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Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und 1. Januar 12 Heidenau im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge
–Bundesland Sachsen. Unbekannte werfen Steine gegen die Flüchtlingsunterkunft
in der Geschwister-Scholl-Straße und zerstören dabei eine Fensterscheibe. (siehe auch: 24. Januar 12 und 15. März 12) Polizei Dresden
27.3.14; BT DS 18/203 2. Januar 12 Ein Flüchtling aus Tschetschenien verletzt sich
absichtlich durch einen Schnitt in den linken Unterarm. Er kommt daraufhin in
die psychiatrische Abteilung eines Berliner Krankenhauses zur stationären
Behandlung. Am
6. Januar versucht er, sich mit seinem Gürtel zu erhängen. Der 26 Jahre alte
Mann ist Folteropfer und leidet unter Angstschüben vor dem russischen
Geheimdienst, der ihn in Polen finden könnte. Im Dezember 2011 war er bereits
schon einmal in stationärer psychotherapeutischer Behandlung in den St.
Hedwig Kliniken Berlin. Kurz zuvor – Anfang Dezember – war er mit seiner
Frau und der 2-jährigen Tochter über Polen in die Bundesrepublik eingereist.
Die 28-jährige Frau leidet unter akuter infektiöser Nierenbecken- und akuter
Gebärmutterentzündung, hat starke Rückenschmerzen und Depressionen – ihre
kleine Tochter wird wegen eitriger Mandelentzündung und wiederkehrenden
Harnwegsentzündungen behandelt. Ungeachtet dessen soll die Familie im Rahmen
des Dublin-II-Abkommens nach Polen
zurückgeschoben werden. XENION 2013 4. Januar 12 Flughafen Frankfurt am Main. Ein 28 Jahre alter
algerischer Flüchtling soll abgeschoben werden. Da er sich in der Vergangenheit
bereits erfolgreich dagegen gewehrt hatte, wird er jetzt in Hand- und
Fußfesseln gebracht. Beamte finden in seinem Mund eine Rasierklinge, und da
er sich heftig zur Wehr setzt, wird die Abschiebung abgebrochen. Ein
anderer Algerier jedoch, bei dem Beamte die Klinge eines Bleistiftanspitzers
im Mund finden, wird nach Algier ausgeflogen. Abschiebebeobachtung
FFM 2012 8. Januar 12 Berliner Bezirk Prenzlauer Berg: Eberswalder Straße Ecke
Schönhauser Allee. Am Sonntagmorgen um 5.20 Uhr wird der 23 Jahre alte
Marokkaner Hamid-Tahar A., der sich auf der Straße mit einer Frau unterhält,
von drei Männern zwischen 20 und 25 Jahren rassistisch beleidigt und
beschimpft: "Laß unsere Frauen in Ruhe" und "Ausländer, geh
nach Hause". Als Hamid-Tahar A. auf die drei zugeht, um sich zu wehren,
trifft ihn die Faust eines der Provokateure mitten ins Gesicht. Er fällt zu
Boden, und der Täter tritt jetzt gezielt gegen seinen Kopf und den Hals. Dann
flüchten die Rassisten in Richtung Kastanienallee. Hamid-Tahar
A. kommt mit einem gebrochenen Nasenbein und einem Beinahe-Genickbruch (Riß
eines Halswirbels) in Lebensgefahr ins Krankenhaus. Während
die Polizei die Tat zunächst als gefährliche Körperverletzung wertet,
ermittelt die Staatsanwaltschaft eine knappe Woche später wegen versuchten
Mordes. Hamid-Tahar
A., der erst im August letzten Jahres in die BRD einreiste, Asyl beantragte
und in Berlin-Schöneberg in einem Flüchtlingsheim lebt, erholt sich nur sehr
langsam von den schweren Verletzungen. BM 9.1.12; BZ 9.1.12; TS 10.1.12; taz 13.1.12; ReachOut Berlin 16.1.12; indymedia 16.1.12; ND 16.1.12; jW 16.1.12; BM 20.1.12 11. Januar 12 Bundesland Bayern. Die
Regierung von Oberbayern läßt auf ärztlichen Rat hin etwa 20 minderjährige
Flüchtlinge in ein Krankenhaus einweisen. Diese
Jugendlichen befinden sich seit dem 7. Januar in einem Hunger- und
Durststreik – am 10. Januar schlossen sich weitere 10 Flüchtlinge an. Sie
protestieren gegen die für sie unerträglichen Zustände in der überfüllten
"Bayern-Kaserne" in München, in der sie leben müssen. Die
Jugendlichen warten dort viele Monate auf ihren Transfer in Wohneinrichtungen
und sind weitgehend auf sich allein gestellt. Es gibt kaum Betreuung
tagsüber, und nachts patrouilliert ausschließlich der Sicherheitsdienst, der
den meist traumatisierten Jugendlichen Angst macht. Auf 80 Minderjährige
kommt ein Vormund, der wenig Zeit für die Anliegen der Einzelnen hat. Es
fehlt an Kochgelegenheiten, Duschen und Waschmaschinen. Zwei Tage im Monat
fließt kein Wasser; das Essen ist schlecht und reicht zum Sattwerden nicht
aus. Internet gibt es nicht, nicht einmal Ausweise für Bibliotheken – und
Deutschkurse sind Mangelware. "Weil
wir viele Probleme haben und niemand uns helfen kann, bekommen wir nach und
nach psychische Probleme", schreiben die Hungerstreikenden in einer
Pressemitteilung. Das
Zwischenlager wird von der Inneren Mission München verwaltet, und der
verantwortliche Pfarrer Herden spielt die Kritik herunter, lenkt ein mit
Äußerungen, daß der Zustand der Kaserne "nicht ideal" sei, und es
gehe "eng zu". Den
Hungerstreik bagatellisiert und demontiert er der Öffentlichkeit gegenüber.
Der Presse und UnterstützerInnen wird der Zugang zu den Hungerstreikenden
verweigert – ihnen selbst wird das Verbot auferlegt, mit Pressevertretungen
zu sprechen. Sogar dem Ausländerbeirat München wird der Zugang zu den
Jugendlichen nach mehreren schriftlichen Anfragen verwehrt. Schließlich
wird in einem Interview des Pfarrers Herden mit der Süddeutschen Zeitung
deutlich, was hinter seinen Versuchen, den verzweifelten Protest der
Jugendlichen zu boykottieren, tatsächlich steckt: "Durch den Umstand,
dass die Betreuungsstellen in der Bayernkaserne zu hundert Prozent von der
Landesregierung refinanziert werden, bin ich hier loyal und weisungsgebunden.
Ich handele im Auftrag der Regierung von Oberbayern ...." Am 16. Januar wird eine
Delegation der Jungendlichen in einem fünfstündigen Treffen mit Vertretungen
des Sozial- und Kultusministeriums, des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge, des Jugendamtes, der Regierung von Oberbayern sowie der Inneren
Mission überredet, den Hungerstreik zu beenden, indem Zugeständnisse gemacht
wurden, die sowieso in Planung waren, oder durch das Versprechen, daß
tatsächliche Rechtsbrüche beseitigt würden. Viele zentrale Forderungen
bleiben unerfüllt. Eine
Woche vor dem ersten geplanten Runden Tisch – am 7. März 12 – versucht sich
einer der Sprecher der jugendlichen Flüchtlinge zu erhängen (siehe dort). Bei
diesem Runden Tisch prangern die Flüchtlinge die weiterhin katastrophalen Zustände
im Lager an. Hinterland
Dezember 2012 12. Januar 12 Bundesland Baden-Württemberg. Die 39 Jahre alte Ljuljeta
Ademaj wird aus der Abschiebehaft Schwäbisch-Gmünd über Baden Airpark mit
einem Sammelabschiebeflug in den Kosovo abgeschoben und ist dadurch von ihren
vier Kindern getrennt. Ljuljeta
Ademaj war vor 20 Jahren mit ihrer ältesten Tochter und ihrem damaligen
Lebenspartner aus Montenegro in die Bundesrepublik geflüchtet und hatte die
meiste Zeit im niedersächsischen Emden gelebt und gearbeitet. Hier sind auch
ihre zweite Tochter und ihre beiden Söhne aufgewachsen. Die
Abschiebung, die eigentlich behördlicherseits für Ende Oktober 2011 geplant
war, konnten Ljuljeta Ademaj und ihre 14 und 16 Jahre alten Söhne verhindern,
indem sie nicht Zuhause waren, als die Polizei sie abholen wollte. Seitdem
galten sie als "untergetaucht". Um
ihre Abschiebung zu verhindern, beschlossen Ljuljeta Ademaj und ihr
Freiburger Lebensgefährte, die schon länger geplante Heirat aktiv in die Wege
zu leiten. Doch als sie am 16. Dezember 11 auf dem Freiburger Standesamt die
Formalitäten erledigen wollten, wurde Frau Ademaj von Zivilpolizisten
festgenommen und in Handschellen abgeführt. Sie kam umgehend in
Abschiebehaft. Der
Grund: Nach dem Abschiebeversuch im Oktober war sie zur Fahndung
ausgeschrieben worden, weshalb die Behörden zwischen Niedersachsen und
Baden-Württemberg miteinander kommunizierten. Erst
im Februar 2012 – drei Wochen nach der Abschiebung der Mutter – tauchen die
beiden minderjährigen Söhne wieder auf und melden sich bei der Stadt Emden.
Sie kommen bei ihren Schwestern unter, die nicht akut abschiebebedroht sind,
weil die 22-Jährige eine feste Anstellung hat und die 20-Jährige sich noch in
der Ausbildung befindet. Am
19. März 12 überreicht der Initiativkreis für das Bleiberecht von Roma in der
Krummhörn und Emden ein Protestschreiben von 1095 Menschen an den
Oberbürgermeister von Emden, in dem auch die schnelle Rückkehr von Ljuljeta
Ademaj gefordert wird. Im
August heiratet Frau Ademaj ihren deutschen Freund in Montenegro, und im
Oktober wird die Einreisesperre aufgehoben. Jetzt hat Frau Ademaj im Rahmen
der Familienzusammenführung die Chance auf ein dauerhaftes Bleiberecht. BaZ 21.12.11; FRat NieSa
12.1.12; NWZ 3.2.12; BaZ
13.2.12; FRat NieSa 29.3.12; Emder Ztg
24.8.12; Emder Ztg 17.10.12 13. Januar 12 Nordhausen im Bundesland Thüringen. Als vier junge
Flüchtlinge abends in einer Diskothek Geburtstag feiern wollen, werden sie
schon am Eingang von den Türstehern gestoppt. "Guck mal, die Ausländer
wollen hier rein", ruft der eine seinem Kollegen zu, der daraufhin auf
die Gruppe zugeht und sie anschnauzt, daß Ausländer hier nichts zu suchen
hätten. Als er einen der Afrikaner schubst, läuft ein anderer in Panik davon.
Die beiden Security-Leute verfolgen ihn noch, holen ihn aber nicht ein.
Zurückgekommen nehmen sie sich den Jüngsten, einen 17-Jährigen, vor. Sie
schlagen und treten auf ihn ein und zerren ihn vom Gelände. Als die Polizei
eintrifft, haben die Beamten Mühe, die Angreifer davon abzuhalten, weiter auf
den blutenden Jungen einzuschlagen. Trotz
der deutlichen Verletzungen des Jugendlichen rufen die Polizisten keinen
Krankenwagen, sondern lassen ihn alleine und zu Fuß nach Hause gehen. ezra 18. Januar 12 Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Als die 6-köpfige
afghanische Familie X. in der Nacht aus dem Flüchtlingsheim Jürgensdorf zur
Rückschiebung nach Norwegen abgeholt werden soll, erleidet die 34 Jahre alte
traumatisierte Sarah X. beim Packen der Habseligkeiten einen Schock und
bricht zusammen. Sie kommt ins Krankenhaus, so daß die Maßnahme abgebrochen
wird. Die
evangelische Gemeinde Dom St. Nikolai entscheidet danach sehr kurzfristig,
das Ehepaar Sarah und Ahmad X. und die 16-jährige Arezu, den 15 Jahre alten
Omid, seinen Bruder Erfan und das vier Monate alte Baby ins
"stille" Kirchenasyl zu nehmen. Die
Familie hatte Afghanistan im Juni 2009 verlassen müssen, weil sie sich der
Zwangsverheiratung der damals 13-jährigen Arezu mit einem Onkel
väterlicherseits entziehen mußten. Die Folge ihrer Verweigerung waren
Attacken und Beschimpfungen als "Ungläubige" auf offener Straße. Sie
verkauften ihr Haus und gelangten mit Hilfe von Fluchthelfern auf dem Landweg
über den Iran in die Türkei – von dort mit einem kleinen Boot bis nach
Griechenland und schließlich mit dem Flugzeug nach Norwegen. Aus
Angst vor der Abschiebung nach der Ablehnung des Asyls fuhr die Familie mit
dem Bus in die Bundesrepublik. Ende
Juni übernahm Deutschland aufgrund der gesundheitlichen Situation von Sarah
X. die Durchführung des Asylverfahrens, und im Januar 2013 wird der Familie
ein Bleiberecht gewährt. Deutschlandradio
22.9.12; FRat MeckPom 21. Januar 12 Abschiebegefängnis JVA Büren in Nordrhein-Westfalen. Ein
35 Jahre alter Palästinenser entzündet seine Matratze in suizidaler Absicht
und wird dann mit schweren Verbrennungen und einer Rauchgasvergiftung ins
Paderborner St. Johannisstift und anschließend in das
Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg gebracht. Die Zelle brennt völlig aus. Drei
Tage später erfolgt seine Entlassung aus dem Krankenhaus und die unmittelbare
Vorführung beim Amtsgericht Paderborn, wo eine erneute Haftverlängerung um
vier Wochen entschieden wird. Der
Gefangene kommt zurück nach Büren in die "besondere" Zelle, in der
er schon einige Wochen vor seinem Suizidversuch verbringen mußte, weil er
Selbsttötungsabsichten geäußert hatte. Das "Besondere" an dieser
Zelle sind Kontrollen in 15-minütigen Abständen. Eine
Einweisung in die Psychiatrie wurde von keinem der Verantwortlichen in
Erwägung gezogen. Hilfe für
Menschen in Abschiebehaft Büren; NW 24.1.12; Der
Patriot 25.1.12 23. Januar 12 Flughafen Frankfurt am Main. Es ist der dritte Versuch der
deutschen Behörden, einen abgelehnten Asylbewerber nach Guinea abzuschieben. Er
soll in Polizei- und Arztbegleitung ausgeflogen werden. Bei seiner
Durchsuchung finden die BeamtInnen drei Rasierklingen in seinem Mund. Als sie
diese entfernen wollen, wehrt sich der Mann, verletzt sich, spuckt Blut und
ringt nach Atem. Er kommt in die Flughafenklinik, wo die Rasierklingen in
seinem Mundbereich nicht mehr gefunden werden. Da der Mann sich weigert,
Röntgenaufnahmen machen zu lassen, bleibt völlig unklar, wie viele Klingen
sich noch und an welcher Stelle in seinem Körper befinden. Trotzdem
wird dort gemeinsam mit dem Abschiebungsarzt
entschieden, daß er flugtauglich sei. Mit der Spezialfesselung, dem Bodycuff,
und Fußschellen wird er ins Flugzeug gebracht. Da er dort sehr laut
protestiert, lehnt schließlich der Flugkapitän seine Beförderung ab, so daß
auch die Bundespolizei die Abschiebung für heute aussetzen muß. Abschiebebeobachtung
FFM 2012 24. Januar 12 Bundesland Baden-Württemberg. Gegen 16.00 Uhr entsteht ein
Brand im Flur der dritten Etage des Flüchtlingsheimes in Hechingen. In
dem Gebäude leben insgesamt 140 Personen. Zehn Menschen müssen wegen der
starken Rauchentwicklung evakuiert werden – ein Kleinkind wird vorsorglich
mit Verdacht auf eine Rauchgasvergiftung stationär ins Krankenhaus eingeliefert.
