Äußerungen, die die Mitgefangenen kennen, sind der Gefängnisleitung unbekannt.

    Der Algerier hatte bereits versucht, in Dänemark, Finnland und Norwegen Asyl zu bekommen. In der BRD erfolgte seine Festnahme durch die Bundespolizei, und er war zunächst in Abschiebehaft gekommen.

    Als später festgestellt wurde, daß er auf der britischen Fahndungsliste steht, war er in Auslieferungshaft in die JVA Neumünster gebracht worden.

SHZ 21.10.11; ndr 21.10.11; KN 21.10.11;

Welt 22.10.11; jW 22.10.11;

taz 9.11.11; Barmstedter Ztg 11.11.11;

FRat SH 15.12.11

 

25. Oktober 11

 

Bundesland Nordrhein-Westfalen. Der 42 Jahre alte Asylbewerber Mete Tuncer wird aufgrund eines Auslieferungsbegehrens der Türkei in Recklinghausen verhaftet und in die JVA Bochum in Isolationshaft genommen.

    Wegen seiner politischen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Türkiye İhtilalci Komünistler Birliği (TIKB – Kommunistischer Bund) saß Mete Tuncer bereits elf Jahre in der Türkei im Gefängnis. Da sein Verfahren über 10 Jahre andauerte und er noch nicht rechtskräftig verurteilt war, kam er im März 2009 vorläufig frei. Im Mai 2010 verurteilte die Justiz ihn zu einer lebenslangen Haft – im September gelang ihm die Flucht in die Bundesrepublik. Hier stellte er einen Asylantrag, der heute noch nicht entschieden ist. Durch Folter und die jahrelange Haft hat er heute schwerwiegende gesundheitliche Probleme. Er kann sich zum Beispiel nicht in geschlossenen Räumen aufhalten.

    In der JVA Bochum beginnt er umgehend einen Hungerstreik gegen die Inhaftierung, aber auch gegen die Haftbedingungen, denn er befindet sich in einer kleinen Zelle, in der nur ein Betonbett steht und sich ein Wasserhahn befindet. An die frische Luft darf er nicht. Er wird wegen Suizidalität 24 Stunden täglich von einer Kamera überwacht. Radio, Bücher oder Zeitungen gibt es nicht.

    Am 3. November wird Mete Tuncer für die Zeit des Auslieferungsverfahrens freigelassen.

indymedia.de 26.10.11;

Komunya 31.10.11;

metetuncer.tk 2.11.11;

metetuncer.tk 3.11.11

 

25. Oktober 11

 

Bundesland Brandenburg – Landkreis Oberhavel. Im Flüchtlingslager Stolpe-Süd (Hennigsdorf) versucht der chinesische Flüchtling Hailong C. sich am Nachmittag umzubringen, indem er sich ein Messer in den Bauch rammt. Er kommt umgehend in das Krankenhaus Hennigsdorf zur Versorgung seiner Verletzungen – danach wird er in die psychiatrische Station verlegt.

    Seine Abschiebung vom Flughafen Tegel nach Peking ist für den nächsten Tag um 19.30 Uhr mit dem Flug AB 5810/HU490 von AirBerlin in Kooperation mit Hainan Airlines gebucht.

    Hailong C. ist seit über 12 Jahren in der Bundesrepublik und muß seitdem im Flüchtlingsheim Stolpe-Süd leben. Jahrelang hatte die Ausländerbehörde seinen von ihm angegebenen Namen als "erfunden" bezeichnet. Mit der Begründung der falsch angegebenen Identität wurden ihm dann auch die Aufenthaltsgenehmigung und eine Arbeitserlaubnis verweigert. Jetzt sollte die Abschiebung mit Reisedokumenten erfolgen, die auf genau diesen Namen ausgestellt wurden.

    Im Februar 2013 ist Hailong C. immer noch akut von Abschiebung bedroht. Die Ausländerbehörde hat ihm zwar inzwischen eine Psychotherapie genehmigt, die Kosten für eine Übersetzerin oder einen Übersetzer während der Therapiestunden übernimmt sie jedoch nicht.

FRat Brbg 25.10.11;

MOZ 25.10.11; ND 26.10.11;

MAZ 10.11.11;

FRat Brbg

 

26. Oktober 11

 

Hamburg. Um 4.20 Uhr werden die 65-jährige Jowanka S. und ihr 62 Jahre alter Mann Stanisa S. von MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde, der Polizei, des Hauptzollamtes Hamburg

Hafen, eines privaten Ordnungsdienstes, von einem Arzt und einem Dolmetscher aus dem Schlaf geholt und aus ihrer Unterkunft am Billsteig abgeführt. Sie werden dann über den Flughafen Berlin-Tegel nach Serbien abgeschoben. Damit enden die vielen Versuche des Ehepaares, in Deutschland ein Bleiberecht zu bekommen. Sie hatten es erstmals im Jahre 1989 versucht.

    Jowanka S. leidet an verschiedenen Stoffwechselkrankheiten (Diabetes mellitus, Fettstoffwechsel) und an Bluthochdruck und wurde wegen starker Unterleibsschmerzen in der letzten Zeit dreimal operiert, ohne daß die Ursache der Schmerzen gefunden werden konnte. Zudem wurden bei ihr depressive Störungen diagnostiziert. Aufgrund dieser Erkrankungen hatte sie bisher aus gesundheitlichen Gründen immer noch eine Duldungsverlängerung bekommen.

    Mit der Abschiebung des Ehepaares S. setzt der Hamburger SPD-Senat die Deportation von Roma-Flüchtlingen fort, die seit vielen Jahren in Hamburg leben. Dies geschieht, nachdem der Petitionsausschuß im Sommer die Anträge von elf Familien (über 50 Personen) negativ entschieden hatte – es geschieht trotz vielfältiger Protestaktionen und trotz des anstehenden Winters.

    Es ist bekannt, daß gerade die Roma in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens rassistischen Diskriminierungen und massiven Ausgrenzungen ausgesetzt sind. Sie müssen in den Wellblechhütten sogenannter Roma-Lager in absoluter Armut leben. Die Chance auf medizinische Versorgung oder eine bezahlte Arbeit ist für alte oder kranke Roma gleich Null.

FRat Hamburg 25.8.11; FRat Hamburg 24.10.11;

FRat Hamburg, AK Roma und Roma-UnterstützerInnen 26.10.11;

DIE LINKE 28.10.11;

Hamburgische Bürgerschaft DS 20/1985;

Cornelia Ganten-Lange - Rechtsanwältin

 

31. Oktober 11

 

Landkreis Schwandorf in Bayern. An der Bundesstraße 14 bei Wernberg-Köblitz am Abzweig Kettnitzmühler greifen Zollfahnder gegen 12.00 Uhr acht junge Männer aus Afghanistan auf, die angeben, daß sie mit einem weißen LKW hierher gekommen seien. Sie waren vier Tage lang ohne jegliche

Verpflegung in dem LKW eingesperrt gewesen, und erst als sie verzweifelt durch ständiges Klopfen auf sich aufmerksam machten, habe der LKW-Fahrer sie herausgelassen.

    Bei einer anschließend großangelegten Fahndungsaktion durch Zoll und Bundespolizei – auch unter Einsatz eines Hubschraubers – werden weitere vier Flüchtlinge gefunden.

    Zwei Jugendliche im Alter von 14 und 17 Jahren und ein 21-Jähriger sind in so schlechter körperlicher Verfassung, daß der herbeigerufene Notarzt sie mit Rettungswagen ins Klinikum Weiden bringen läßt.

    Die anderen Afghanen im Alter von 16 bis 29 Jahren werden zur Bundespolizei nach Waidhaus gebracht und vom Bayerischen Roten Kreuz mit Lebensmitteln und heißen Getränken versorgt. Auch hier muß der Notarzt noch vier Personen ambulant versorgen.

BPol Waidhaus 31.10.11;

MbZ 31.10.11;

BT DS 17/8704

 

Oktober 11

 

Bundesland Rheinland-Pfalz. Zwölf Monate nach der Geburt seines Kindes, bekommt ein abgelehnter Flüchtling aus Gambia die Erlaubnis, in Erfurt zu leben. Seit der Geburt des Kindes im November 2010 mußte er zwischen Rheinland-Pfalz und Thüringen hin- und herfahren, wenn er bei seiner deutschen Verlobten und ihrem gemeinsamen Kind sein wollte.

    Die Erlaubnis zur Wohnsitzveränderung beinhaltet allerdings die Auflage, daß er in Erfurt in einer Gemeinschafts

unterkunft für Flüchtlinge wohnen muß. Ein normales Familienleben ist damit immer noch nicht möglich.

FRat Thüringen Info Heft 51 1/2012

 

Oktober 11

 

Landkreis Leipzig im Bundesland Sachsen. In der Flüchtlingsunterkunft Hopfgarten verletzt sich ein ca. 30 Jahre alter Afrikaner und wird mit Schnittverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert.

Ausländerbeauftragter des Landes Sachsen Martin Gillo

 

2. November 11

Rückführungsbereich im Flughafen Frankfurt am Main. Auf Anordnung der Ausländerbehörde Eisenach soll eine 72-jährige Frau nach Frankreich rücküberführt werden. Sie hat einen unsicheren Gang, ihr rechter Mundwinkel hängt nach unten, "wie nach einem Schlaganfall", und sie macht einen sehr verwirrten Eindruck. Sie hat weder ärztliche Bescheinigungen noch ihr Adreßbuch dabei, denn als sie am Morgen aus ihrer Unterkunft abgeholt wurde, wo sie mit ihrer Tochter und ihrer Enkelin lebte, sei alles sehr schnell gegangen. Die Medikamente, die sie bei sich trägt, sind gegen Bluthochdruck und Asthma.

    Die Bundespolizei stoppt die Rückschiebung und begleitet die Frau in die Flughafenklinik. Später kommt sie zurück nach Eisenach.

    Auf Nachfragen erklärt das Innenministerium von Thüringen, daß der Ausländerbehörde keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Frau aufgefallen seien und solche auch nicht gemeldet wurden.