Ein brennendes Sofa – der eigentliche Brandherd – wird von der Hechinger
Feuerwehr vor das Gebäude geschafft. Nach
Belüftung des Stockwerkes können die BewohnerInnen wieder in ihre Zimmer. Freiwillige
Feuerwehr Hechingen 24.1.12; SK 24.1.12;
Polizei Balingen 24.1.12; Zollern-Alb-Kurier25.1.12;
Schwarzwälder
Bote 25.1.12 24. Januar 12 Heidenau im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge
–Bundesland Sachsen. Unbekannte werfen zwei Steine gegen die Flüchtlingsunterkunft
in der Geschwister-Scholl-Straße. Die Steine bleiben in der Scheibe stecken,
so daß niemand zu Schaden kommen kann. (siehe auch: 1. Januar 12 und 15. März 12) Polizei Dresden
27.3.14; BT DS 18/203 28. Januar 12 Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Ein 24 Jahre alter
Gefangener aus Albanien verletzt sich, indem er mit der Faust gegen Fenster
schlägt. Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 29. Januar 12 Bundesland Bayern. Im Zimmer 321 des Gebäudes 305 vom
Würzburger Flüchtlingsheim erhängt sich der 29 Jahre alte Iraner Mohammad
Rahsepar mit einem Laken. Herr
Rahsepar hatte seinen letzten Nachmittag in der Universitätsklinik Würzburg
verbracht, weil er unter starken Kopfschmerzen litt. Er war ohne
Begleitperson dort abgesetzt worden, und durch die sprachlichen
Schwierigkeiten war es ihm nicht gelungen, seine gesundheitlichen Probleme
deutlich zu machen. Nach mehreren Stunden Wartezeit verließ er frustriert und
verzweifelt die Klinik und ging zurück zum Flüchtlingsheim, das er um 20.30
Uhr erreichte. Gegen
1.00 Uhr morgens schloß sich Herr Rahsepar in seinem Zimmer ein und reagierte
nicht mehr auf Klopfen und Rufen. MitbewohnerInnen riefen zunächst den
Hausmeister, dann den Sicherheitsdienst und die Polizei, aber erst der
Feuerwehr war es gelungen, die von innen verschlossene schwere Eisentür des
Zimmers zu öffnen. Da war Mohammad Rahsepar bereits tot. Mohammad
Rahsepar hatte im Iran als Polizist gearbeitet, und als er sich Befehlen
widersetzte, wurde er verhaftet und gefoltert. Vor acht Monaten gelang ihm
die Flucht in die Bundesrepublik – seine Frau und sein Kind mußte er im Iran
zurücklassen. Im
Juli 2011 hatte der Arzt in der Aufnahmestelle Zirndorf Mohammad Rahsepar
aufgrund seiner Leidensgeschichte gesundheitliche und psychische Belastungen
bescheinigt und geraten, daß der Iraner statt in eine Sammelunterkunft zu
seiner in Köln lebenden älteren Schwester kommt. Doch ein Zusammenzug von
Geschwistern erlauben die deutschen Gesetze nicht, und so kam Mohammad Rahsepar
in die Flüchtlingsunterkunft nach Würzburg. Als
er während einer stationären Behandlung im Dezember Suizidabsichten äußerte,
beantragte das medizinische Team um den verantwortlichen Arzt der Unterkunft,
Prof. August Stich, "unter höchster Dringlichkeit" eine Veränderung
der Unterbringung. Entweder in die Uni-Klinik oder zu seiner Schwester nach
Köln. In der Gemeinschafts-Unterkunft jedenfalls seien die Voraussetzungen
für seine Gesundung nicht gegeben. Sowohl
Freunde und MitbewohnerInnen von Herrn Rahsepar als auch Prof. Stich machen
die "entmündigenden" und "menschenverachtenden" Zustände
in der Unterkunft und die Mißachtung der medizinischen Empfehlung eines
Ortswechsels für den Suizid verantwortlich. Prof. Stich berichtet weiter, daß
vor allem für diejenigen BewohnerInnen, die Folter und Gefangenschaft
erlitten haben, die Unterbringung in einer ehemaligen Kaserne
("Emery-Kaserne") sehr belastend sei. Er konstatiert weiter
"eine Zunahme an den Symptomen von psychiatrischen Erkrankungen, von
Belastungsstörungen durch die Realität des Lebens in den Lagern." Am
Tage nach seinem Tod demonstrieren 80 Menschen in der Würzburger Innenstadt.
Sie trauern um Mohammad Rahsepar und fordern ein Ende der Zwangsunterbringung
von Flüchtlingen in Heimen. Azar
Rahsepar, die Schwester des Toten, die als politisch Verfolgte anerkannt ist
und in Köln lebt, kritisiert auf einer Demonstration am 13. Februar, daß auch
die Ärzte in der Uni-Klinik sich nicht um ihren Bruder gekümmert haben, als
er an seinem letzten Tag um Hilfe suchte: " .... sonst wäre er noch am
Leben." Internationale
Föderation Iranischer Flüchtlinge; inFranken.de
30.1.12; SZ 31.1.12; Südwest Presse 31.1.12; dapd 2.2.12; Main Post 5.2.12; Antifa Teheran
Köln 7.2.12; Main Post 10.2.12; CosmoTV 24.6.12;
Monitor 15.9.12 Ende Januar 12 Bundesland Brandenburg. Dem afghanischen Flüchtling Naser N.
wird von der Kirchengemeinde Prenzlau Kirchenasyl gewährt, weil die
behördlich veranlaßte Rückschiebung nach Italien bevorsteht. Dem schwer
gehbehinderten Mann droht in Italien wie vielen anderen Flüchtlingen auch die
Obdachlosigkeit. Das Verwaltungsgericht in Potsdam hatte keinen Rechtschutz
gewährt, und auch nach dem Kirchenasyl ab Juni versuchen die Behörden erneut,
die Rückschiebung durchzusetzen. Erst kurz vor Weihnachten – ein Jahr nach
seiner Einreise in die BRD – entscheidet das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge (BAMF), daß das Asylverfahren in der Bundesrepublik durchgeführt
werden soll. Infobrief - FRat
Brbg Januar 2013 4. Februar 12 Cottbus in Brandenburg. Am frühen Morgen wird ein 26 Jahre
alter Asylbewerber aus Kenia von zwei Männern angepöbelt, bedrängt und bis in
seine Wohnung im Hoyerwerdaer Ring verfolgt. Die zwei Männer dringen
gewaltsam ein, schlagen gegen die verschlossene Zimmertür und pöbeln weiter. Aus
Angst klettert der Kenianer durch ein Fenster der im Erdgeschoß liegenden
Wohnung ins Freie und verletzt sich dabei die Hand. Draußen benachrichtigt er
die Polizei. MAZ 6.2.12; LR
7.2.12; Opferperspektive 7. Februar 12 Korbach im Bundesland Hessen. Als die Polizei morgens um
5.30 Uhr unangemeldet an der Wohnungstür der Roma-Familie Celic steht, um
deren Abschiebung durchzuführen, springt der 30 Jahre alte Baskim Celic vom
Balkon der im zweiten Stock liegenden Wohnung. Er erleidet dabei Brüche in
beiden Handgelenken und am Unterarm und Verletzungen im Gesicht. Er kommt auf
die Intensivstation des Korbacher Kranken hauses. Ungeachtet
des Dramas um den Vater und Ehemann werden Bukurija Celic, die 6-jährige
Tochter Nerdivana und der 9-jährige Sohn Neda zum Flughafen Düsseldorf
gebracht. Von
hier aus erfolgt ihre Abschiebung im Rahmen einer sogenannten
Sammelabschiebung, zu der in diesem Falle europaweit Flüchtlinge festgenommen
und in Düsseldorf zusammengeführt wurden. Auch bei einer Zwischenlandung in
Wien werden weitere Menschen zugeladen und in den Kosovo ausgeflogen. Herr
Celic wird im Krankenhaus von Polizeibeamten bewacht, denn es besteht
offiziell weiterhin Fluchtgefahr, und sobald er transportfähig ist, wird er
in Abschiebehaft kommen und gegebenenfalls im Gefängniskrankenhaus der JVA
Kassel weiterbehandelt. Familie
Celic lebte seit 2007 in Landkreis Waldeck-Frankenberg, und seit Ende 2011
war Baskim Celic in Besitz einer Arbeitserlaubnis und einer Arbeitsstelle. Frau Celic ist durch erlittene Erlebnisse im
Kosovo traumatisiert, und der Sohn Neda leidet unter Asthma und Allergien.
Therapeutische Möglichkeiten gibt es für sie, als Angehörige der Roma, mit
hoher Wahrscheinlichkeit nicht. Die
Abschiebung der Familie aus Korbach und der Umgang mit dem Familienvater
rufen auch außerhalb des Freundes- und Bekanntenkreises, zum Beispiel in den
Schulen und Kirchen, große Empörung hervor, und so wird schon eine Woche
später eine Eil-Petition an den Hessischen Landtag gestartet, um die
Abschiebung von Baskim Celic zu verhindern und die Wiedereinreise seiner
Familie zu erreichen. Am
22. Februar findet eine Kundgebung unter dem Motto: "Bleiberecht – das
wäre gerecht" in der Fußgängerzone von Korbach statt. Unter den circa 350 Menschen, die daran
teilnehmen, befindet sich auch Baskim Celic, der am Vortag aus der Abschiebehaft
entlassen wurde. Als
der "Fall Celic" vom Petitionsausschuß Anfang März an die
Härtefallkommission weiterempfohlen wird, verstärkt sich die Hoffnung auf
eine gute Wendung. Nach Zustimmung des Innenministers für eine
Aufenthaltserlaubnis am 21. Juli reist Baskim Celic in den Kosovo, erledigt
Formalitäten und kommt mit seiner Familie zurück nach Korbach. Ein
Jahr nach der dramatischen Abschiebung hat Frau Celic Arbeit gefunden, und
ihr Mann hat eine Nach-Operation gut überstanden. Waldeckische
Landeszeitung 8.2.12; HNA 10.2.12; Waldeckische
Landeszeitung 13.2.12; HNA 16.2.12; Korbacher Ztg
23.2.12; HNA 18.8.12;
Korbacher Ztg 19.8.12; DW
Flüchtlingsberatung Waldeck-Frankenberg 11. Februar 12 Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Ein 32 Jahre alter
türkischer Gefangener versucht, sich mit seiner Jacke am Fußballtor zu
strangulieren. BT DS 17/10597; Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 13. Februar 12 Zentralkrankenhaus der Untersuchungshaftanstalt
Holstenglacis in Hamburg. Um 6.30 Uhr wird der 25 Jahre alte Barry Bubaker
(Bubakar; Bubakkar) tot in seiner Zelle aufgefunden. Er ist infolge eines
epileptischen Anfalls an Erbrochenem erstickt. Am Vortag um 16.45 Uhr ist er
das letzte Mal lebend gesehen worden. Barry
Bubaker war als Kindersoldat in Sierra Leone mißbraucht worden, bis ihm
schließlich die Flucht als 15-Jähriger außer Landes gelang. Durch sein
Schicksal im Bürgerkrieg war Barry Bubaker körperlich und psychisch schwer
krank. Sein Körper war voller Narben, und ab 2002 peinigten ihn epileptische
Anfälle, als deren Ursache eine Kopfverletzung ver- mutet wird. Entgegen
seinen eigenen Angaben legte das Institut für Rechtsmedizin der
Universitätskliniken Eppendorf (UKE) sein Alter auf 20 Jahre fest, wodurch
dem Jugendlichen "ein zweites Mal seine Kindheit" geraubt wurde.
Ihm stand als "Erwachsenem" kein Vormund zu, keine qualifizierte
Jugendeinrichtung und erst recht kein Schulunterricht. Er lebte in
öffentlichen Unterkünften für Asylbewerber. Schon
im Jahre 2002 wurde sein Asylantrag als "unanfechtbar" abgelehnt,
weil Abschiebehindernisse von den Behörden nicht gesehen wurden. Erst
2007 wurden aufgrund einer Klage gegen die Abschiebeandrohung seine schweren
Erkrankungen anerkannt, und er erhielt einen Aufenthaltstitel. Dieser
ermöglichte es ihm jetzt, sein Leben neu zu organisieren. Er belegte
Integrationskurse und versuchte eine Arbeit zu finden. Aufgrund seiner
Krankheiten gelang ihm dies nicht, was zur Folge hatte, daß er auch keine
Wohnung mieten konnte. Er lebte weiterhin in Flüchtlingsunterkünften. Neben
der schweren Epilepsie, wodurch Barry Bubaker teilweise mehrmals wöchentlich
von Krampfanfällen gepeinigt wurde, litt er an Leberzirrhose, wahrscheinlich
infolge einer Bilharziose, an einer Erkrankung der Speiseröhre und des Magens
(Varizen) und an einer Eisenmangelanämie. Zudem hatte er über einige Zeit
Drogen- und Alkoholprobleme, die er allerdings aus eigener Kraft überwinden
konnte. Ein
sozialmedizinisches Gutachten aus dem Jahre 2009 beschrieb die
"gesundheitlichen Folgen seiner sozialbiographi- schen Leidensgeschichte" und empfahl eine "enge
hausärztliche/internistische und neurologische Mitbehandlung". Da
sich die Anfälle oft mit einem Aggressionsschub ankündigten, waren die Freunde
von Barry Bubaker von großer Wichtigkeit, weil sie in der Lage waren, ihn
entsprechend zu beruhigen und festzuhalten. Am
31. Januar war Barry Bubaker allerdings alleine, als er um 19.27 Uhr von
Polizeibeamten auf Höhe der Sengelmannstraße 80 festgenommen wurde, weil er
an einer tätlichen Auseinandersetzung beteiligt gewesen sein sollte. Am nächsten Tag um 4.40 Uhr
wurde er dem Haftrichter vorgeführt, der wegen "Fluchtgefahr"
("fehlende soziale Bindungen", "keine legale Arbeit",
"Wohnunterkunft für Asylbewerber") einen Haftbefehl erließ. Barry
Bubaker wurde wegen des Verdachts auf Körperverletzung in Untersuchungshaft
genommen. Bei
der 15-minütigen Aufnahmeuntersuchung wurde festgestellt, daß Barry Bubaker
einen "gefaßten Eindruck machte" (Senat) und daß er eine
verschorfte Platzwunde als Folge eines Krampfanfalles hatte. Am 2. Februar
wurde er aufgrund eines erneuten Krampfanfalls ins Zentralkrankenhaus
verlegt. Zehn
Tage nach seiner Festnahme wurde Barry Bubaker bei einem sogenannten
Zugangsgespräch gefragt, ob er eine anwaltliche Vertretung hätte. Er bejahte
dies, konnte jedoch den Namen des Anwalts nur phonetisch und nicht
schriftlich angeben, wodurch letztlich kein Anwalt über seine Inhaftierung
informiert wurde. Für
die im Zentralkrankenhaus zuständigen Ärzte spielte die Vorgeschichte des
Gefangenen offensichtlich überhaupt keine Rolle. Sie diagnostizierten zwar
die Epilepsie, forderten allerdings weder Krankenberichte aus den diversen
Krankenhäusern ein, in denen Barry Bubaker behandelt worden war, noch
stellten sie den Kontakt zu seiner behandelnden Ärztin her. Die
Haftfähigkeit wurde von ihnen niemals angezweifelt. Barry Bubaker sollte am
nächsten Tag aus dem Haftkrankenhaus wieder in die Untersuchungshaft
zurückverlegt werden. Pressestelle des
Senats 13.2.12; Hamburgische
Bürgerschaft DS 20/3231; Hamburgische
Bürgerschaft DS 20/3346; Linksfraktion
Hamburg 10.4.12; Protokoll
Ausschuß für Justiz Nr. 5.4.12; Christiane
Schneider 9.12.12 13. Februar 12 Flughafen Frankfurt am Main. In einem zweiten Versuch wird
ein afghanischer Flüchtling entsprechend dem Dublin-II-Verfahren
nach Oslo ausgeflogen, obwohl er panische Angst davor hat, von dort aus nach
Afghanistan abgeschoben zu werden. Der
erste Abschiebungsversuch war abgebrochen worden, nachdem in seinem Mund eine
Rasierklinge entdeckt worden war. Abschiebebeobachtung
FFM 2012 15. Februar 12 Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Ein 26 Jahre alter
Gefangener aus dem Libanon verletzt sich, indem er mit seinem Kopf gegen die
Wand schlägt. Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 21. Februar 12 Flughafen Frankfurt am Main. Eine 56 Jahre alte Syrerin
soll mit ihrem 31-jährigen Sohn enstprechend dem Dublin-II-Verfahrens
nach Kopenhagen bzw. Stockholm rückgeflogen werden. Beide waren seit drei
Wochen in Abschiebehaft, und die dortigen Bediensteten hatten dem
Abholkommando keinerlei Medikamente für die an Diabetes erkrankte Frau
mitgegeben. Dies ist der Grund, weshalb die Bundespolizei die Abschiebung
jetzt stoppt und die beiden wieder zurück in Abschiebehaft kommen. Das
eigentlich Tragische an ihrer Geschichte ist jedoch, daß sie mit einem PKW
ohne Erlaubnis in die Bundesrepublik gekommen waren, um das neu geborene Kind
der Tochter bzw. Schwester, die mit einem Deutschen verheiratet ist,
kennenzulernen. Sie hatten niemals die Absicht, hier zu blei-ben, waren
jedoch zwei Tage vor ihrer geplanten Rückkehr von der Polizei verhaftet
worden. Nach
einer weiteren Woche in Gefangenschaft, die vor allem die Frau an ihre
physischen und psychischen Grenzen bringt, werden sie dann ausgeflogen. Abschiebebeobachtung
FFM 2012 22. Februar 12 Kamenz im Bundesland Sachsen. Gegen 3.30 Uhr schlagen drei
vermummte Personen die Fensterscheiben der Flüchtlingsunterkunft in der
Gartenstraße ein. Bevor die Polizei eintrifft, sind die Täter verschwunden. Am
Tag zuvor war ein neues Flüchtlingsheim für AsylbewerberInnen in
unmittelbarer Nähe eingeweiht worden, und in den nächsten Tagen sollen die
Flüchtlinge aus der Gartenstraße und aus Seeligstadt dorthin umziehen. Die
Polizei geht von einem rechtsextremistischen Hintergrund aus – der
Staatschutz ermittelt. Als
Reaktion auf den Anschlag demonstrieren am 29. Februar rund 500 Personen in
Kamenz mit einer Menschenkette ("Gegen Gewalt und
Fremdenfeindlichkeit"), zu der alle Fraktionen des Stadtrats und drei
Kirchen aufgerufen haben. Linksfraktion
Kamenz 23.2.12; LR 1.3.12 24. Februar 12 Bundesland Bayern. Um 0.06 Uhr geht eine Meldung in der
polizeilichen Leitstelle Straubing ein, daß im Flüchtlingsheim Deggendorf
eine Bombe versteckt ist. Es
erfolgt zügig die Evakuierung der ca. 100 BewohnerInnen, von denen vor allem
die Frauen und Kinder in einer naheliegenden Diskothek unterkommen können.