Abschiebungsbeobachtung FFM 2010-2011

 

3. November 11

 

Hamburg-Großborstel. Morgens um 7.00 Uhr erscheinen Polizeibeamte, Angehörige der Ausländerbehörde und ein Arzt in der Wohnung der Roma-Familie M. In einem Gefangenentransporter werden der 38 Jahre alte Tahir M., die 31-jährige Katerina D. und deren gemeinsame Kinder, der 7-jährige Dalibor und seine 15 Jahre alte Schwester Stana, zum Flughafen gebracht und von dort mit der Austrian Airlines über Wien nach Serbien ausgeflogen.

    Herr M. ist schwer herzkrank – er leidet unter Atemnot und Herzschmerzen. In einer lebensgefährlichen Notsituation wurde ihm im Februar des Jahres im Universitätsklinikum Eppendorf mit einem Stent die Hauptschlagader geweitet. Am 30. November sollte durch eine Untersuchung die Lage des Stents kontrolliert werden, was durch die Abschiebung nicht mehr möglich ist.

    Zudem leidet Herr M. laut Mitteilung seiner behandelnden Kardiologen unter einem "höchstgradig" gefährdenden Bluthochdruck, der schwer einstellbar ist. Er bedarf einer engmaschigen ärztlichen Kontrolle und der abgestimmten Verordnung verschiedener lebenswichtiger Medikamente. Seine Internistin schrieb: "Bei ausbleibender Medikamenteneinnahme ist Herr M. hochgradig gefährdet, einen Herzinfarkt zu erleiden."

    Im Hinblick auf die gesundheitlichen Gefahren rieten die behandelnden ÄrztInnen von einer "Reise" ab. Aufregung jeglicher Art könne lebensgefährlich werden.

    Im Abschieberaum der Bundespolizei am Hamburger Flughafen können die Anwältin, zwei Mitglieder des Hamburger Flüchtlingsrates und eine Abschiebebegleiterin der Nordelbischen Kirche von der Familie Abschied nehmen und mit ihr auf den Abflug warten. Auch ein Arzt, der im Auftrag der Ausländerbehörde mitfliegen soll, befindet sich in dem Raum. Er ist mit Medikamenten und medizinischem Kleingerät auf einen Notfall während des Fluges vorbereitet.

    Direkt nach der Abschiebung wird Herr M. noch am Belgrader Flughafen zweieinhalb Stunden lang von der Polizei vernommen, weil er keinen Paß hat.

    In Pirot – nahe der bulgarischen Grenze – findet die Familie Unterschlupf bei einer Tante. Hier leben jetzt 13 Personen in zwei Zimmern. Die Erwachsenen schlafen abwechselnd – es gibt viele Konflikte, weil es schlichtweg zu eng ist, und es stellt sich die Frage, wie lange die Tante die Gastfamilie noch duldet.

    Schon am Tag der Ankunft war Herr M. auf die Polizeiwache geholt und dort verhört worden. Dies wiederholt sich noch zwei Mal. Bei einem der Verhöre geht es Herrn M. extrem schlecht.

    Mit Schwierigkeiten gelingt es den Eltern, Dalibor in der Schule anzumelden – bei Stana klappt es nicht, sie wird nicht aufgenommen. Sozialhilfe bekommen sie nicht, weil sie ihre Anmeldung und Papiere erneuern müssen – das Geld für die Gebühren haben sie nicht

    Der Medikamenten-Vorrat, den die Hamburger Ausländerbehörde Herrn M. mitgegeben hat und der bis März 2012 ausreichen sollte, ist schon im Januar zu Ende. Die Familie bittet die UnterstützerInnen in Hamburg um Hilfe, diese lebenswichtigen Medikamente zu besorgen.

    Die Familie bekommt 105 Euro an Sozialhilfe und Kindergeld. Da das nicht ausreicht und er keine adäquate Arbeit findet, recycelt Tahir M. Gummi. Das heißt, er trennt mit einem Küchenmesser bei alten Autoreifen die Mäntel von den Felgen und verkauft das Gummi an die Reifenfabrik im Ort. Dafür bekommt er ca. 61 Euro im Monat. "Eine viel zu schwere körperliche Arbeit bei seiner Krankheit," kommentiert die Bremer Ärztin Dr. Andrea Vogel.

    Besucherinnen aus der Bundesrepublik erzählt die 81 Jahre alte Großmutter, daß ihr Mann 1941 im Alter von 17 Jahren von den deutschen Nazis abgeholt wurde. Er kam als Zwangsarbeiter zunächst ins serbische Bergwerk "Borski Rudnik" und später ins Straflager "Berlin Celle". Er wurde schwer gefoltert, mußte tagelang in kaltem Wasser stehen, aber er überlebte. Er starb an den Spätfolgen der Quälereien im Jahre 1992.

    2004 erhielt die Großmutter einen Scheck über 7000 Euro als "Entschädigung". Da dieser aber auf den Namen ihres verstorbenen Mannes ausgestellt war, konnte er nicht eingelöst werden. Auch das Einreichen aller nötigen Urkunden hat nicht dazu geführt, daß der Scheck auf den Namen seiner Frau umgewidmet und eingelöst werden konnte. Seit Jahren hat die Familie nichts mehr davon gehört.