Die männlichen Bewohner – viele nur notdürftig bekleidet – müssen in den
winterlichen Temperaturen den Abschluß der Durchsuchung des Gebäudes durch
Polizisten und Spürhunde im Freien abwarten. Auch
stehen den Flüchtlingen keinerlei psychologische Betreuung oder AnsprechpartnerInnen
zur Verfügung – weder während noch nach der Evakuierung des Heimes. Die zum
Teil schwer traumatisierten Menschen bleiben sich selbst überlassen, einige
berichten, daß sie die Nacht in Todesangst verbracht haben. Obwohl
die NPD am Vorabend ihre Aschermittwochs-Veranstaltung in Deggendorf
abgehalten hat, schließt die Polizei einen rechtsradikalen Hintergrund aus. FRat Bayern
28.2.12; Polizei
Niederbayern 5.3.12; aida-archiv.de 25. Februar 12 Bundesland Sachsen-Anhalt. Zwei 18 Jahre alte und ein
35-jähriger Flüchtling sind nachts auf dem Heimweg zu ihrer Unterkunft, der
Zentralen Anlaufstelle für Asylbewreber (ZAST). Auf diesem Weg werden sie von
zwei Halberstädter Männern – 20 und 23 Jahre alt – rassistisch beleidigt und
bedroht. Den gerufenen Polizeibeamten gelingt es, eine Eskalation zu
verhindern. Gegen
die beiden Täter werden Ermittlungen wegen Volksverhetzung und Bedrohung
aufgenommen. dapd 26.2.12 27. Februar 12 Bundesland Bayern. Die Außenstelle des Bundesamtes für
Migration und Flüchtlinge verschickt einen Bescheid an Maida Murselovic, in
dem steht, daß ihr acht Monate alter Sohn Karam innerhalb einer Woche die
Bundesrepublik zu verlassen habe – andernfalls würde er nach Serbien
abgeschoben. An diesen Bescheid angeheftet ist eine Tabelle mit Reisekosten
und Zuschüssen für die Reise per Bahn, Bus oder Flugzeug. Die
23 Jahre alte Romni Maida Murselovic kam als 10-Jährige mit ihren Eltern aus
Serbien nach Bayern und besitzt heute ein vorübergehendes Bleiberecht. Im
Flüchtlingsheim Neuburg lernte sie den Iraker Haji R. kennen, sie heirateten
und bekamen drei Kinder – Karam ist das jüngste. Als
Maida Murselovic mit den Kindern in München untergebracht wurde, erfolgte die
Trennung der Familie, weil ihr Mann im Flüchtlingsheim Neuburg bleiben muß.
Und weil er sich nicht mehr um die Kinder kümmern konnte, konnte seine Frau
nicht mehr arbeiten gehen. Eine Arbeitsstelle ist aber für die Verfestigung
ihres Aufenthaltes unumgänglich. Auf
Nachfragen beim Bundesamt wird erklärt, daß die Zuschickung der
Ausreiseaufforderung an unter 5-Jährige eine Routineangelegenheit des
Bundesamtes sei. Ein Begleitschreiben, das den erschrockenen und in Panik
geratenen Eltern erklärt, daß es sich bei dieser
"Abschiebungsandrohung" nur um einen formalen Vorgang handelt, zu
dem die Behörde "verpflichtet" sei, und nicht um eine tatsächliche
Abschiebungsandrohung, hält das Amt nicht für notwendig. Welt 14.3.12; dapd 15.3.12; SZ
15.3.12; Spiegel 20.3.12 28. Februar 12 Bundesland Brandenburg. Ein 28 Jahre alter Neonazi
randaliert vor der Flüchtlingsunterkunft in Potsdam. Er wirft Steine in
Richtung des Gebäudes, zerschlägt mit einer Bierflasche die Eingangstür und
zeigt den "Hitlergruß". Bei
seiner Festnahme leistet er deutliche Gegenwehr und bespukt die Beamten. MAZ 28.2.12 7. März 12 Bundesland Bayern. Ein 17-jähriger afghanischer Flüchtling
versucht sich in der sogenannten Bayern-Kaserne in München zu erhängen. Nur durch
das rasche Einschreiten einiger Sozialbetreuer und der Mitarbeiter des
Wachdienstes, die auch erste Hilfe leisten, kann er gerettet werden und kommt
ins Krankenhaus. Der
Jugendliche wohnt seit ca. fünf Monaten in der Erstaufnahmestelle für
minderjährige Flüchtlinge und ist einer der Sprecher der BewohnerInnen, die
seit Monaten gegen die "menschenunwürdige Unterbringung"
protestieren. Bereits
im Januar hatten bis zu 40 Jugendliche mit einem Hunger- und Durststreik auf
die Mißstände aufmerksam gemacht. Jetzt
sollte in einer Woche der erste geplante Runde Tisch stattfinden. (siehe auch
11. Januar 12) Mainpost 7.3.12; Münchner
Abendzeitung 8.3.12; Welt 8.3.12; ND 12.3.12 7. März 12 Bundesland Bayern. Nach Beschluß des Bundesgerichtshofes
Karlsruhe wird ein 17 Jahre alter somalischer Flüchtling aus der
Abschiebungshaft in der JVA Stadelheim entlassen. Für den nächsten Tag war
seine Rückschiebung nach Ungarn geplant. Als
er am 27. Januar 12 im Zug aus Österreich kommend festgenommen wurde, war er
noch 16 Jahre alt. In
Bayern werden Frauen und Minderjährige, die sich in Abschiebehaft befinden,
im regulären Strafvollzug untergebracht. Damit verstößt Bayern gegen eine
EU-Richtlinie zur Rückführung illegaler Einwanderer aus dem Jahre 2008, daß
Abschiebegefangene getrennt von Strafgefangenen untergebracht werden müssen. BGH 8.5.12; SZ
16.8.12; Jesuiten-Flüchtlingsdienst 8. März 12 Bundesland Bayern. Wenige Stunden vor seiner geplanten
Abschiebung erleidet der 21 Jahre alte Ismail Afzali in der Abschiebehaft der
JVA München-Stadelheim einen schweren psychischen Zusammenbruch, wodurch die
Abschiebung nach Afghanistan nicht stattfinden kann. Er kommt in die
psychiatrische Klinik München-Haar, in der eine Posttraumatische
Belastungsstörung festgestellt wird. Ismail
Afzali war vor drei Jahren in die BRD geflüchtet und hatte Asyl beantragt,
weil er von den Taliban bedroht und unter Druck gesetzt worden war. In
Passau gelang es ihm, der nie schreiben gelernt hatte, mit enormem Fleiß
Deutsch zu lernen und als Übersetzer anderen Flüchtlingen zu helfen. Er
suchte sich auch eine Arbeit, bekam aber keine Arbeitserlaubnis. Und er
arbeitete unbezahlt (ehrenamtlich) in einem Altenheim, weil er gerne den
Beruf des Altenpflegers erlernen wollte. Als
Ismail Afzali vor einem Jahr schon einmal abschiebebedroht war, hatten sich
viele Menschen, auch PolitikerInnen verschiedener Parteien, für ihn
eingesetzt, so daß die Abschiebung verhindert werden konnte. Als
er jetzt wieder bedroht war, tauchte er unter, wurde jedoch am Münchener
Hauptbahnhof festgenommen und in Abschiebehaft gebracht. Im
Mai befindet er sich immer noch in stationärer Behandlung – inzwischen im
psychiatrischen Krankenhaus Mainkofen in Deggendorf. Ein Asylfolgeantrag und
eine Petition an den Bayerischen Landtag sind noch nicht entschieden. PNP 8.3.12; PFP
9.3.12; Zeit 5.5.12;
Unser Radio 10.5.12 13. März 12 Bundesland Niedersachsen. Am frühen Morgen um 3.00 Uhr
erscheinen in der Braunschweiger Unterkunft einer Roma-Familie fünf bis sieben
Personen in staatlichem Auftrag und fordern das Ehepaar auf, seine Sachen zu
packen. Sie sollen mit ihren vier Kindern im Alter von sechs bis elf Jahren
über Düsseldorf nach Serbien abgeschoben werden. Die psychisch schwerkranke
Mutter der Kinder gerät in Panik, greift zu einem Messer und versucht, sich
die Halsschlagader durchzuschneiden. Dies
kann verhindert werden. Die Frau kommt in die psychiatrische Klinik nach
Königslutter, und die Abschiebung wird vorerst ausgesetzt. Die
Familie befindet sich seit elf Monaten in der BRD, und die schwere psychische
Erkrankung und die Suizidalität der Frau waren den Behörden bekannt, zumal
auch der behandelnde Arzt die Frau als reiseunfähig eingestuft hatte. Daraufhin
hatte die Landesaufnahmebehörde ein Gegengutachten im Braunschweiger
Gesundheitsamt in Auftrag gegeben, das zu dem zu erwartenden Schluß kam, daß
die Frau durchaus reisefähig sei. Aber "um der Familie und insbesondere
der Frau Streß zu ersparen", wurde von dem Psychiater am 13.12.11 geraten,
die Abschiebung unangekündigt durchzuführen. Ratsanfrage der
BIBS-Fraktion 20.3.12; dapd 20.3.12;
ndr 20.2.12; HAZ 20.3.12; FRat NieSa
20.3.12 15. März 12 Bundesland Bayern. Um 8.30 Uhr geht ein Notruf bei der
Feuerwehr der oberfränkischen Stadt Lichtenfels ein: "Brand im
Asylbewerber-Wohnheim, mehrere Verletzte". Als die Feuerwehr eintrifft,
befinden sich die BewohnerInnen der brennenden Wohnung, ein junges
afghanisches Paar mit seinem 4-jährigen Sohn, bereits außerhalb des
Gefahrenbereichs. Ihr
Nachbar, der 26 Jahre alte Russe Aslanbek Pakayi war, nachdem er Hilferufe
gehört hatte, sofort in das Erdgeschoß gelaufen. Er drang dort in die
brennende Wohnung ein, tastete sich durch den schwarzen Qualm und fand als
erstes den Jungen, der bereits bewußtlos war. Nachdem er ihn auf den Flur
gebracht hatte, ging er ein zweites Mal in die Wohnung, entdeckte den
bewußtlosen Vater des Jungen und schleppte den 27-Jährigen auf den Flur
hinaus. Dann riskierte er ein drittes Mal sein Leben und seine Gesundheit,
indem er wieder in die Wohnung ging, in einem Nebenraum die Frau am Boden
liegend fand und schließlich auch hinaustrug. Die
gerufenen Rettungsdienste versorgen die drei Verletzten vor Ort, die schwere
Rauchgasvergiftungen erlitten haben. Die Mutter wird mit dem Rettungshubschrauber
in eine Nürnberger Spezialklinik geflogen, der Vater kommt ins Lichtenfelser
Klinikum und der kleine Sohn per Hubschrauber in die Kinderklinik nach
Erlangen. Auch der Retter der Familie, Aslanbek Pakayi, hat sich verletzt, er
hat schwere Bauchkrämpfe und leidet die nächsten Tage unter Appetitlosigkeit,
muß aber nicht ins Krankenhaus. Allen
sonstigen BewohnerInnen gelang es, rechtzeitig das Gebäude zu verlassen. Der
Sachschaden wird auf 25.000 Euro geschätzt – die Brandursache ist vorerst
unklar. Um
11.30 Uhr ist der Rettungseinsatz beendet, an dem sich 95 Feuerwehrleute aus
Lichtenfels, 45 Personen vom Rettungs- und Sanitätsdienst und 12
Polizeibeamte beteiligten. Polizei
Oberfranken 15.3.12; BRK – Coburg
15.3.12; SanEL 15.3.12; inFranken.de
26.4.12 15. März 12 Heidenau im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge
–Bundesland Sachsen. Unbekannte werfen Steine gegen die Flüchtlingsunterkunft
in der Geschwister-Scholl-Straße. Durch die Splitter der borstenden Scheiben
werden zwei Bewohner leicht verletzt. Die
Polizei ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung. (siehe auch: 1. Januar 12 und 24. Januar 12) Polizei Dresden
27.3.14; BT DS 18/203 22. März 12 Bad Belzig in Brandenburg. Der Flüchtling William K. ist
spätabends auf dem Weg in seine Flüchtlingsunterkunft. Auf Höhe des
Schwimmbades wird er rassistisch beleidigt und mit einer abgebrochenen
Glasflasche um sein Leben bedroht. Dies
ist bereits der zweite rassistische Angriff auf ihn und William K. ist
inzwischen aufgrund der psychischen Folgen in therapeutischer Behandlung. Da
das Leben in der Massen unterkunft eine besondere Belastung darstellt, beantragt William K. im April den Umzug in eine Wohnung. Nach
dreimonatiger Bearbeitungszeit erhält er eine Absage und zusätzlich eine
Geldkürzung auf 184 Euro pro Monat. (siehe auch 12. Dezember 11) Opferperspektive
3.8.12 26. März 12 Bundesland Hessen. Im vierten Stock der Zentralen
Ausländerbehörde des Regierungspräsidiums in Kassel beginnen für die nächsten
zwei Wochen sogenannte Indentitätsfeststel- lungen. 77
abgelehnte chinesische AsylbewerberInnen aus verschiedenen Bundesländern
werden hier von deutschen und extra eingeflogenen chinesischen Beamten
verhört, um anhand der Dialekte und Personalien feststellen zu lassen, ob sie
tatsächlich aus China stammen. Sie sitzen also staatlichen Beamten aus dem
Land gegenüber, aus dem sie geflüchtet sind. Ziel
dieser Anhörung ist die Erstellung von Pässen, wodurch die Menschen schneller
abgeschoben werden können. Die
Flüchtlinge berichten hinterher, daß ihnen alle Gegenstände, die sie bei sich
führten, ob Taschentücher oder Handys, abgenommen und in kleinen
Plastikbeuteln verwahrt wurden und daß einige Flüchtlinge Leibesvisitationen
unterzogen wurden, bei denen sie sich völlig entkleiden mußten. Zudem bekamen
sie in den vielen Stunden des Wartens weder Getränke noch zu essen. Am
schwersten wiegt jedoch der Vorwurf, daß die chinesischen Beamten vom
Ministerium für Staatssicherheit gewesen seien und daß diese Einblick in
Asylunterlagen hatten. Der
Pressesprecher des Regierungspräsidiums weist alle Vorwürfe detailliert
zurück. HNA 24.3.12; HNA
29.3.12; FRat Hessen
23.3.12; FRat Hessen 25.3.12; FRat Hessen
4.4.12; 27. März 12 Flughafen Frankfurt am Main. Ein afghanisches Ehepaar soll
mit seinen fünf Kindern auf Weisung des Donnersbergkreises (Rheinland-Pfalz)
entsprechend dem Dublin-II-Verfahren nach Rom
rückgeschoben werden. Die Frau kommt in vier Tagen in die 35. Schwangerschaftswoche. Wegen
eines Streiks am Flughafen wird der planmäßige Flug storniert, und die
Bundespolizei prüft, ob die Familie in die nächste Maschine umgebucht werden
kann. Die
Wartezeit ím Familienraum dauert viele Stunden, so daß die BeamtInnen Essen
und Trinken besorgen müssen. Plötzlich klagt die Frau über Übelkeit und
starke Kopfschmerzen, so daß sie in die Flughafenklinik gebracht werden muß.