FRat HH 3.11.11;

Roma in Hamburg 3.11.11;

Sigrid Töpfer – Rechtsanwältin;

Heft der Flüchtlingsräte Aug. 2013

 

17. November 11

 

Bundesland Bayern. Morgens um 6.30 Uhr wird ein minderjähriger unbegleiteter Flüchtling aus Afghanistan in seiner Unterkunft von der Polizei abgeholt. Nach einem Tag in der Männeranstalt der JVA Nürnberg erfolgt sein Transport mit angelegten Handschellen zur Afghanischen Botschaft nach Bonn. Dort wird er gezwungen, in Anwesenheit der Polizei einen Reisepaß zu beantragen.

    Zurück in Nürnberg bleibt er in Abschiebehaft. Erst durch die Intervention seines Rechtsanwalts wird er entlassen.

    Seit einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts vom 31. Mai 11, in dem festgelegt ist, daß "zumindest für junge männliche, ledige und gesunde Rückkehrer keine ex-treme Gefahrenlage für Leib, Leben und Freiheit besteht", wurde der Ausreisedruck deutlich erhöht. Unter anderem mit den erzwungenen Botschaftsvorführungen, durch Beendigung der Duldung und damit Streichung des Taschengeldes und der Krankenversicherung usw.

Alternativer Menschenrechtsbericht 2013

 

28. November 11

 

Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Aus Angst vor der Rückschiebung nach Polen fügt sich um 20.15 Uhr ein 31 Jahre alter Tschetschene aus Ursus-Martan Schnittverletzungen am Bauch und an den Armen zu.

    Nach ärztlicher Untersuchung und medizinischer Versorgung der Wunden bleibt der Gefangene in Haft.

    Trotz anwaltlichen Engagements kann die Rückschiebung nicht verhindert werden.

Polizei Berlin 29.11.11; BM 29.11.11;

ND 30.11.11; Jesuiten-Flüchtlingsdienst;

Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/11577

 

28. November 11

 

Eisenhüttenstadt im Bundesland Brandenburg. In einem Getränkemarkt in der Robert-Koch-Straße werden sechs kenianische AsylbewerberInnen.gegen 21.00 Uhr von zwei deutschen Männern und einer Fau beleidigt, bedroht und bespuckt. Die Angegriffenen alarmieren die Polizei, woraufhin die TäterInnen flüchten.

    Diese können von der Polizei ermittelt werden. Allerdings wird das Verfahren gegen sie eingestellt, da keine direkte Tatbeteiligung nachgewiesen werden kann, so die Frankfurter Staatsanwaltschaft.

BT DS 18/1399;

StA Frankfurt/Oder 23.7.14

 

29. November 11

 

Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Ein 31 Jahre alter Tschetschene aus Ursus-Martan verletzt sich, indem er seinen Kopf gegen die Gitter schlägt.

Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/11577

 

30. November 11

 

Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Ein 21 Jahre alter Algerier fügt sich mit einer zerbrochenen Rasierklinge eine Schnittverletzung am Oberschenkel zu.

Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/11577

 

1. Dezember 11

 

Frankfurt (Oder) im Bundesland Brandenburg. In der Karl-Marx-Straße wird ein 28 Jahre alter Flüchtling aus Sierra Leone um 15.30 Uhr von einem 38-jährigen Mann rassistisch beleidigt und dann geschlagen. Der Afrikaner kommt unverletzt davon.

    Am 5. Dezember spricht der Täter sein Opfer auf der Straße an und fragt, wieso vor vier Tagen die Polizei geholt wurde. Dann schlägt er dem Afrikaner unmittelbar ins Gesicht. Dieser wird dabei leicht verletzt.

    Die Polizei kann den Täter kurz darauf vorläufig festnehmen – es handelt sich um einen Mann polnischer Herkunft.

    Gegen den Polen wird wegen Beleidigung, Körperverletzung und wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt.

Welt 2.12.11;

Polizei Brandenburg 6.12.11;

BM 15.12.11; Opferperspektive

 

3. Dezember 11

 

Braunschweig im Bundesland Niedersachsen. Im Stadtteil Kralenriede wird gegen 17.00 Uhr ein 63 Jahre alter Flüchtling aus Serbien beim Überqueren des unbeschrankten Bahnübergangs am Steinriedendamm / Forststraße von dem Regionalzug aus Gifhorn erfaßt und acht Meter durch die Luft geschleudert. Rettungsversuche von Ärzten und Sanitätern vor Ort und im Krankenhaus bleiben erfolglos. Der Mann erliegt seinen schweren Verletzungen.

    Der Mann war – zusammen mit seinem 23-jährigen Sohn – auf dem Weg von der 300 Meter entfernt liegenden Flüchtlingsunterkunft in der Boeselagerstraße zu einem Supermarkt in der Ortsmitte unterwegs.

    Sowohl der Lokführer als auch sein Sohn erleiden einen Schock und müssen ärztlich behandelt werden.

    Die Flüchtlingsfamilie war erst am Vortag aus Dortmund kommend in der Landesaufnahmebehörde für Asylbewerber eingetroffen.

    Der Mann ist der zweite Flüchtling in diesem Jahr, der an diesen Gleisen stirbt. (siehe auch: 24. Februar 11)

    Die Bürgerinitiative Kralenriede fordert zum wiederholten Mal die Anbringung von Schranken und bis dahin Schritttempo für die Regionalzüge der eingleisigen Strecke an diesem Gleisübergang. Beides lehnt die Bahn, die für den gefährlichen Übergang verantwortlich ist, ab: Wegen der "umfangreichen Planungen" könnten Schranken erst Ende 2014 oder Anfang 2015 gebaut werden und eine Schrittgeschwindigkeitsbegrenzung für die Züge würde "keinen Sicherheitsgewinn" bringen.