Damit kann die Abschiebung an diesem Tag nicht mehr stattfinden. Als
die Bundespolizei einen Flugtermin für den nächsten Tag vorschlägt,
verzichtet die Ausländerbehörde aufgrund des Risikos durch den Streik auf die
Rückschiebung und hat auch in der Folge keine weiteren Überstellungsversuche
unternommen. Abschiebebeobachtung
FFM 2012 28. März 12 Flughafen Frankfurt am Main. Auf Anordnung der
Ausländerbehörde Chemnitz soll ein Ehepaar mit Kindern in unterschiedliche
Länder abgeschoben werden: der Mann nach Mazedonien und die Frau mit den
beiden gemeinsamen kleinen Kindern nach Serbien. Dieses Vorhaben erfahren sie
erst auf dem Flughafengelände. Kurz
vor dem Abflug wird auf Verfügung des sächsischen Innenministeriums die
Abschiebung gestoppt. Wegen
der Überschreitung der Dienstzeiten können die BeamtInnen der Bundespolizei
die Familie nicht mehr nach Sachsen zurückfahren. Sie besorgen Bahntickets
und bringen sie zum Fernbahnhof am Flughafen. Zu diesem Zeitpunkt hat die
Familie erhebliche Strapazen hinter sich. Sie sind seit 2.00 Uhr unterwegs,
die Frau stillt noch den drei Monate alten Säugling, und alle sind körperlich
und seelisch völlig erschöpft. Am
4. April wird die Familie dann tatsächlich abgeschoben: der Vater nach
Mazedonien und die Mutter mit den kleinen Kindern nach Serbien. Sie sind
mittellos und wissen nicht, wie sie ihren Heimatort erreichen sollen. Der
Wohnort der Eltern der Mutter liegt ca. 400 Kilometer von Belgrad entfernt.
Die Ausländerbehörde erklärt sich bereit, der Mutter
"ausnahmsweise" 50 Euro auszuzahlen – der Vater bekommt von der
Abschiebebeobachterin ein kleines Handgeld aus Kirchenmitteln. Hinsichtlich
der Mittellosigkeit erklärt das sächsische Innenministerium auf Nachfrage
durch die Abschiebungsbeobachtung, daß aufgrund des regelmäßigen Bezugs von
Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz eine Mittellosigkeit
"lebensfremd" sei. Abschiebebeobachtung
FFM 2012 29. März 12 Bundesland Bayern. Es ist der 11. Tag des Hungerstreiks
der insgesamt 10 iranischen Flüchtlinge, die seit dem 19. März in Pavillons
und Zelten vor dem Würzburger Rathaus campieren. Ein junger Mann kommt mit
Kreislaufproblemen in die Klinik. Am nächsten Tag wird der 24-jährige
Samander X. mit Verdacht auf Magenblutungen ins Krankenhaus gebracht. Beide
Männer werden jeweils am selben Tag wieder entlassen und setzen ihren Protest
vor dem Rathaus fort. Die
Flüchtlinge wollen mit dem Hungerstreik auf ihre ausweglose Situation
aufmerksam machen. Sie fordern die Anerkennung als politische Flüchtlinge,
und sie fordern ein selbständiges, menschenwürdiges Leben in Freiheit. Sie
leben zum Teil seit Jahren in der Gemeinschaftsunterkunft Würzburg, einer
alten Kaserne mit rostiger Umzäunung und schweren Eisentüren. Sie erhalten
nur Essenspakete, statt ausreichend Bargeld, um sich selbst zu ernähren, sie
unterliegen der Residenzpflicht und dem Arbeitsverbot. Viele werden allein durch
den Aufenthalt psychisch krank und nehmen Anti depressiva, nur um den Tag zu überstehen. "Aufgrund
unserer unwürdigen, krankmachenden Situation als Asylbewerber" bleibe
ihnen keine andere Wahl, als an die Öffentlichkeit zu gehen. Sie sind Oppositionelle,
Gefolterte und Verfolgte des Regimes im Iran und gehen davon aus, daß ihnen
bei einer Abschiebung die Todesstrafe droht. Einer
der Sprecher der Hungerstreikenden ist Hassan Hosseinzadeh, der seit fünf
Jahren in dem Flüchtlingslager leben muß. Er
war im Januar von Mohammad Rahsepar nach der Länge der Aufenthaltszeiten der
Flüchtlinge in diesem Lager gefragt worden, und er bereut es noch heute, daß er seinem
Mitbewohner damals die Wahrheit sagte, denn Mohammad Rahsepar erhängte sich
kurz danach. (29. Januar 12) Mit
dem Hungerstreik gelingt es den Iranern, ihre Situation als Flüchtlinge in
Bayern öffentlich zu machen. Presse und PolitikerInnen besuchen die Zelte vor
dem Rathaus, nur die Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU), mit der die
Flüchtlinge sprechen möchten, fühlt sich nicht zuständig. Ab
dem 11. Hungerstreik-Tag (29. März) trinken die Männer nur noch Wasser –
keine Säfte und keine Tees mehr. Nachdem
am Wochenende (31. März/1. April) zwei Hungerstreikende ins Krankenhaus kommen,
bricht am Montag ein dritter Mann wegen Unterzuckerung zusammen und muß
ebenfalls stationär behandelt werden. Am
5. April brechen die Flüchtlinge den Hungerstreik zunächst ab, weil der
Vizepräsident des Bundesamtes für Migration und ein Vertreter des Bayerischen
Sozialministeriums sich bereit erklärt haben, die Asylgründe der Iraner noch
einmal zu prüfen und mit ihnen im Würzburger Rathaus zu sprechen. Der
Protest der Flüchtlinge wird unvermindert fortgesetzt, auch als ihnen die
Stadtverwaltung den Platz vor dem Rathaus verwehrt und sie zum Unteren Markt
umziehen müssen. Dort dürfen sie allerdings nur die Pavillons aufstellen,
dort zu nächtigen wird verboten, was die Polizei dann auch mit der Wegnahme
von neun Schlafplätzen durchsetzt. Am
23. April starten die Flüchtlinge eine Petition an den Bayerischen Landtag.
Sie fordern neben der Abschaffung von Gemeinschaftsunterkünften und
Essenspaketen auch das Recht eines jeden Asylantragstellers und einer jeden
Antragstellerin auf DolmetscherInnen und RechtsanwältInnen. Am
30. April setzen die Flüchtlinge den Hungerstreik fort – sie nehmen ab sofort
nur noch Wasser zu sich. Damit protestieren sie auch gegen den Ablauf der
Überprüfungsfrist ihrer Asylanträge, die vom Bundesamt nach Einbringung neuer
Fakten neu entschieden werden sollen. Am
4. Mai wird öffentlich, daß vier Flüchtlinge als Asylbewerber jetzt anerkannt
sind, ein Antrag bearbeitet und abgelehnt ist, zwei weitere sich noch im
Wiederaufnahme-Prozeß befinden und für drei Anträge noch keine Entscheidung
gefallen ist. Diese Behörden-Aktivitäten hätten allerdings mit dem
Hungerstreik der Asylantragsteller nichts zu tun, denn das Bundesamt sei
"nicht erpressbar", so eine Sprecherin des Bundesamtes für
Migration und Flüchtlinge (BAMF). Trotz
dieser Teilerfolge des Protestes streiken alle Iraner weiter, um für alle die
Anerkennung als Asylbewerber zu erreichen. Am
9. Mai beenden die Flüchtlinge den Hungerstreik – ihr nun schon seit
siebeneinhalb Wochen dauerndes Protest-Camp setzen sie fort. In
der Nacht zum 4. Juni, zehn Wochen nach Beginn der Protestaktionen, verkünden
Arash Dosthossein und Mohamad Hassanzadeh Kalali, daß sie erneut einen
Hungerstreik beginnen und nähen sich die Lippen zusammen. Bis zur Erfüllung
ihrer Forderungen werden sich alle drei Tage weitere Iraner den Mund zunähen.
Arash
Dosthossein war im Iran Rechtsanwalt, wurde inhaftiert und gefoltert und
mußte ohne seine Frau aus dem Iran flüchten. Der
33-jährige Mohamad Hassanzadeh Kalali war Mechaniker im
islamisch-konservativen Maschhad, der zweitgrößten Stadt des Irans. Er hatte
gegen den Islamismus gekämpft, und bei einer Abschiebung droht ihm der Tod. Die
beiden wiederholen die Forderung nach Anerkennung aller (!) Protestierenden
als politische Flüchtlinge, denn es wurden vom Bundesamt bisher nur fünf
positiv entschieden. Ein weiterer Mann darf nicht abgeschoben werden, ein
Antrag wurde abgelehnt, und die übrigen drei Männer klagen derzeit vor dem
Verwaltungsgericht gegen ihre ablehnenden Bescheide. Zudem fordern sie
weiterhin die Abschaffung aller Flüchtlingslager, Abschiebestop u.a. Aus
Solidarität und zur Unterstützung der Forderungen kleben sich sechs weitere
Protestierende ihre Lippen mit Pflaster zu. Da die Aktion auch auf Seiten der
UnterstützerInnen nicht unumstritten ist, erklären die beiden öffentlich, daß
sie sich zu diesem "gezielten und bewußten Kampf" in
"körperlicher und geistiger Gesundheit" entschlossen haben. Am 6. Juni nähen sich zwei
weitere Iraner die Münder zu: Reza Feizi aus Aub und Payam Rahhoo aus Schweinfurt.
Reza Feizi ist nierenkrank und zudem im Besitz von nur einer Niere. Am 8.
Juni wird er ins Krankenhaus eingeliefert. Am
11. Juni schließen sich drei weitere Flüchtlinge dem Protest an und vernähen
sich die Lippen. Es sind Frau Mandana Hemat Esfeh aus Bayreuth, Azhin Asadi
aus Aub und Mehdi Sajadi aus Augsburg. Damit erhöht sich die Zahl der
Hungerstreikenden, die ausschließlich Wasser zu sich nehmen, auf dreizehn. Der
24-jährige Mehdi Sajadi war Internetblogger in Teheran und wandte sich
öffentlich gegen die Steinigungen durch das Ayatollah-Regime. Nachdem die
Geheimpolizei seine Wohnung durchsucht hatte, gelang ihm die Flucht außer Landes. Erneut
reagiert die Stadtverwaltung mit Verboten und Schikanen. Am 15. Juni wird den
Flüchtlingen mit zugenähten Mündern verboten, sich weiterhin im Protest-Camp
aufzuhalten – auch dürfen von ihnen keine Bilder sichtbar aufgehängt werden.
Dies sei nötig, um die Öffentlichkeit zu schützen. Zudem sollen die
Protestierenden erneut zu einem anderen Ort der Innenstadt umziehen. Um
"Versammlungstourismus" zu verhindern, verbietet die Stadt
kurzerhand Flüchtlingen aus anderen Städten, an dem Protest teilzunehmen. Drei
Tage später hebt das Verwaltungsgericht Würzburg diese Verbote wieder auf. Reza
Feizi und Payam Rahoo haben durch ihren Protest-Hungerstreik und das
Zusammennähen der Lippen jetzt – nach zweijähriger Wartezeit – die
Anerkennung als politische Flüchtlinge erhalten. Frau Mandana Hemat Esfeh,
die auf Drängen ihrer Freunde die Fäden an ihrem Mund wieder entfernt hat,
wird mitgeteilt, daß ihre Tochter in eine andere Gemeinschaftsunterkunft
kommen wird, wenn sie nicht umgehend nach Bayreuth zurückkehrt. Am
22. Juni kündigen Mohamad Hassanzadeh Kalali und Arash Dosthossein an, daß
sie bis zum 100. Protesttag abwarten und dann, ab dem 27. Juni, auch kein
Wasser mehr zu sich nehmen werden, wenn bis dahin die noch anstehenden
Asylanträge nicht bearbeitet sein sollten. Mohamad
Hassanzadeh Kalali begibt sich ab dem Stichtag in Lebensgefahr, indem er
seinen Hungerstreik jetzt "trocken" fortsetzt. Der Pressesprecher
des Verwaltungsgerichts Regensburg sagt daraufhin eine rasche und zügige
Bearbeitung der Akte zu. Als
am 6. Juli das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den
Flüchtlingen mündlich mitteilt, daß die vier dort vorliegenden Akten
bearbeitet worden seien, entfernen alle Männer ihre zum Teil seit Wochen in
den Lippen sitzenden Fäden und beenden den Hungerstreik. Allein
Mohamad Hassanzadeh Kalali nimmt weiterhin keine Nahrung zu sich. Inzwischen
hat er 60 Tage gehungert und mehrere Tage nichts getrunken. Er leidet
zunehmend unter Herzrhythmusstörungen und Nierenproblemen. Seit
Anfang Juli sind weitere Protest-Camps entstanden. In Aub und Bamberg haben
Flüchtlinge ihre Lager verlassen, bauen Zelte und Pavillons in den
Innenstädten auf und protestieren von hier aus gegen die Flüchtlingspolitik
der Bundesrepublik. Ab
dem 11. Juli beginnen sechs Asylbewerber aus dem Iran mit einem Protest-Zelt
auf dem Neupfarrplatz in Regensburg. Ab
16. Juli besteht ein Protest-Camp auch in Düsseldorf in der Nähe des
Nordrhein-Westfälischen Landtages. Auch hier sind Flüchtling aus dem Iran und
Guinea in den Hungerstreik getreten. Am
28. Juli protestieren mehrere hundert Menschen zeitgleich ab 14.00 Uhr in
Würzburg, Aub, Bamberg und Regensburg unter dem Motto :"Kein Mensch ist
illegal! Wir bleiben alle!" (siehe auch 23. Juli 12, 5. September 12 und
den Text "Flüchtlingsproteste im
Jahre 2012") Hungerstreikende
Flüchtlinge in Würzburg; jW 18.3.12; pSZ
21.3.12; Welt 25.3.12; SZ 28.3.12; SWP
29.3.12; inFranken.de
3.4.12; MM 3.4.12; epd 4.4.12; SZ
4.4.12; Welt 5.4.12; ND 13.4.12; br
23.4.12; Welt 30.4.12;
inFranken.de 30.4.12; br 4.5.12; Welt
4.5.12; SZ 5.5.12; AZ Nürnberg
9.5.12; domradio 4.6.12;
MM 4.6.12; HA 4.6.12; br 4.6.12; AZ
Nürnberg 4.6.12; Mainpost 5.6.12; inFranken.de
6.6.12; Mainpost 8.6.12; Bild 15.6.12; br
19.6.12; Focus 19.6.12; AA 20.6.12; Karawane 3.7.12;
Mainpost 6.7.12; BaZ 10.7.12; ND 21.7.12; SZ
30.7.12; asylstrikeberlin.wordpress.com;
www.refugeetentaction.net 3. April 12 Flughafen Frankfurt am Main. Auf Anordnung der
Ausländerbehörde Chemnitz soll eine Mutter mit ihren zwei kleinen, in
Deutschland geborenen Kindern nach Serbien abgeschoben werden. Die Frau ist
in der 31. Schwangerschaftswoche und eine Flugtauglichkeitsbescheinigung
liegt nicht vor. Als
die Frau sich beschwert, wird sie von den BeamtInnen in die Flughafenklinik
gebracht, wo eine gynäkologische Untersuchung angeordnet wird. Die
Frau weint ununterbrochen und wiederholt, daß der Vater der Kinder in
Deutschland lebt. Sie versteht nicht, warum sie, die überwiegend in
Deutschland gelebt hat, jetzt in ein für sie fremdes Land abgeschoben werden
soll. Die
Bundespolizei bricht die Abschiebung ab, und die Frau kann zu ihrem Heimatort
in Sachsen zurückkehren. Hinsichtlich
der Schwangerschaftsprobleme antwortet das sächsischen Innenministerium auf
Nachfrage der Abschiebungsbeobachtung, daß man bei einer Frau in der 31.
Schwangerschaftswoche nicht davon ausgehe, daß sie hochschwanger sei. Abschiebebeobachtung
FFM 2012 13. April 12 Hopsten im Kreis Steinfurt in Nordrhein-Westfalen. Vier
junge, schwarz gekleidete Männer werfen mitten in der Nacht einen Molotow-Cocktail
auf einen Balkon eines Wohnhauses, das als Flüchtlingsunterkunft für
albanische Familien dient. Durch eine dort gelagerte Matratze wird der
Aufprall der Brandflasche abgefedert, so daß sie nicht zerschellt, die
brennende Lunte allerdings die Matratze entzündet. Ein aufmerksamer Zeuge
alarmiert die BewohnerInnen, die daraufhin die brennende Matratze auf die
Straße werfen, so daß das Feuer dort gelöscht werden kann. Niemand von den
Anwesenden wird verletzt. Später
gestehen insgesamt sechs Jugendliche eine Beteiligung an der Planung des
Anschlags und am Bau des Brandsatzes. Es sind zwei 16-Jährige, zwei
17-Jährige, ein 20 und ein 22 Jahre alter Mann – der 20-Jährige gilt als
Haupttäter, der den Brandsatz geworfen hat. Schon an einem Wochenende vor der
Tat hatten die Männer versuchsweise einen Molotow-Cocktail auf dem
ALDI-Parkplatz im Dorf zur Explosion gebracht – als eine Art
"Warm-up" für den Brandanschlag, wie ihr Richter es später
beschreiben wird. Am
17. November 12 haben sich die Täter vor dem Jugendschöffengericht Ibbenbüren
zu verantworten. Obwohl einer der Täter bei der polizeilichen Vernehmung als
Motiv Rache angegeben hat und mindestens ein zweiter die Aussage gemacht hat,
daß Ausländer in Hopsten nichts zu suchen hätten, wird der Suche nach den
Motiven für die Tat nicht weiter nachgegangen. Die
Jugendgerichtshilfe erklärt deutlich, keinen rechten Hintergrund der Täter zu
sehen, und die Staatsanwaltschaft äußert, daß es "einen rechtsradikalen
Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Hopsten nicht gegeben hat." Schließlich
kommt das Gericht zu dem Schluß, daß die Tat aus "Langeweile",
"Sensationslust" und "persönlichen Rachegefühlen" sowie
mit "einem erheblichen Maß an Dummheit und Ignoranz" begangen
worden sei. Wegen versuchter schwe- rer Brandstiftung werden alle unter 21-Jährigen zu 60 bis
140 Sozialstunden verurteilt, der 22-Jährige zu neun Monaten Haft auf
Bewährung. Zudem müssen sie an einem Anti-Gewalt-Training teilnehmen und sich
bei der Familie entschuldigen. Welt 16.4.12;
Ruhr Nachrichten 16.4.12; NRW rechtsaußen
19.11.12; Emanzipatorische
Antifa Münster 19.11.12 14. April 12 Bundesland Brandenburg. Im Potsdamer Flüchtlingsheim Am
Nuthetal werden durch den Brand eines Kinderwagens drei Personen verletzt.
Unter ihnen befinden sich eine schwangere Frau und ihr 11-jähriger Sohn. Sie
kommen alle mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung in ein Krankenhaus. Das
Feuer kann schnell gelöscht werden, so daß die 170 BewohnerInnen im Gebäude
bleiben können. Die Polizei ermittelt wegen schwerer Brandstiftung. ND 14.4.12; BM 15.4.12; ND 16.4.12 23. April 12 Bundesland Bayern. In der Würzburger Flüchtlingsunterkunft
Veitshöchheimer Straße – Stadtteil Unterdürrbach – fügt sich um ca. 22.30 Uhr
ein iranischer Flüchtling mit den Scherben einer zerbrochenen Flasche schwere
Schnittverletzungen zu. Er wird nach medizinischer Versorgung durch Sanitäter
aufgrund von Eigengefährdung ins Bezirkskrankenhaus gebracht. Polizei
Unterfranken 24.4.12; SZ 24.4.12; NBK
24.4.12; inFranken.de 24.4.12 25. April 12 Landkreis Spree-Neiße in Brandenburg. Die Bundespolizei
kontrolliert ein in Belgien zugelassenes Fahrzeug, das auf der Bundesstraße
97 in Richtung Cottbus unterwegs ist. Außer
dem 31-jährigen Fahrer befinden sich noch drei Russen im Alter von 51, 40 und
13 Jahren im Wagen, die keine gültigen Aufenthaltspapiere vorweisen können. Der
40-Jährige kommt aufgrund von gesundheitlichen Problemen umgehend in die
stationäre Aufnahme eines Krankenhauses. Der 51-Jährige und sein 13 Jahre
alter Sohn werden von den Beamten zur zentralen Ausländerbehörde nach
Eisenhüttenstadt gebracht. Bundespolizei
Berlin 26.4.12 26. April 12 Bundesland Nordrhein-Westfalen. Eine halbe Stunde nach
Mitternacht erscheinen ein Einsatzteam der Bundespolizei und Angestellte der
Ausländerbehörde ohne Vorankündigung im Wohnheim von Brilon, durchsuchen die
Räume, kontrollieren die Menschen und nehmen den 23-jährigen Rom Adil Herceg
mit, um ihn umgehend in den Kosovo abzuschieben. Damit ist der Rom von seiner
Ehefrau und seiner 16 Monate alten Tochter gewaltsam getrennt. Ebenfalls
um 0.30 Uhr dringen ca. 20 Polizisten überfallartig in die Wohnung der Eltern
und anderer Familienangehörigen ein und kontrollieren deren Papiere. Da auch
diese Menschen von Abschiebung bedroht sind, erleben die z.T. schwerkranken
Menschen diesen nächtlichen Überfall in Panik. Adil
Herceg war vor 20 Jahren, also als 3-Jähriger, mit seinen Eltern in die BRD
gekommen, lebte bis zur Abschiebung in Flüchtlingslagern, arbeitete als
Leiharbeiter und geriet schließlich durch Fahren ohne Ticket und das
Nicht-Bezahlen der Bußgelder in die Rubrik "Straftäter". Im
Herbst 2013 sind seine Eltern von der Abschiebung bedroht. Die 47-jährige
Belina Herceg leidet an Diabetes und und ist in psychotherapeutischer Behandlung
– sie hat bereits zwei Suizidversuche hinter sich. Sie
ist – zusammen mit ihrem Mann Nazmi (49) – vor 21 Jahren in die
Bundesrepublik gekommen. Beide betrachten den Hochsauerlandkreis als ihre
Heimat und leben unabhängig von staatlicher finanzieller Unterstützung, weil
sie beide Arbeit haben. Alle ihre Angehörigen, Kinder und Enkelkinder, leben
hier. Nun will die Ausländerbehörde sie in den Kosovo und nach Mazedonien
abschieben. alle bleiben
26.4.12; WAZ 2.5.12; alle bleiben
5.5.12; WAZ 9.10.13; wdr
23.10.13; Unterstützer*innenkreis
der Familie Herceg April 12 Bundesland Niedersachsen. Der Landkreis Stade verweigert
einer Frau aus dem Kosovo mit ihrem fast fünf Monate alten Baby den Umzug aus
Osnabrück zu ihrem Ehemann nach Stade. Die Begründung ist, daß ihr Mann – ein
Sinti, der die meiste Zeit seines Lebens in Deutschland verbrachte, hier
arbeitet und keine Sozialleistungen erhält – den gesetzlich geforderten
Unterhalt für seine aufenthaltsrechtlich geduldete Ehefrau nicht aufbringen
kann. Es
ist so, daß viele Landkreise gerichtlich durchgesetzt haben, daß MigrantInnen
ein höheres Einkommen erwirtschaften müssen (ca. 25 %) als SGB II
EmpfängerInnen. Darauf stützt sich der Landkreis, und argumentiert zudem, daß
die Frau ja jederzeit sowieso abgeschoben werden könne. Erst
seit dem 12. Juni 12 wird der Aufenthalt der Frau bei ihrem Mann in Stade
geduldet. Am 1. Januar 2013 bringt sie ihr zweites Kind zur Welt. Die
Ausländerbehörde hat sie aufgefordert, zusammen mit ihren beiden kleinen
Kindern bis zum 15. März 2013 "freiwillig" nach Serbien
auszureisen. Sollte sie es nicht tun, würde die Abschiebung angeordnet, und
dies, obwohl der sorgeberechtigte Kindesvater über eine Aufenthaltserlaubnis
verfügt, in einem festen Arbeitsverhältnis steht und die Familie keinerlei
Sozialleistungen in Anspruch nimmt. Buxtehuder
Tageblatt 25.4.12; Andreas Kuehn -
Rechtsanwalt 3. Mai 12 Bundesland Sachsen. Im Haftkrankenhaus der JVA Leipzig
schluckt ein 27 Jahre alter tunesischer Abschiebegefangener vier Schrauben
und 12 Tage später einen zerbrochenen Eßlöffel. Am 31. Mai befindet er sich
seit 10 Tagen in einem Hungerstreik und schneidet sich seinen Arm auf.
Daraufhin wird er 48 Stunden lang in einem besonders gesicherten Haftraum
festgebunden. Am
21. Juni wird er nach knapp zwei Monaten Abschiebungshaft nach Italien
zurückgeschoben. Da jedoch die Überstellungsfrist abgelaufen war, darf er
wieder in die Bundesrepublik einreisen. KMii Leipzig 8. Mai 12 Flüchtlingsheim Betzingen in Baden-Württemberg. Als der 31
Jahre alte Asylbewerber um 11.40 Uhr im Büro der Heimleitung erfährt, daß er
kein Einzelzimmer bekommt, beginnt er, Gegenstände wahllos zu beschädigen,
und bedroht den Heimleiter mit einer zerbrochenen Glasflasche. Der
Heimleiter benutzt Tränengas, um den Bewohner auf Distanz zu halten, der
jedoch auch noch den Hausmeister mit einem Messer bedroht. Danach geht er in
sein Zimmer und zerstört auch dort die Einrichtung. Die
gerufene Polizei nimmt den durch das Tränengas verletzten Flüchtling fest und
bringt ihn ins Krankenhaus, wo er nach medizinischer Erstversorgung in der
psychiatrischen Klinik stationär aufgenommen wird. SWP 10.5.12 8. Mai 12 Bundesland Sachsen. Aus der JVA Dresden heraus soll der
27-jährige Abschiebegefangene Idris A. in die Türkei abgeschoben werden.
Nachdem sich der Kurde allerdings in den Räumen der Polizeidirektion selber
verletzt, verweigert die Bundespolizei seine Übernahme mit der Begründung, er
würde die Flugsicherheit gefährden. Beim nächsten Abschiebeversuch am 22. Mai
12 ist Idris A. an Händen und Füßen gefesselt und trägt einen großen
Schutzhelm auf dem Kopf. Vor dem Betre-ten des Flugzeuges wehrt er sich und
schreit so heftig, daß der Flugkapitän sich weigert, ihn mitzunehmen. An der
Gegenwehr und der Drohung, sich wieder zu verletzen, scheitert auch der
nächste Abschiebungsversuch am 3. Juli 12. Idris
A. hat große Angst vor der Rückschiebung in die Türkei, in der er als
angeblicher PKK-Sympathisant wiederholt in Gefangenschaft geriet und auch
geschlagen wurde. Seinem
in Deutschland lebenden Bruder gegenüber hat er im Falle einer Abschiebung
konkrete Suizidpläne geäußert – allein der Hinweis auf seine Mutter hat ihn
von der Umsetzung abgehalten. Für
den 16. Juli 12, dem Stichtag der nächsten Abschiebung, haben die Behörden
eine kleine Cessna-Maschine mitsamt ärztlicher und sicherheitstechnischer
Begleitung gebucht. Rund
80 AktivistInnen vom Netzwerk Asyl, Migration, Flucht Dresden (NAMF) und
andere versuchen vom frühen Morgen des 16. Juli 12, das Zufahrtstor der JVA
Dresden zu blockieren. Die Polizisten kesseln die Menschen ein, und beginnen
die ersten DemonstrantInnen wegzutragen. Die anderen TeilnehmerInnen
skandieren: "Nazis morden – der Staat schiebt ab" und
"Bleiberecht für alle – jetzt sofort!". Gegen
10.00 Uhr öffnet sich das Eingangstor, und drei Polizeitransportfahrzeuge
verlassen das JVA-Gelände und fahren mit Blaulicht davon. Es ist
offensichtlich, daß Idris A. sich in einem der Fahrzeuge befindet. Idris
A., in der Türkei politisch aktiv in der seit Dezember 2009 verbotenen
"Demokratiepartei" (DTP), wird nach zweieinhalb Jahren
Deutschland-Aufenthalt nach abgelehntem Asylgesuch um 11.07 Uhr vom Flughafen
Dresden in die Türkei ausgeflogen. AZADI infodienst
NBr. 115 Juli 12 8. Mai 12 Flughafen Frankfurt am Main. Ein 33 Jahre alter Mann soll
im zweiten Versuch nach Erbil in den Nordirak abgeschoben werden. Er erzählt
gleich bei seiner Ankunft, daß er nicht in den Irak fliegen will. Da er
passiven Widerstand leistet, wird er von der Bundespolizei bis zum Flughafenbus
getragen. Im Bus legt er sich regungslos auf die Sitzbank und reagiert auf
gar nichts mehr. Der Flugkapitän weigert sich daraufhin, ihn zu befördern. Abschiebebeobachtung
FFM 2012 10. Mai 12 Altena in Nordrhein-Westfalen. Ein Feueralarm geht bei der
Feuerwehr um 19.45 Uhr ein, und als die Rettungskräfte in der
Fritz-Thomee-Straße eintreffen, brennen bereits große Teile des Dachstuhls
der dortigen Flüchtlingsunterkunft. Die Rettungskräfte dringen mit schwerem
Atemschutz in das weitläufige und verwinkelte Gebäude vor. Von
den insgesamt 16 BewohnerInnen können die zur Zeit anwesenden neun Personen
aus dem Gebäude gerettet werden. Eine Bewohnerin, die den Brand von der
Straße aus gesehen hat, kommt mit einem Schock ins Krankenhaus. Ein
23-jähriger Bewohner wird in Handschellen abgeführt, denn er steht im
Verdacht, das Feuer verursacht zu haben. Mitarbeiter des Ordnungsamtes deuten
an, daß er psychische Probleme habe. Er kommt zur stationären Behandlung ins
Krankenhaus. Die
BewohnerInnen werden in einem Haus der Altenaer Baugesellschaft In der
Heimecke untergebracht. Im Herbst wird klar, daß sie dort auch bleiben, weil
ein Rückzug in das zerstörte Haus nicht möglich ist. In den 16 Zimmern der
neuen Unterkunft sollen maximal 23 Personen leben. Familien bekommen von der
Stadt allerdings eine normale Wohnung zugewiesen. RP 10.5.12; YouTube - Sauerland2day; come-on.de 11.5.12; DRK im
Märkischen Kreis 11.5.12; WAZ 25.19.12; Polizei Altena 12. Mai 12 Landkreis Dahme-Spree in Brandenburg. Am frühen Morgen
brennen im Flüchtlingsheim von Waßmannsdorf zwei Kinderwagen, die
offensichtlich von Unbekannten angesteckt wur- den. Die Feuerwehr kann ein Übergreifen der Flammen auf
weitere Räume verhindern. Die Polizei schließt einen politischen Hintergrund
nicht aus. ND 14.5.12 15. Mai 12 Bundesland Brandenburg. An der Potsdamer Haltestelle
Magnus-Zeller-Platz werden gegen 19.00 Uhr drei Flüchtlinge zunächst
beleidigt mit Sätzen wie "Was machst du in Deutschland, du Penner".
Danach werden sie geschlagen und getreten. Ein 22-jähriger afghanischer
Flüchtling wird von einer Bierflasche am Kopf getroffen und verletzt.
Aufgrund seines körperlichen Zustandes wird er von Rettungskräften in ein
Krankenhaus gefahren, wo er feststellt, daß ihm Bargeld fehlt. Er läßt sich
auf eigenen Wunsch umgehend entlassen. Einer
der Angreifer, ein 27-jähriger Mann, war kurz vor dem Angriff auf die
Flüchtlinge wegen eines bestehenden Hausverbots von Angestellten der Security
aus der Flüchtlingsunterkunft verwiesen worden. Polizei
Brandenburg 15.5.12; Opferperspektive 29. Mai 12 Bundesland Sachsen-Anhalt. In Halle werden ein 31 Jahre
alter Flüchtling aus Sierra Leone und seine 25-jährige Begleiterin in der
Straßenbahn Linie 1 gegen 22.45 Uhr von einer vierköpfigen Gruppe rassistisch
beleidigt. Als die beiden aussteigen wollen, stellt eine Frau aus der Gruppe
der 25-Jährigen ein Bein und ein Mann beginnt, den Flüchtling massiv zu
schubsen. Als die Betroffenen an der Haltestelle Marktplatz in eine andere
Bahn umsteigen, werden sie von den AggressorInnen bis in den Waggon der
Anschlußbahn verfolgt. Gerade als er sich hinsetzen will, bekommt der Mann
aus Sierra Leone einen Schlag gegen den Kopf, so daß dieser gegen die Scheibe
prallt und er sofort stark aus dem Mund blutet. Vier
StudentInnen gelingt es jetzt, den Angreifer aus der Bahn zu drängen und die
Polizei zu verständigen. Noch auf dem Marktplatz können die Beamten drei
Tatverdächtige feststellen. Ende
Oktober 13 muß sich der 39-jährige Haupttäter vor dem Amtsgericht Halle
(Saale) wegen Körperverletzung verantworten. Das Verfahren wegen
Beleidigungen seines 36 Jahre alten Kumpanen wird wegen Nicht-Erreichbarkeit
abgetrennt, und die Frau dieser Gruppe wird gar nicht erst angeklagt. Der
Angeklagte wird zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ohne Bewährung
verurteilt und bekommt unter Einbeziehung einer anderen Haftstrafe eine
Gesamtstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Zudem muß er dem Opfer seiner
Aggression 400 Euro Schmerzensgeld zahlen und außerdem die Kosten des
Verfahrens tragen. MDZ 30.5.12; Mobile Beratung
für Opfer rechtsextremer Gewalt 30. Mai 12 Flughafen Frankfurt am Main. Auf Anweisung der
Ausländerbehörde Emsland soll ein 49-jähriger Mann mit seiner Frau und seiner
2-jährigen Tochter nach Montenegro abgeschoben werden. Er wurde vor sechs
Monaten am Bein operiert, ist immer noch in medizinischer Behandlung, und
sein Bein sieht laut Aussage der Abschiebungsbeobachterin "bedenklich
geschwollen" aus. Das
Ehepaar erzählt, daß zwei Arzttermine – Neurologie und Chirurgie – anstehen
und nun nicht wahrgenommen werden können. Zudem sehen sie keine Chance, daß
die Behandlung des Beines in Montenegro fortgeführt werden kann. Die Familie
wird dann in Begleitung eines Abschiebungsarztes
ausgeflogen. Auf
Nachfrage der Abschiebebeobachtung erklärt das Innenministerium
Niedersachsen, daß die medizinische Behandlung des Beines abgeschlossen gewesen
sei und der Arzt, der die Familie begleitet hat, "sehr erfahren in der
Betreuung und Begleitung von ausreisepflichtigen Personen sei." Abschiebebeobachtung
FFM 2012 3. Juni 12 Bundesland Bayern. Morgens um 1.30 Uhr wird ein 22 Jahre
alter äthiopischer Flüchtling von einem deutschen Rassisten beleidigt,
angepöbelt und mit einer Flasche beworfen, die ihn am Schienbein verletzt.