Polizei Braunschweig 3.12.11;

newsclick 4.12.11; newsclick.de 6.12.11;

T-online 29.12.11

 

7. Dezember 11

 

Abschiebegefängnis Köpenick in Berlin. Gegen 17.40 Uhr fügt sich ein 31-jähriger Tschetsche aus Ursus-Martin durch Ritzen Hautverletzungen zu. Nach einer Erstversorgung der Verletzung durch Polizeiangestellte kommt der Mann zur kurzen ambulanten Behandlung ins Krankenhaus.

    Danach erfolgt seine Rückverlegung in die Abschiebehaft.

Polizei Berlin 8.12.11; BM 8.12.11;

Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/11577

 

7. Dezember 11

 

Bundesland Niedersachsen. Um 1.30 Uhr klingelt die Polizei in der Scholienstraße 44 in Otterndorf. Das Ehepaar Meta und seine sechs Kinder im Alter zwischen neun und zwanzig Jahren werden von ca. 20 Polizisten aus dem Schlaf gerissen und aufgefordert, die Koffer zu packen. Gegen Mittag befinden sie sich bereits am Flughafen von Prishtina.

    Die Eltern waren vor über 10 Jahren mit fünf Kindern in die Bundesrepublik gekommen – alle Kinder gingen hier zur Schule. Alle sprechen fließend Deutsch aber kein Albanisch.

    Nach der Abschiebung kommt die Familie in der Ortschaft Gjakova unter, wo sie vor der Flucht in die Bundesrepublik schon lebte. Am 31. Dezember 11 wird die Wohnung überfallartig von schwer bewaffneten und gepanzerten Polizisten durchsucht. Es soll einen Hinweis gegeben haben, nach dem die Familie Waffen besitze.

    Neun Monate nach der Abschiebung spielt sich das Leben auch für die Kinder vor allem in der kleinen Drei-Zimmer-Wohnung ab, denn alle haben große Angst vor den rassistischen Übergriffen aus der Nachbarschaft und auf den Straßen.

    Der kleine Rama ist von Jugendlichen draußen verprügelt worden, nachdem sie ihn als "Schwarzen" und "Zigeuner" beleidigten.

    Am 20. März 12 verabschiedet die Samtgemeinde Hadeln mit großer Mehrheit eine Resolution, in der der Landkreis Cuxhaven, die niedersächsische Landesregierung und die Bundesregierung gebeten werden, ihre Abschiebepraxis von langjährig in der Bundesrepublik lebenden Roma und Ashkali zu überprüfen – die Landesregierung wird zudem gebeten, der Wiedereinreise der Familie Meta zuzustimmen.

    Im Dezember 2012 wird die Klage der Familie wegen der Unrechtmäßigkeit der Abschiebung vom Verwaltungsgericht Stade abgelehnt. Trotzdem kehrt die Familie im November 2013 auf eigene Initiative zurück nach Niedersachsen in ihren Landkreis Cuxhaven und findet in Beverstedt zunächst eine Bleibe. Herr Meta, der durch die Abschiebung und die Zeit im Kosovo retraumatisiert wurde, muß sich in psychotherapeutische Behandlung begeben.

    Es wird ein Asylfolgeantrag gestellt, und die Familie hofft, wieder in Otterndorf wohnen zu dürfen.

    Anfang Januar 2014 wohnt die Familie wieder in Nordleda nahe Otterdorf in einer kleinen Wohnung, die die Samtgemeinde Hadeln renovierte und mit Möbeln, Hausrat u

DIE LINKE LT NieSa 2.5.10;

Cuxhavener Nachrichten 17.12.11;

Nordelbische Ztg 18.1.12;

alle bleiben! - Reisebericht  25.1.12;

FRat NieSa 12.4.12;

FRat NieSa 25.8.12;

Cuxhavener Nachrichten 14.11.13;

FRat NieSa 19.11.13;

AK Asyl Cuxhaven 10.3.14

 

10. Dezember 11

 

Abschiebegefängnis Köpenick in Berlin. Ein 31 Jahre alter Tschetsche aus Ursus-Martin drückt sich in selbstverletzender Absicht während des Essens um 12.35 Uhr den Stiel eines Plastiklöffels gegen den Hals. Ein Bewacher greift ein und verhindert dadurch größere Verletzungen.

Polizei Berlin 11.12.11;

Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/11577

 

10. Dezember 11

 

Bundesland Brandenburg. Im Flüchtlingsheim von Fürstenwalde brennt zunächst eine Matratze im Flur. Als zweieinhalb Stunden später ein Bett in der dritten Etage in Flammen steht, retten sich mehrere über die Fenster auf ein Baugerüst vor der Außenfassade, wobei drei Menschen Schnittverletzungen und Prellungen erleiden und medizinisch versorgt werden müssen. Alle 170 BewohnerInnen können rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden.

    Als Brandursache vermutet die Polizei Brandstiftung durch BewohnerInnen selbst. Täter oder Täterinnen sind Mitte Januar 2012 noch nicht ermittelt.