Als der Attackierte den Täter zur Rede stellt, setzt dieser seine
rassistischen Äußerungen fort – schließlich kommt es zu körperlichen
Auseinandersetzungen der beiden Männer und zwischen deren Begleitpersonen.
Der Äthiopier erleidet dadurch weitere leichte Verletzungen. aida-archiv.de; Konkret (AZ
München) 7. Juni 12 Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern. In seiner Rostocker Unterkunft im Flüchtlingslager
Satower Straße wird der afghanische Flüchtling Alireza Samadi am frühen
Morgen von sechs Beamten aus dem Schlaf gerissen. Sie geben ihm 15 Minuten,
seine Sachen zu packen und sich unter ihrer Aufsicht anzuziehen. Telefonieren
mit dem Anwalt wird ihm und allen weiteren anwesenden MitbewohnerInnen
untersagt – ebenfalls die Mitnahme einiger privater Dinge. Dann wird der
schwer kriegsstraumatisierte und suizidgefährdete 28-Jährige trotz Vorliegens
einer Reiseunfähigkeitsbescheinigung aufgrund des Dublin-II-Abkommens
nach Norwegen abgeschoben. Herr Samadi war vor mehr als eineinhalb Jahren
von Norwegen in die Bundesrepublik gekommen, war zunächst im Lager Nostorf-Horst untergebracht und dann
vom Dezember 2010 bis zum Mai 2011 in der Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll,
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, wo seine schweren
Traumatisierungen aufgrund von Kriegs- und Verfolgungserlebnissen in
Afghanistan und die Suizidalität stationär behandelt wurden. Das Psychosoziale Zentrum in Greifswald, in dem
er bis dato in Behandlung war, hatte die Reiseunfähigkeitserklärung
ausgestellt, die jedoch vom Gesundheitsamt mißachtet wurde. Die Rückschiebung erfolgt völlig überraschend im
Zuge eines Alleinganges durch Anordnung des Landesamtes für Migration und
Flüchtlinge, das sich in diesem Falle weder mit der Rostocker
Ausländerbehörde noch mit dem Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern
abgesprochen hat. Jetzt besteht für Alireza Samadi die akute
Gefahr, daß er von Norwegen nach Afghanistan abgeschoben wird. Stop it! 8.6.12; FRat HH 9.6.12; FRat HH 11.6.12 13. Juni 12 Bundesland Rheinland-Pfalz. Im Ortsteil Heimersheim der
Stadt Neuenahr-Ahrweiler brennt um kurz nach 10.00 Uhr ein Zimmer im
Dachgeschoß des Flüchtlingsheimes in der Göppinger Straße. Nachdem
es der Polizei mit Handfeuerlöschern nicht gelingt, den Brand einzudämmen,
werden die Feuerwehren Heimersheim und Bad Neuenahr gerufen. Den 27
Einsatzkräften, die zum Teil mit schwerem Atemschutz im Treppenhaus
vordringen müssen, gelingt es bald, das Feuer zu löschen. Von
den insgesamt 14 BewohnerInnen sind zur Zeit des Brandes sieben im Haus, die
sich frühzeitig retten können. Eine Person, die unter Schock steht, muß ins Krankenhaus
transportiert werden. Die
Flüchtlinge können nach dem Brand nicht zurück in die Unterkunft, denn das
Haus ist unbewohnbar und das Löschwasser tropft durch alle Decken. Als
Brandquelle wird ein defektes Elektrogerät vermutet, das auf dem Schrank in
dem Dachgeschoßzimmer gestanden hat (vermutlich ein Sat-Empfänger). General-Anzeiger
13.6.12; Rhein-Zeitung
13.6.12 21. Juni 12 Bundesland Brandenburg. In Hennigsdorf/Oberhavel wird ein
Flüchtling aus Kenia nachts gegen 2.00 Uhr auf der Straße aus einer Gruppe
heraus rassistisch beleidigt und an der Schulter festgehalten ("Was
machst Du hier, Du Nigger"). Dem
36-Jährigen gelingt es, sich loszureißen und zu fliehen. Opferperspektive 23. Juni 12 Neustadt im Bundesland Sachsen. Ein Flüchtling wird von
einem Deutschen zunächst rassistisch beleidigt und dann mit einer Flasche
geschlagen. Mit Prellungen und Blutergüssen am Rücken gelingt es ihm, dem
Täter wegzulaufen. Im
Februar 2013 beginnt der Prozeß gegen den polizeibekannten rechtsradikalen
Angreifer. RAA Dresden 24. Juni 12 Landesaufnahmebehörde (LAB) Bramsche-Hesepe in
Niedersachsen. Der 24 Jahre alte Vahid Firouz, Flüchtling aus Afghanistan,
verletzt sich aus Verzweiflung an den Pulsadern, nachdem sein Asylantrag ein
zweites Mal abgelehnt wurde. Er kommt in eine geschlossene Abteilung der
psychiatrischen Einrichtung Ameos-Klinikum nach Osnabrück. Nachdem
sein Vater in Afghanistan in Haft an einem Herzinfarkt gestorben war und er
durch Vertreter des örtlichen Mullah-Regimes in seiner Heimatstadt Herat
zunehmend bedroht wurde, war Vahid Firouz vor 14 Monaten aus dem Land
geflohen. Seit
10 Monaten lebte er in der Landesaufnahmebehörde Bramsche-Hesepe und litt –
wie alle MitbewohnerInnen hier –- unter den furchtbaren Lebensbedingungen, dem schlechten
Essen, der Isolierung und der mangelnden medizinischen Versorgung.
"Einmal musste ich zwei Monate auf einen Arztbesuch warten",
berichtet er. no lager
osnabrück, Studentische
Initiative Begegnungsgruppe LAB, Rat der
Flüchtlinge des Lagers Bramsche-Hesepe 29.6.12; jW 13.7.12 24. Juni 12 Landkreis Rottal-Inn in Bayern. Um 6.40 Uhr sieht der
Lokführer der Südostbayernbahn auf der Strecke zwischen Eggenfelden und
Pfarrkirchen in Höhe von Spanberg ca. 100 Meter vor sich einen Mann zwischen
den Gleisen liegen. Er leitet die Notbremsung ein und gibt ein Warnsignal.
Der Regionalzug kommt nicht rechtzeitig zum Stehen und überrollt den Mann,
der unmittelbar vor Ort seinen schweren Kopfverletzungen erliegt. Bei
dem Toten handelt es sich um einen 29 Jahre alten Asylbewerber aus Nigeria,
der in Pfarrkirchen wohnte. Er hatte zusammen mit zwei Freunden in einer
Gaststätte in Eggenfelden die Nacht verbracht, und als die drei am Morgen auf
den Zug warteten, beschloß der Nigerianer, zu Fuß nach Pfarrkirchen
zurückzugehen. Die
Ermittler des Passauer Kriminaldauerdienstes gehen davon aus, daß der Mann
"plötzlich müde wurde und sich auf das Gleisbett zwischen die Schienen
legte." PNP 24.6.12;
Wochenblatt 24.6.12; PNP 25.6.12; Polizei
Niederbayern 25.6.12 Ende Juni 12 Bundesland Nordrhein-Westfalen. Im Ausländeramt des
Rhein-Erft-Kreises in Bergheim spielen sich dramatische Szenen ab. Der 46
Jahre alte chinesische Flüchtling Zangfu Whang wird – in Handschellen gefesselt
– über den Boden geschleift. Ihm wurde gerade mitgeteilt, daß er abgeschoben
werden soll. Er schreit vor Angst und Verzweiflung, dann kollabiert er. Der
seit 1997 in der Bundesrepublik lebende Mann war zum Amt gegangen, um seine
Arbeitserlaubnis abzuholen, statt dessen wird er festgenommen und kommt in
Abschiebehaft in die JVA Büren. Zangfu
Whang war als katholischer Christ und Mensch, der sich für Veränderungen der
Gesellschaft einsetzte, in China unter Druck geraten, hatte im Gefängnis
gesessen, bis er sich entschloß, seine Frau und seine drei Kinder zu
verlassen und aus dem Land zu flüchten. In
der Bundesrepublik wurde er als Asylberechtigter anerkannt – verlor diesen
Status aber im Jahre 2003 wieder. Trotz seines prekären Aufenthaltes gelang
es ihm, über lange Jahre als Koch in chinesischen Restaurants zu arbeiten. Nach
den ersten drei Jahren im Übergangslager Münster lebte Zangfu Whang in den
letzten zwölf Jahren im Flüchtlingsheim Erfstadt. Allein
durch die Unterstützung von Personen des Ökumenischen Arbeitskreises
Flüchtlingshilfe und Pro Asyl gelingt es über eine Petition an den
Düsseldorfer Landtag, die Abschiebung von Zangfu Whang zu verhindern. Nach
knapp sechs Wochen Abschiebehaft wird er am 8. August entlassen und kann
zurück in seine Unterkunft. KStA 16.7.12; KStA 8.8.12; KR
13.8.12 Juni 12 Reinbek in Schleswig-Holstein. Ein 31 Jahre alter
irakischer Flüchtling wird völlig verwahrlost, abgemagert und psychisch
schwerkrank von einer Freundin in seiner Unterkunft vorgefunden und ins
Krankenhaus gebracht. Der
Iraker, der vor neun Jahren voller Hoffnung und Optimismus in die BRD
gekommen war, zerbrach sukzessive an den Entscheidungen der Behörden, die ihm
einen gesicherten Aufenthalt und Arbeit in der Bundesrepublik nicht zugestanden.
Zuletzt mußte er sich alle vier Wochen bei der Ausländerbehörde melden, um
die Duldung verlängern zu lassen. In
der Obdachlosen-Unterkunft, wo er seit langem leben mußte, war der
schwerkranke Mann absolut sich selbst überlassen und verlor sich in der
Isolation. Er war seit langer Zeit nicht mehr gesehen worden. Der
Bürgermeister zu diesem Thema: "Die Stadt Reinbek ist verpflichtet,
Asylbewerber unterzubringen – zu mehr aber auch nicht." ndr 28.6.12 Juni 12 Bundesland Bayern. Nach vierwöchiger Abschiebehaft in
München wird eine Roma-Familie nach Serbien abgeschoben. Der 19-jährige Sohn
Martin wird dadurch von seiner schwangeren deutschen Freundin Isabell
getrennt. Zwölf
Monate später lebt die Familie im Stadtteil Novo Mala von Pirot, einer Kleinstadt
im Südosten Serbiens. Hierher ist Isabell gereist, um Martin die Möglichkeit
zu geben, seinen sechs Monate alten Sohn Leon Marko zum ersten Mal zu sehen. Trotz
anwaltlicher Hilfe ist es bisher nicht gelungen, seine Rückkehr nach
Deutschland zu erreichen. Martin hat eine dreijährige Einreisesperre für
Deutschland und müßte zudem die Kosten seiner Abschiebung aufbringen. allebleiben.info
1.7.13 3. Juli 12 Flughafen Frankfurt am Main. Im Auftrag des Regierungspräsidiums
Kassel soll eine sechsköpfige Familie aus Afghanistan nach Italien
ausgeflogen werden. Als bekannt wird, daß eines der Kinder an Epilepsie
leidet, und der Vater auf die Verletzungen im Mund des Jungen hinweist, die
er sich bei den jetzt immer häufiger auftretenden Krämpfen zugefügt hat,
meint der anwesende Abschiebearzt, daß er nicht
von einer Epilepsieerkrankung ausgehen könne. Schließlich
wird die Familie ausgeflogen – der mitfliegende Arzt wird von der
Ausländerbehörde ermächtigt, ein Handgeld von 150 Euro an die Familie zu
übergeben. Der
Familienvater war bereits im Jahre 2003 in die Bundesrepublik geflüchtet und
hatte Flüchtlingsschutz bekommen. Allein aus Sorge um seine Frau und Kinder
ist er "freiwillig" nach Afghanistan zurückgefahren, um sie nach
Deutschland zu holen. Sie sind über die Türkei in einem kleinen Boot nach
Italien gekommen. Die Küstenwache hatte sich dort um die Kinder gekümmert,
weil diese tagelang nichts getrunken und gegessen hatten. In
Italien haben sie keinen Asylantrag gestellt, weil Deutschland ihr Ziel war,
denn hier leben Verwandte. Abschiebebeobachtung
FFM 2012 4. Juli 12 Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. In der
Flüchtlingsunterkunft in Neubrandenburg verbrüht sich ein 3-jähriges Kind und
kommt mit schweren Verbrennungen am Arm, an der Brust, der Schulter und am
Oberkörper ins Krankenhaus. Auch Tage später ist der Zustand der kleinen Dina
laut Aussagen des Chefarztes der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Dr. Sven Armbrust, weiter
"kritisch". Die
Eltern des Kindes müssen sich im Flüchtlingsheim ein 20 Quadratmeter großes
Zimmer mit einem dritten Erwachsenen teilen – so schreibt es das
Innenministerium vor: sechs Quadratmeter pro Person – mehr nicht. In
dieser Enge hatte der Mitbewohner Wasser für Tee aufgesetzt – und als das
Kind sich im Schlaf umdrehte, schlug es mit der Hand gegen das Gefäß. Ende
des Sommers ist Dina aus dem Krankenhaus entlassen, muß aber noch bis zum
Jahresende Spezialkleidung tragen. Die
Polizei hat inzwischen eine Mitschuld der Eltern festgestellt, weil die
Geräte, die in dem Zimmer betrieben wurden, laut Hausordnung nicht erlaubt
seien. Trotzdem
wird die Familie in absehbarer Zeit in eine NK 9.7.12; FRat MeckPom 9. Juli 12 Bundesland Bayern. Im Flüchtlingsheim Tirschenreuth
schluckt der 25 Jahre alte iranische Asylbewerber Azad Khodamoradi am
siebenten Tag eines Hungerstreiks Tabletten, um sich zu töten. Sein
Mitbewohner findet ihn morgens bewußtlos vor. Er kommt ins Krankenhaus auf
die Intensiv-Station. Der
Iraner hatte seit seiner ersten Anhörung vor 19 Monaten keinerlei Bescheid
vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhalten. Diese
Ungewißheit belastete seine Psyche so sehr, daß er aus Protest und
Verzweiflung über seine Lage den Hungerstreik begonnen hatte. Die
protestierenden Asylbewerber vom Aub-Heim; Mainpost 12.7.12
9. Juli 12 Flughafen Frankfurt am Main. Auf Anordnung des Main-Kinzig-Kreises
in Hessen soll eine Inderin mit ihren 2- und 11-jährigen Kindern nach Delhi
abgeschoben werden. Es wird ein Arzt
mitfliegen, da sie unter Bluthochdruck leidet. Der
11-jährige Sohn erklärt den Bundespolizisten von Anfang an und in bestem
Deutsch, daß der Vater nicht Zuhause gewesen war, als die Familie abgeholt
wurde. Es
stellt sich heraus, daß der Familienvater in Besitz einer
Niederlassungserlaubnis ist und daß er mit seiner Frau zwar nach indischem Recht,
jedoch nicht nach deutschem Recht verheiratet sei. Die
Frau spricht nur ihre Muttersprache, und die Verhandlungen laufen über den
Sohn als Dolmetscher. Als
sie zur Toilette geht, fällt sie zu Boden und bleibt regungslos liegen. Der
anwesende Arzt untersucht sie und erklärt, daß mit ihr alles in Ordnung sei,
woraufhin sie von BeamtInnen in den Familienraum getragen und aufs Bett
gelegt wird. Sie hat starken Brechreiz und heftige pochende Kopfschmerzen. Dann
wird sie in einen Rollstuhl gesetzt und zum Bus geschoben, der die Familie
zum Flugzeug bringen soll. Als sie im Bus unter lautem Klagen zu Boden fällt,
wird endlich die Abschiebung abgebrochen. Der
Rechtsanwalt der Familie erklärt, daß die Frau an einer starken Psychose
leide und unter schweren Psychopharmaka stehe und daß ein entsprechender
Untersuchungstermin zur Klärung ihres Gesundheitszustandes anstand. Die
Abschiebungsbeobachterinnen äußern die Ansicht, daß – unabhängig von
juristischen Erwägungen – die Abschiebungsmaßnahmen dem Kindeswohl
widersprochen haben, denn die Mutter wäre nicht in der Lage gewesen, für die
minderjährigen Kinder nach der Abschiebung zu sorgen. Zudem mußten die Kinder
mit ansehen, was mit ihrer Mutter am Flughafen geschah – obwohl der
Abschiebungsarzt immer wieder erklärte, daß "alles in Ordnung" sei. Auf
Nachfrage beim Regierungspräsidium Darmstadt wird erklärt, daß der
Ausländerbehörde von einer starken Psychose nichts bekannt sei. Allerdings
sei der Begleitarzt in der Vorbereitung der
Abschiebung darüber informiert worden, daß die Frau unter Kopfschmerzen,
Schwindel und Übelkeit leide – unter anderem mittels eines Attestes des
behandelnden Hausarztes, dem zu entnehmen ist, daß ihr aufgrund psychischer
Probleme Psychopharmaka verordnet werden. Abschiebebeobachtung
FFM 2012 10. Juli 12 Neustadt im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge im
Bundesland Sachsen. Der 21 Jahre alter Koch Sandro S. und der 40-jähriger
Monteur André R. – beide aus der Region stammend – begeben sich nach einem
Saufgelage spätabends zum Flüchtlingsheim in Langburkersdorf. Dort schieben
sie einige kleine Zweige durch ein angekipptes Fenster im Erdgeschoß,
übergießen sie mit Grillanzünder und setzen alles in Brand. Dann verlassen
sie hastig den Ort. Im Hause halten sich zu dieser Zeit ca. 100 Personen auf. Da
der hauseigene Rauchmelder Alarm schlägt, gelingt es einem Wachmann
rechtzeitig, den Brand mit einem Feuerlöscher zu ersticken. Erst
zwei Monate später werden die Täter von der Sonderkommission Rechtsextremismus
(Soko Rex) des Landeskriminalamtes ermittelt und gestehen ihre
Tatbeteiligung. Im
Mai 2013 haben sich die beiden Brandstifter vor dem Schöffengericht Pirna
wegen schwerer Brandstiftung zu verantworten. "Wir wollten niemanden
schaden" erklärt Sandro S., "Wir wollten nur ein Zeichen
setzen." Ausländerfeindlich sei er deshalb noch lange nicht, dafür esse
er zu gern Döner. Die
Brandstifter werden zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten
verurteilt – ausgesetzt auf drei Jahre Bewährungszeit. SäZ 28.9.12; DNN
29.9.12; Alternative
Dresden News 2.10.12; SäZ 22.5.2013 11. Juli 12 Flüchtlingsunterkunft Wietersheim in Nordrhein-Westfalen.
Um 7.30 Uhr wird ein 32 Jahre alter Flüchtling aus Guinea von
MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde Minden-Lübbecke und Polizeikräften in
seinem Bett geweckt. Als der Betroffene auf seine psychische Erkrankung
hinweist, werden seine Psychopharmaka vom Tisch gefegt, er wird gepackt und
nackt in Handschellen gefesselt. Dann wird er – weiterhin völlig nackt –
durch den Flur des Heimes geführt, wobei er auch mit Stökken geschlagen wird.
Weiterhin völlig unbekleidet kommt er nach Bielefeld in eine Polizeistation,
und erst hier bekommt er durch eine Vertretung des Petershäger Sozialamtes Kleidung
ausgehändigt. Dann
wird er in der zentralen Ausländerbehörde Bielefeld einem Vertreter der
Botschaft Guineas vorgeführt, der die Identität des abgelehnten Asylbewerbers
feststellen soll. Der Betroffene leidet unter
einer Posttraumatischen Belastungsstörung und wurde deshalb auch schon
stationär behandelt. Nach
diesem dramatischen und entwürdigenden Erlebnis kommt der Mann in die
psychiatrische Klinik Lübbecke. Sein Anwalt erstattet Strafanzeige bei der
Staatsanwaltschaft Bielefeld. Die
Pressestelle der Kreisverwaltung äußert sich dahingehend, daß die
"Maßnahme verhältnismäßig durchgeführt" wurde. Zudem würde die
Darstellung des Flüchtlings in "wesentlichen Teilen nicht dem
tatsächlichen Verlauf" entsprechen. MT 20.7.12; MT 21.7.12 11. Juli 12 Rheine in Nordrhein-Westfalen. Um 23.20 Uhr wird mit einem
Luftgewehr auf ein erleuchtetes Fenster der Flüchtlingsunterkunft am Kammweg
geschossen. Die BewohnerInnen werden durch den lauten Knall aufmerksam und
rufen die Polizei. Da
die Vorhänge des Fensters zugezogen sind, gehen die ermittelnden BeamtInnen
davon aus, daß nicht gezielt auf Personen geschossen wurde. Der Schuß
verursacht ein 4 x 4 Millimeter großes Loch in der Außenscheibe des
Doppelglas-Fensters. Ein Projektil wird nicht gefunden. Polizei Münster
12.2.14; BT DS 18/203 13. Juli 12 Eisenhüttenstadt in Brandenburg. Im Wohnheim der Zentralen
Ausländerbehörde (ZABH) in der Poststraße brennt es gegen 3.00 Uhr morgens.
Unbekannte haben eine Matratze an die Tür eines Wohnraumes gelehnt und angezündet.
Die beiden 18 und 23 Jahre alten somalischen Bewohner des Raumes erwachen
durch die Rauchentwicklung und können sich durch das Fenster über ein
Baugerüst ins Freie retten. Als
die Rettungskräfte der Feuerwehr eintreffen, steht die Tür bereits in
Flammen, kann jedoch schnell gelöscht werden. Die Polizei nimmt Ermittlungen
wegen Brandstiftung auf. dapd 13.7.12; MOZ 13.7.12; BeZ
13.7.12 13. Juli 12 Flughafen Frankfurt am Main. Als drei Beamte im Wartesaal auf
einen somalischen Flüchtling zugehen, um ihn für die Rückschiebung nach
Italien abzuholen, zieht dieser sein Oberteil aus, läßt sich auf den Boden
fallen und schreit laut. Die Beamten wenden nun unmittelbaren Zwang an,
drücken den Mann auf den Boden und fixieren ihn mit Plastikfesseln. Dann
tragen und ziehen sie den schreienden Mann über den Flur in einen gesonderten
Gewahrsamsraum. Als
die Abschiebebeobachterin ihre Kritik an diesem Vorgehen gegenüber den
Beamten der Bundespolizei äußert, erklärt der verantwortliche Polizist, daß
die Rückführungsmaßnahme bereits nach den ersten Widerstandshandlungen als
abgebrochen galt – die Zwangsanwendungen seien jedoch ausschließlich zum
Schutz vor Selbstverletzungen erforderlich gewesen. Abschiebebeobachtung
FFM 2012 16. Juli 12 Abschiebegefängnis Rendsburg in Schleswig-Holstein. Der 25
Jahre alte Tunesier H. M. fügt sich in selbsttötender Absicht tiefe, 3-5
Zentimeter lange Schnittwunden an den Handgelenken (Pulsadern), dem linken
Oberarm und einem Oberschenkel zu. Er wird daraufhin in die JVA Kiel verlegt
und von Angehörigen des medizinischen Dienstes behandelt. Herr
M., der auf dem Wege nach Schweden am 5. Juni 12 von der Bundespolizei an der
deutsch-dänischen Grenze festgenommen worden war, hatte offensichtlich schon
in Italien Asyl beantragt. Weil eine Übernahmezusage des zuständigen Dublin-Landes zeitlich nicht absehbar ist, erfolgt
die Entlassung aus der Haft am nächsten Tag. Herr
M. wird zunächst in Kiel der Unterkunft für Flüchtlinge in der Körnerstraße
zugewiesen. Im Zentrum für Integrative Psychiatrie werden eine
Medikamentenabhängigkeit und eine Posttraumatische Belastungsstörung
diagnostiziert. Eine nicht behandelte Epilepsie kann nicht ausgeschlossen
werden. Aufgrund
seiner Angstzustände läßt sich Herr M. auf eine vom Arzt vorgeschlagene
stationäre Behandlung nicht ein. Auch weitere Termine zur Diagnose in der
Neurologie des Unfallkrankenhauses Schleswig-Holstein nimmt er nicht wahr,
weil er sich in seinem Zimmer verschanzt hat und nicht bereit ist, es zu
verlassen. Zu
einem von der Bundespolizei organisierten Termin zur Prüfung seiner
Flugtauglichkeit beim Kieler Gesundheitsamt am 7. August kommt es nicht, weil
H. M. eine Mitarbeiterin des Flüchtlingsrates bereits am 6. August darüber
informiert, daß er sich im Zug nach Italien befindet. Seine Angst vor einer
Abschiebung in Polizeibegleitung und die Angst vor erneuter Inhaftierung
haben ihn dazu gebracht, der Rückführung vorzugreifen und sich selbst wieder
in ein Leben auf der Straße in Italien zu begeben. FRat SH 19.2.13 Zeitraum vom 17. bis 22. Juli 12 Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick. Der tunesische Abschiebegefangene S. T. kündigt der
Gefängnispsychologin an, daß er sich selbst etwas antun wird. Kurz darauf
trinkt er eine Flasche flüssiger Seife. Er kommt zur medizinischen Versorgung
ins Krankenhaus und wird von dort aus der Abschiebehaft entlassen. Herr
T. war auf dem Weg von Schweden zurück nach Tunesien in Deutschland
festgenommen worden. Er hatte Angst vor der Rückschiebung nach Schweden. Nach
seiner Entlassung aus dem Krankenhaus setzt er seine Reise nach Tunesien fort
– und meldet sich von dort aus bei einem Unterstützer. Initiative gegen
Abschiebehaft Berlin 23. Juli 12 Bundesland Bayern. Der 24 Jahre alte afghanische Flüchtling
Farid Mirzaie wird mit Nierenproblemen ins Krankenhaus gebracht. Er befindet
sich seit sieben Tagen im Hungerstreik – zusammen mit elf weiteren
Flüchtlingen aus Afghanistan, Irak und Iran, die ihr Flüchtlingsheim in Aub
verlassen haben, um vor dem Bürgermeisteramt rund um die Uhr in einem
Pavillon gegen die deutsche Flüchtlingspolitik zu demonstrieren. Damit
schließen sie sich dem Flüchtlingsprotest in Würzburg an, der am 19. März
begann. (siehe 29. März 12) Die
protestierenden Asylbewerber aus Aubheim; AdK-Blog
25.10.12 25. Juli 12 Willich-Anrath in Nordrhein-Westfalen. Morgens um 4.45 Uhr
benachrichtigen BewohnerInnen der Flüchtlingsunterkunft die Feuerwehr, weil
es in der Waschküche des Heimes brennt. In dem Waschraum, der sich in einem
Anbau befindet und frei zugänglich ist, ist das Feuer absichtlich gelegt
worden. Die brennenden Kleidungsstücke, Kabel und Kunststoffverkleidungen
verursachen dichten Rauch, der durch die Brandschutz-Türen in seiner
Ausbreitung gebremst wird. Die
62 dort wohnenden Flüchtlinge müssen das Gebäude zunächst verlassen und
können nach Löschung des Brandes wieder in ihre Zimmer zurückkehren. Bereits
am Vortag hatte der Hausmeister an der Wand eines anderen Gebäudes der Anlage
Hakenkreuze in der Größe von 40 x 40 cm festgestellt. Wegen der Brandstiftung
und der verfassungswidrigen Kennzeichen nimmt der polizeiliche Staatsschutz
die Ermittlungen auf. Polizei
Mönchengladbach 25.7.12; WZ 25.7.12; RP
25.7.12; Polizei
Mönchengladbach 21.2.14; BT DS 18/203 27. Juli 12 Hamburg. Gegen 20.00 Uhr dringen ca. 10 Polizeibeamte und
MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde in die Flüchtlingsunterkunft
Hamburg-Billstedt ein und versuchen, mit Fotos in den Händen die Mitglieder
einer 7-köpfigen Roma-Familie zu finden. Als sie das Ehepaar Sajda und
Sebastjan Aliji antreffen, geben sie ihnen eine halbe Stunde Zeit, ihre
Sachen zu packen. Schnell
wird klar, daß ihre vier Töchter im Alter von vier bis zwölf Jahren nicht in
der Unterkunft sind. Um den Aufenthaltsort der Mädchen zu erfahren, reißt die
Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde Frau T., Sajda Aliji den 15 Monate
alten Sohn Andrejas aus dem Arm und droht, ihn ihr vollends wegzunehmen, wenn
sie nicht sagen würde, wo sich ihre Töchter zur Zeit aufhielten. Die Mutter
bricht zusammen und gibt dann der Erpressung der Beamtin nach. Sie gibt die
Anmeldezettel für die Ferienfreizeit ihrer Töchter auf der Nordsee-Insel
Föhr heraus, die von der Jugendorganisation Die Falken gestaltet wird. Um
20.30 Uhr meldet sich Frau T. telefonisch beim Landesvorsitzenden der
Hamburger Falken, um zu erfahren, wie die Behörde der 12-jährigen Dvervrija,
der 11-jährigen Sibela, der 9-jährigen Nazira und der 7-jährigen Saida noch
an diesem Abend habhaft werden könnte. Dieses scheitert offensichtlich allein
an der Tatsache, daß die Fähre von Föhr zum Festland zu dieser Zeit nicht
mehr fährt. Noch
in den Räumen der Roma-Familie entwickelt sich ein Streitgespräch über die
Frage, welche Behörde in diesem Falle die Verantwortung für die Fehler trägt.