TS 10.12.11; ND 12.12.11

Polizei Eisenhüttenstadt 19.1.12

 

12. Dezember 11

 

Bad Belzig in Brandenburg. Der Flüchtling William K., der im Infocafé "Der Winkel" ehrenamtlich engagiert ist, weist zwei Männer zurecht, die Gäste beschimpfen, und bittet sie, das Café zu verlassen. Daraufhin beleidigen sie ihn rassistisch und schlagen ihm eine Glasflasche auf den Kopf. (siehe auch 22. März 12)

Opferperspektive 3.8.12

 

18. Dezember 11

 

Bundesland Bayern. Die serbischen Roma Klaudia (19) und Jovica Petrovic (23) sind erst vor ein paar Tagen in der Erstaufnahmeeinrichtung Zirndorf angekommen, als ihr 18 Monate alter Sohn Leonardo gegen Abend Fieber bekommt. Sie bitten den Pförtner um Hilfe, der einen Arzt vom kassenärztlichen Bereitschaftsdienst ruft. Dieser kommt, schaut auf das Kind, mißt keine Temperatur, weil er, wie er später sagen wird, kein Thermometer dabei habe. Dann stellt er ein Rezept für ein fiebersenkendes Mittel aus, das allerdings erst am nächsten Tag eingelöst werden kann.

    Über Nacht steigt die Körpertemperatur des Kindes weiter an, und am Morgen hat der Junge kleine schwarze und größer werdende Punkte in der Haut der Nase, der Stirn und der Finger.

    Die Eltern bitten erneut an der Pforte, einen Arzt zu rufen. Der Pförtner schaut auf die Uhr und erklärt, daß es jetzt 7.00 Uhr sei, und damit wäre alles ab jetzt die Sache der "Verwal-tung". Herr Petrovic solle sich einen Krankenschein im Raum 125, an dessen Tür "Arzt" steht, holen. Hier sitzt eine Verwaltungsangestellte, die ihm erklärt, daß ihr Büro erst ab 9.00 Uhr öffne. Die schwarzen Flecken des Kindes haben jetzt eine Größe von Zwei-Euro-Stücken.

    Herr Petrovic läuft wieder zur Pforte und fleht weinend die Pförtner an. Erneut ohne Erfolg und wieder läuft er in das "Arzt"-Zimmer und wieder verweist ihn die Angestellte auf ihre Öffnungszeiten. Ein Dolmetscher spricht den verzweifelten Vater auf dem Flur an, vermittelt und verhandelt mit der Frau, so daß er um ca. 8.00 Uhr endlich einen Krankenschein ausgestellt bekommt.

    Mit dem Schein in der Hand bittet Jovica Petrovic jetzt zum dritten Mal den Pförtner, zu helfen und einen Rettungswagen zu rufen, doch der Pförtner gibt ihm einen schlecht kopierten Stadtplan des Nachbarortes Oberasbach und sagt, er solle alleine zum Kinderarzt finden. Ein Taxi zu rufen, verweigert er ebenfalls.

    Die Eltern machen sich zu Fuß auf den Weg, den apathischen Leonardo im Arm. Sie versuchen Autos anzuhalten, und ein Autofahrer bringt sie schließlich in eine Arztpraxis.

    Als die Ärzte das Kind sehen, bricht Hektik aus. Sie versuchen Blut abzunehmen, was nicht gelingt, so daß sie einen Krankenwagen ordern, der Klaudia Petrovic mit ihrem Sohn ins Fürther Krankenhaus bringt. Herr Petrovic fährt mit dem Bus hinterher.

    Als er die Klinik erreicht, sagt ihm die behandelnde Ärztin, daß sie nicht wüßte, ob sein kleiner Sohn die nächste Stunde überleben werde. Er solle sich von ihm verabschieden, sagt sie ernst.

    Leonardo überlebt mit größten Schwierigkeiten. Ein Jahr lang haben die ÄrztInnen um sein Leben gerungen. Große Teile seiner Haut sterben ab, zweimal pro Woche wird er auf den Operationstisch gelegt und Haut transplantiert, immer montags und donnerstags. Monatelang liegt er im künstlichen Koma. Sein Körper ist voller Narben, einige Fingerglieder werden amputiert

    Die Erkrankung, die vor allem Kleinkinder innerhalb weniger Stunden in akute Lebensgefahr bringen kann, nennt sich Waterhouse-Friderichsen-Syndrom und wird durch Meningokokken hervorgerufen. Das sind Bakterien, die mit Antibiotika bekämpft werden können. Je früher, desto besser sind die Erfolgsaussichten.

    Leonardo wird sein Leben lang unter den Folgen der zu spät eingesetzten Therapie zu leiden haben.

    Knapp zwei Jahre später erhebt die Staatsanwaltschaft Fürth Anklage gegen zwei Pförtner wegen vorsätzlicher Körperverletzung und gegen die Angestellte im "Arzt"-Zimmer wegen unterlassener Hilfeleistung. Dem Bereitschaftsarzt wird vorgeworfen, das Kind nicht sorgfältig untersucht zu haben (fahrlässige Körperverletzung).

    Am 15. April 14 verurteilt das Amtsgericht Fürth die beiden Pförtner und die Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen für ihr "herzloses Verhalten", so der Richter, zu Geldstrafen zwischen 2400 und 3000 Euro. Der angeklagte Arzt wird vom Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung freigesprochen.

    In der Verhandlung wird deutlich, daß es in der Erstaufnahmeeinrichtung bis zu diesem Tag (!) keine klare Weisungslage für medizinische Notfälle gibt. "Die BewohnerInnen sind damit auf Gedeih und Verderb dem Handeln der MitarbeiterInnen ausgeliefert", so der Flüchtlingsrat Bayern.

    Nicht angeklagt wurde auch einer derjenigen, der diese "organisierte Verantwortungslosigkeit" zu verantworten hat: der Leiter der Einrichtung. Er war lediglich als Zeuge vorgeladen und hatte versucht, das Drama noch mit rassistischen Vorurteilen gegen Roma zu verharmlosen. In der staatsanwaltlichen Vernehmung sagte er unter anderem, daß man es mit einer besonderen Klientel zu tun habe und wenn er "jetzt grad auch Familien aus dem Sinti-, Romakreis betrachte, kommt es oft vor, dass die mit dem Kind – 'Baby krank, Baby krank' zu den MitarbeiterInnen kämen, obwohl sie gesund seien".

SD 24.10.13; MM 25.10.13;

br 25.10.13; NN 30.10.13;

FRat Bayern 13.4.14;

FRat Bayern 15.4.14; Ärzte Ztg 16.4.14;

br – kontrovers – nachgehakt 16.4.14

 

19. Dezember 11

 

Flughafen Frankfurt am Main. Auf Veranlassung der Ausländerbehörde Südwestpfalz soll ein 18 Jahre alter afghanischer Flüchtling nach Italien (Mailand) zurückgeschoben werden. Der Jugendliche fügt sich auf dem Wege Schnittverletzungen am Arm zu, um die staatliche Maßnahme zu verhindern. Er kommt kurz in die Flughafenklinik, wo die Wunden versorgt werden. Danach wird er planmäßig abgeschoben.

Abschiebungsbeobachtung FFM 2010-2011

 

20. Dezember 11

 

Saalekreis in Sachsen-Anhalt. Am Bahnhof der Kleinstadt Braunsbedra werden gegen 13.00 Uhr drei Flüchtlinge aus dem Irak kurz nach ihrer Ankunft von drei Nazis mit "Ausländer raus"-Rufen angepöbelt. Die beiden Männer und die schwangere Frau beginnen wegzulaufen, werden aber von den Angreifern verfolgt und mit Bierflaschen beworfen. Dabei wird der 35-jährige Iraker am Bein getroffen.

    Pöbelnd verfolgen die Täter die Flüchtlinge weiter bis zum Supermarkt und werfen erneut mit Flaschen nach ihnen. Dann bleiben sie wartend und "Sieg Heil" grölend vor dem Markt zurück, beschädigen dabei das dort abgestellte Fahrrad des 42-jährigen Irakers.

    Die von den Flüchtlingen alarmierte Polizei stellt die Personalien der Angreifer fest – der Staatsschutz ermittelt u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung.

Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt

 

25. Dezember 11

 

Bundesland Sachsen. Am Sonntagmittag wird bei einem Großeinsatz der Bundespolizei ein griechischer Reisebus vor dem Dresdner Hauptbahnhof angehalten und kontrolliert. Von den 39 Personen, die sich im Bus befinden, sind sieben Minderjährige und fünf Erwachsene aus Afghanistan und Iran ohne Erlaubnis in die Bundesrepublik eingereist. Vermutlich sechs weiteren Flüchtlingen gelingt die Flucht vor der Polizei.

    Im Bus werden nicht belüftete und von außen verschließbare Hohlräume entdeckt, in denen die Flüchtlinge sich vor jedem der sieben Grenzübergänge – zwischen Athen bis Dresden – verstecken mußten.

    Fünf Männer aus dem Bus kommen in Untersuchungshaft wegen des Verdachts der "Einschleusung von Ausländern".

    Noch Stunden später kreist der Hubschrauber der Bundespolizei über der Gegend um den Hauptbahnhof auf der Suche nach den Geflüchteten.

BPol Pirna 25.12.11;

FR 25.12.11; DNN 27.12.11;

Kampagne gegen Ausgrenzung von AsylbewerberInnen

 

 

 

 

Im Jahre 2011

 

Bundesland Sachsen. In ihrer Unterkunft in Chemnitz versucht sich eine Frau aus Tschetschenien zu töten. Sie kommt zur stationären Behandlung ins Krankenhaus (Psychiatrie).

    Da sie über Polen in die Bundesrepublik eingereist war, stand ihre Rückschiebung in das Transitland an.

Antirassistische Initiative Berlin

 

 

Im Jahre 2011

 

Berlin. Ein nach eigenen Angaben 16 Jahre alter Flüchtling aus Afghanistan springt aus einem Fenster der 2. Etage der Clearingstelle, in der er seit einigen Monaten untergebracht ist. Er wird nur leicht verletzt, weil er in das Sprungtuch der rechtzeitig gerufenen Feuerwehr fällt.

    Aufgrund schlechter Nachrichten aus Afghanistan hatte er sich in seinem Zimmer eingeschlossen und auch den Betreuern den Zutritt verwehrt. In dem Moment, als Polizisten die Tür mit Gewalt öffneten, war er in die Tiefe gesprungen.

Antirassistische Initiative Berlin;

Joachim Genge – Rechtsanwalt

 

 

 

Im Jahre 2011

 

Im Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) hat sich ein Flüchtling in der Toilette selbst verletzt, indem er sich die Pulsadern aufschnitt.

BeZ 2.12.12;

Ausschuß für Gesundheit und Soziales am 25.2.12;

Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/11577

 

 

Im Jahre 2011

 

In einer Toilette des Berliner Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) hat ein Flüchtling in der Toilette einen Spiegel mit dem Kopf zerstört und dann versucht, sich mit den Scherben die Pulsadern aufzuschneiden.

BeZ 2.12.12;

Ausschuß für Gesundheit und Soziales am 25.2.12;

Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/11577

 

 

Im Jahre 2011

 

Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Durch Verschlucken von Kleinteilen (Kunststoff), oberflächliche Schnittverletzungen oder Selbstausübung stumpfer Gewalt (Tür/Wand/Gitter) haben sich neun Gefangene verletzt.

(Sechs Selbstverletzungen sind bereits dokumentiert)

BT DS 17/10597

 

 

Im Jahre 2011

 

Im Bundesland Bayern befanden sich 29 minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft – davon waren vier Personen jünger als 16 Jahre alt.

(Eine Inhaftierung ist bereits dokumentiert)

BT DS 17/10597

 

 

Im Jahre 2011

 

Im Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick befanden sich vier minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft.

BT DS 17/10597

 

 

Im Jahre 2011

 

Im Bundesland Brandenburg befanden sich sechs minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft.

BT DS 17/10597

 

 

Im Jahre 2011

 

Im Bundesland Hessen befanden sich zwölf minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft – davon waren drei Personen jünger als 16 Jahre alt.

BT DS 17/10597

 

 

Im Jahre 2011

 

Im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern befand sich ein minderjähriger Flüchtling in Abschiebehaft.

BT DS 17/10597

 

 

Im Jahre 2011

 

Im Bundesland Nordrhein-Westfalen befanden sich zwei minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft.

BT DS 17/10597

 

 

Im Jahre 2011

 

Im Bundesland Sachsen befanden sich zwei minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft.

BT DS 17/10597

 

 

Im Jahre 2011

 

Im Bundesland Schleswig-Holstein befanden sich vier minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft.

    Einer von ihnen ist der Jugendliche A. aus Afghanistan. Sein Asylgesuch ist in Norwegen bereits abgelehnt, weshalb er in die Bundesrepublik gekommen ist, weil hier sein Cousin lebt.

    Wegen einer Fehde zwischen seiner und einer anderen Familie hatte seine Familie Afghanistan verlassen müssen. Auf der langen Flucht wurde er von seinen Angehörigen getrennt und versuchte alleine, nach Europa zu kommen.

    In der Haft ist er nervös, unruhig und stark erregt. Er zeigt eine Vielzahl von psychischen und psychosomatischen Symptomen. Wegen seiner ständigen Angst bittet er um ein Kuscheltier, weil er nachts oft traurig sei und weinen müsse. Dieses wird ihm von der Anstalt aus "Sicherheitsgründen" verweigert.

    Nach vier Wochen Haft wird diese erneut um vier Wochen verlängert. Allein aufgrund seines in der Bundesrepublik gestellten Asylantrags wird er aus der Haft entlassen.

Landesbeirat – Jahresbericht 2011;

Der Schlepper Nr. 61/62 Dezember 2012;

BT DS 17/10597;

 

 

Im Jahre 2011

 

Bundesland Schleswig-Holstein. Der 32 Jahre alte irakische Flüchtling Herr C. ist durch seine Gefangenschaft in der Abschiebungshaft Rendsburg von seiner Frau, seiner 2-jährigen Tochter und dem 6 Monate alten Sohn getrennt.

    Die Familie versucht seit 14 Monaten in Europa Aufnahme zu finden, was ihnen bisher weder in der Schweiz, noch in Schweden, Finnland oder Bulgarien gelang.

    Als Herr C. sich in seiner Heimatstadt Kerbela Aufständischen gegenüber nicht kooperativ zeigte, beschossen diese sein

Taxi und verletzten ihn am Nacken und Kopf, so daß er unkontrolliert den Wagen gegen eine Wand fuhr und sich dadurch weitere Verletzungen zuzog. Erst im Krankenhaus wachte er aus der Bewußtlosigkeit wieder auf.

    Er floh mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Syrien. Dort lernte er seine Frau kennen und als die Tochter geboren war, flüchteten sie weiter nach Europa.

    In der Haft entwickelt Herr C. schwere Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung und Depressionen, die durch ein fachpsychologisches Gutachten bestätigt werden.

    Durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, daß der in der Haft gestellte Asylantrag abgewartet werden muß, wird er aus der Gefangenschaft entlassen, kann mit seiner Familie in einer Flüchtlingsunterkunft leben und eine Therapie beginnen.

    Nach etlichen Monaten erhält die Familie die Sicherheit, daß das Asylverfahren in der Bundesrepublik durchgeführt wird.

Landesbeirat – Jahresbericht 2011