Frau T. beendet den Streit mit der Bemerkung, daß der Familie ja sowieso die Abschiebekosten zur Last gelegt würden. Als
Frau Aliji Frau T. fragt, warum sie ihr beim letzten Besuch in der
Ausländerbehörde nicht gesagt hätte, daß sie auch "freiwillig"
ausreisen könne, befiehlt diese ihr zu schweigen mit den Worten:
"Schluss mit diesen Zigeunerdiskussionen!" Das
Ehepaar Aliji wird gefragt, wer von ihnen beiden als erstes und alleine
abgeschoben werden wolle. Sebastjan
Aliji erklärt sich dazu bereit, obwohl er selbst erst am 12. Juli aus der
Klinik entlassen worden war. Er war zwei Wochen lang wegen schwerer
Depressionen und dem Verdacht auf eine Posttraumatische Belastungsstörung
stationär behandelt worden. Die
Polizisten sperren den Flur ab, verhindern jeglichen Kontakt zu den
MitbewohnerInnen in der Unterkunft, und Frau T. droht unverhohlen mit der
Äußerung, daß man sich bei der Verlängerung ihrer Duldung sehen würde. Dann
wird Herr Aliji in einen Reisebus der Firma "Hansa Rundfahrt" aus
Hamburg-Bramstedt gesetzt und weggefahren. Diese Firma ist dafür bekannt, daß
sie seit Jahren an den Abschiebungen mitwirkt. Als
die Polizei zum wiederholten Male auch von dem betreuenden Psychotherapeuten
auf die schwere Erkrankung von Herrn Aliji hingewiesen wird, lautet die Antwort, daß
eine Ärztin im Bus anwesend sei. Diese Frau fordert Herrn Aliji auf, ein
Beruhigungsmittel zu trinken, welches derart dosiert ist, daß er sich gar
nicht mehr bewegen kann. Herr
Aliji wird noch in der Nacht zum Flughafen Düsseldorf gefahren. Dort wird ihm
nach eigenen Aussagen sein Bargeld in Höhe 120 bis 200 Euro weggenommen, dann
wird er in Begleitung von drei Polizisten und der Ärztin um 6.00 Uhr nach
Mazedonien ausgeflogen. In
Skopje fragen ihn die mazedonischen Polizeibeamten, warum ihn so viele
deutsche Polizisten begleiten würden, was er denn verbrochen hätte. Die
Ärztin interveniert und bittet darum, Sebastjan Aliji jetzt nicht zu
interviewen, denn er sei sehr krank und bräuchte vorerst Ruhe – sie sollten
ihn doch in ein oder zwei Wochen schriftlich vorladen. Es
ist übrigens dieselbe Ärztin, eine Allgemeinärztin, die exakt die Erkrankung
ignoriert hatte, die kurz zuvor von psychiatrischen FachärztInnen der Klinik
Asklepios nach einem 11-tägigen stationären Aufenthalt von Herrn Aliji
diagnostiziert hatten. Jetzt – unmittelbar nach der Abschiebung – hält sie
gegenüber den mazedonischen Polizisten Sebastjan Aliji für zu krank, Fragen
zu beantworten. Dem
Abgeschobenen werden die Papiere weggenommen, ihm wird ein
"Interview" angekündigt und eine entsprechende Strafe, weil er im
Ausland um Asyl gebeten hat. Die Strafe besteht nach Aussagen von
mazedonischen Freunden in Hamburg darin, daß der Paß für ein Jahr weggenommen
wird und es keine Krankenversicherung und kein Sozialgeld gibt – zudem ist
eine Geldstrafe von 2000 bis 3000 Euro möglich. Von
Skopje gelangt Herr Aliji per Autostop nach Kumanovo, weil er schlichtweg
kein Geld für eine Fahrkarte hat. Aufgrund
der immer lauter werdenden Kritik über das skandalöse Vorgehen der
BehördenmitarbeiterInnen beginnt die Staatsanwalt wegen des Anfangsverdachts
der Nötigung gegen die Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde Frau T. zu
ermitteln. Die Innenbehörde dazu: "Nach den bisherigen Erkenntnissen
spricht alles dafür, dass die Mutter einen Schwächeanfall erlitten hat und
die Mitarbeiterin des Einwohner-Zentralamtes ihr das Kind abnahm, weil sie
zusammensackte." Wie
sich später herausstellt, war die Trennung der Familie langfristig geplant
bzw. behördlicherseits billigend in Kauf genommen worden. Auszug aus der
Akte: "Sollte sich ein Elternteil zum Zeitpunkt der Abschiebung im
Krankenhaus befinden, ist die Abschiebung des verbleibenden Elternteils mit
den Kindern geplant." Roma-UnterstützerInnen-Gruppe
Hamburg; Bericht des
Betroffenen; KMii – Hamburg
27.7.12; Die Falken
28.7.12; taz 29.7.12;
Welt 29.7.12; ndr.de/regional
30.7.12; Fluchtpunkt.2.8.12;
ND 2.8.12; ND 4.8.12; taz 7.8.12 29. Juli 12 Bundesland Sachsen – Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Ein
mit sechs Personen vollbesetzter PKW fährt am Abend auf das Gelände der
Flüchtlingsunterkunft in Schmiedeberg. Unter "Ausländer raus"-Rufen
wird vom Fahrer versucht, einen dort stehenden Flüchtling anzufahren. Diesem
gelingt es, rechtzeitig auszuweichen. Gleiches passierte auch am folgenden
Abend. Die
Staatsanwaltschaft hat auch im Februar 2013 noch keine Anklage erhoben. RAA Dresden Ende Juli 12 Solingen in Nordrhein-Westfalen. Kleine Löcher in einer Fensterscheibe
und an der Fassade des Flüchtlingswohnheimes im Ortsteil Ohligs in der
Nippesstaße sorgen für Angst und Aufregung unter den 34 BewohnerInnen. Der
Staatsschutz und das Bundeskriminalamt stellen fest, daß die
Sachbeschädigungen in der Zeit vom 20. Juli bis zum 1. August entstanden sind
und durch eine Stahlkugel – wahrscheinlich mit einer Zwille abgeschossen
- verursacht wurden. Täter
sind auch Ende August noch nicht ermittelt. Ein rassistischer Anschlag kann
weder bestätigt noch ausgeschlossen werden. Polizei
Wuppertal 2.8.12; RP 3.8.12; RP 7.8.12; RP 30.8.12 14.
August 12 Berlin-Weißensee. Gegen 17.00 Uhr wird ein brennender
Gegenstand auf den Balkon eines Wohnhauses geworfen, in dem überwiegend Flüchtlingsfamilien
leben. Die dort zum Trocknen aufgehängte Wäsche fängt Feuer. Eine
Nachbarin, die das beobachtet, alarmiert die BewohnerInnen, so daß diese
sofort mit dem Löschen beginnen. Es gelingt ihnen auch, bevor die Feuerwehr
eintrifft. Die
Polizei, die ebenfalls am Ort erscheint, fährt wieder weg, ohne mit den
betroffenen BewohnerInnen Kontakt aufgenommen zu haben. Reachout 21. August 12 Flughafen Frankfurt am Main. Ein Ehepaar mit zwei kleinen
Kindern – 10 Monate und 3 Jahre alt – wird nach Prishtina in den Kosovo
abgeschoben. Die Roma sind seit 1989 in der Bundesrepublik – ihre gesamte
Familie lebt hier, drei Brüder des Vaters haben die deutsche
Staatsangehörigkeit. Abschiebebeobachtung
FFM 2012 25. August 12 Bundesland Baden-Württemberg. Als die Feuerwehr nach den
ersten Hilferufen ab 5.53 Uhr zum Flüchtlingsheim Kirchheimer Straße im
Stuttgarter Ortsteil Sillenbuch kommt, schlagen die Flammen bereits aus den
Fenstern der dritten Etage bei einem der drei Gebäudeteile. Von den 130
Flüchtlingen, die dort wohnen, können sich 30 akut Bedrohte selbst retten.
Eine Schwangere und eine ältere Bewohnerin retten sich aus der dritten Etage,
indem sie Vorhänge an eine Satellitenschüssel knoten und sich daran
herunterlassen. Die ältere Frau stürzt dabei auf Höhe des zweiten Stockes ab
und verletzt sich an den Beinen. Ein 26-Jähriger und seine im fünften Monat
schwangere Freundin seilen sich an zusammengeknoteten Bettlaken aus dem
zweiten Stock ab und zwei weitere Flüchtlinge springen aus den Fenstern der
ersten Etage, weil Feuer und Rauch den Fluchtweg versperren. Ein
47 Jahre alter Flüchtling kommt mit schweren Brandwunden ins Krankenhaus, ein
41-Jähriger erleidet eine schwere Rauchgasvergiftung – sieben weitere
Personen kommen mit leichteren Verletzungen davon. Unter den Verletzten sind
keine Kinder. Um
6.44 Uhr haben die 90 Rettungskräfte der Feuerwehren Stuttgart, Heumaden,
Birbach und Degerloch-Hoffeld den Brand unter Kontrolle, obwohl sich immer
wieder Glutnester im Schutt entzünden. 40
Einsatzkräfte des Rettungsdienstes und ehrenamtliche HelferInnen des Roten
Kreuzes kümmern sich um die medizinische, psychologische und organisatorische
Betreuung. 68 Personen müssen das Gebäude verlassen, und 30
Flüchtlinge sind nach dem Brand obdachlos. Es
stellt sich heraus, daß das Feuer in einem Raum der ersten Etage entstanden
ist und sich dann sehr schnell auf das zweite Obergeschoß und den Dachstuhl
ausgebreitet hat. Zwei
Tage nach dem Brand können alle acht leichter Verletzten das Krankenhaus
wieder verlassen. Im
Hinblick auf den 20. Jahrestag der Gewaltausbrüche eines rassistischen Mobs
in Rostock-Lichtenhagen (23. August 92) wird zunächst auch ein politisches
Motiv für eine Brandstiftung nicht ausgeschlossen. Schließlich verdichtet
sich der Verdacht auf einen Mitbewohner, gegen den dann Ermittlungen wegen
fahrlässiger Brandstiftung aufgenommen werden. Am
15. Dezember 14 steht dieser Mann vor dem Amtsgericht Stuttgart und muß sich
verantworten. Nachdem eine Zeugin erklärt, daß ihr der 43-jährige Angeklagte
anvertraute, für den Brand verantwortlich zu sein, weil er damit aus dem Heim
herauskommen wollte, verweist die Richterin den Prozeß an das Landgericht.
Damit besteht der hinreichende Tatverdacht einer vorsätzlichen Brandstiftung
und die billigende Inkaufnah versuchten Totschlags in 33 Fällen. dpa 25.8.12; SZ
25.8.12; Welt 25.8.12; Spiegel 25.8.12;
StZ 26.8.12; Welt 26.8.12; StZ 27.8.12;
Bild 27.8.12; StN 27.8.12; Polizei
Stuttgart 31.8.12; SK 31.8.12;
Karawane Oktober 12; StZ 16.12.14 1. September 12 Schleswig-Holstein. Um 7.45 Uhr werden zwei junge
Flüchtlinge am Flensburger Bahnhof von einer Streife der Bundespoliziei
kontrolliert und festgenommen, weil sie keine gültigen Aufenthaltspapiere
vorlegen können. Der
24-jährige Marokkaner, der bereits in Dänemark und Norwegen vergeblich um
Asyl gebeten hatte, und der 17-jährige Palästinenser, der in Schweden,
Norwegen und der Bundesrepublik ebenfalls kein Bleiberecht erhielt, werden
ins Abschiebegefängnis nach Rendsburg gebracht. Wedel Schulauer
Tageblatt 3.9.12 4. September 12 Bundesland Bayern. Um 2.30 Uhr bricht ein Feuer im
Funktionsbau der Flüchtlingsunterkunft von Böbrach-Maisried aus. Alle 51
Personen, die sich zu dieser Zeit im Wohnbereich aufhalten, können das
Gebäude rechtzeitig verlassen. Vier BewohnerInnen im Alter zwischen 25 und 34
Jahren erleiden leichte Rauchgasvergiftungen und kommen vorsorglich ins
Krankenhaus. Als
Brandursache werden menschliche Fahrlässigkeit oder ein technischer Defekt
angenommen. Die
obdachlos gewordenen Flüchtlinge werden auf die Landkreise Deggendorf,
Landshut und Rottal-Inn verteilt. Polizei
Niederbayern 4.9.12; Bild 4.9.12; dapd 4.9.12;
Wochenblatt 5.9.12; PNP 10.9.12 4. September 12 Kirchheim unter Teck in Baden-Württemberg. Im staatlichen
Flüchtlingsheim in der Charlottenstraße wird der 27 Jahre alte Iraner Samir
Haschemi in seinem Zimmer tot aufgefunden. Er hat sich vergiftet. In
den 10 Monaten seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik und in diesem Lager
hat er bereits zweimal zuvor versucht, sich zu töten. Jedesmal wurde er von
der Polizei in die Psychiatrie gebracht und fünf Tage später wieder ins Heim
entlassen. Die
zur Zeit im Lager lebenden 28 iranischen Flüchtlinge warten alle seit
mehreren Monaten auf ihre Anhörung zum Asylverfahren. Viele warten über ein
Jahr lang. Auch Samir Haschemi hatte schon mehrmals um einen Termin gebeten,
aber keine Antwort erhalten. Die
Situation der Menschen im Flüchtlingsheim ist hier wie vielerorts: isoliert
und perspektivlos. Von den 40 Euro Taschengeld im Monat, das die 150
BewohnerInnen bekommen, können sie sich nicht einmal einen Deutschkurs
erlauben. Die Gutscheine für Lebensmittel im Wert von 31 Euro im Monat können
nur in dem teuren EDEKA-Laden der Kleinstadt eingelöst werden. Der Teckbote
4.9.12; strikeregensburg.wordpress.com
4.9.12; Bericht von
MitbewohnerInnen 4. September 12 Hameln im Bundesland Niedersachsen. Um 3.00 Uhr werden die
23 Jahre alte Romni Isheherzade Krasniqi und ihre 3-jährige Tochter Fatime
von der Polizei aus dem Schlaf gerissen. Frau Krasniqi soll nach 20 Jahren
Deutschland-Aufenthalt abgeschoben werden. Die Beamten gewähren der Mutter
keine ausreichende Zeit zum Packen, so daß Fatime nicht mehr angezogen werden
kann und im Schlafanzug in das Polizeifahrzeug gesetzt wird. Dann
werden sie über den Flughafen Düsseldorf nach Serbien abgeschoben. Schon
am Flughafen Belgrad wird die alleinerziehende Mutter von den serbischen
Beamten beschimpft, beleidigt und begrabscht. Auch als sie weiter nach
Lipijan in den Kosovo fährt, um am Heimatort ihrer Eltern eine Unterkunft zu
finden, wird sie immer wieder beschimpft, geschlagen und sexuell belästigt ("Ich wurde fast vergewaltigt").
Serbische Beamte zerreißen ihre serbischen Paßersatzpapiere. Von
den BewohnerInnen, die jetzt im ehemaligen Haus ihrer Eltern leben, wird sie
verjagt. Schließlich muß sie betteln gehen, um Geld für Essen zu bekommen. Mutter
und Tochter werden krank. Fatime bekommt Durchfall und starke Bauchschmerzen,
und ihre Mutter leidet unter eitrigen Ekzemen an Armen und Beinen. Irgendwann
treffen sie Menschen, die ihnen helfen wollen und die die Rückfahrt mit einem
Lastkraftwagen in die Bundesrepublik organisieren. Als
Frau Krasniqi sich bei der Ausländerbehörde meldet, will die Sachbearbeiterin
sie verhaften lassen, weil sie illegal eingereist ist. Dies kann verhindert
werden – stattdessen muß Frau Krasniqi sich täglich (!) bei der
Ausländerbehörde melden, um ihre Duldung verlängern zu lassen. HAZ 26.11.12 5. September 12 Würzburg in Bayern. Drei Tage vor dem lange und öffentlich
angekündigten Start des Protestmarsches der Flüchtlinge nach Berlin wird
Arash Dosthossein aus dem Flüchtlingscamp von Polizisten zwecks Identitätsfeststellung
mit auf eine Wache genommen. Arash Dosthossein, der seit Monaten einer der
Sprecher der Protestbewegung ist, wird auf der Wache ab 15.00 Uhr zunächst
auf aggressive Art verhört und anschliessend in Handschellen gelegt. Weil
er offiziell gegen die Residenzpflicht verstoßen hat, fahren ihn zwei
Polizisten nach Nordrhein-Westfalen zurück in sein Lager. Er muß sich mit den
auf dem Rücken gefesselten Händen auf den Rücksitz des Polizeifahrzeugs
setzen und der Beifahrer schiebt noch seinen Sitz bis nach hinten, so daß
Herr Dosthossein richtiggehend eingeklemmt wird. Als ihm nach einer halben
Stunde Fahrt die Hände, der Rücken und die Knie schmerzen, bittet er die
Beamten in gebrochenem Englisch, ihm doch die Handschellen abzunehmen, weil
er so große Schmerzen hat. Die Antworten auf seine Bitten sind: Er sei hier
in Deutschland, und hier würde Deutsch gesprochen. Als
es ihm gelingt, den Oberkörper zur Seite zu legen, um die Schmerzen
erträglicher zu machen, hält der Fahrer an und bedroht ihn mit Pfefferspray.
Dann wird er wieder aufrecht hingerückt, und die Fahrt geht weiter. In seiner
Wut und Verzweiflung beschimpft er schließlich die Beamten, worauf sie eine
Anzeige wegen Beleidigung schreiben. Am
17. Oktober 13 wird Arash Dosthossein zu zwei Monaten Haft wegen Beleidigung
der beiden Polizisten verurteilt. (siehe auch: 29. März 12) Bericht des
Betroffenen 6. September 12 Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Der 27 Jahre alte
Algerier A. A. zieht morgens das an die Steckdose angeschlossene Stromkabel
des Fernsehers aus dem Gerät und setzt sich damit selbst unter Strom. Er
sollte heute abgeschoben werden. Die
Abschiebung wird zunächst verschoben. A. A. kommt zur Beobachtung für eine
Woche in den Isolationstrakt im Erdgeschoß und wird dann doch nach Algerien
abgeschoben. Initiative gegen
Abschiebehaft Berlin; Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 10. September 12 Bundesland Bayern. Gegen 22.35 Uhr wird ein 49 Jahre alter
Asylbewerber aus Aserbaidschan in Nürnberg an der Rothenburger Straße im Bereich
des Busbahnhofs verletzt aufgefunden. Mit schweren Stichverletzungen im
Bereich der Genitalien kommt der Mann ins Krankenhaus und wird unmittelbar
notoperiert. Aufgrund
seiner eigenen Aussagen ermittelt die Polizei zunächst wegen eines Überfalls
auf ihn, bis er Anfang Oktober zugibt, daß er sich die Stichverletzungen
selber zugefügt hat. Polizei
Mittelfranken 11.9.12; Polizei
Mittelfranken 13.9.12; nordbayern.de
13.9.12; Polizei
Mittelfranken 14.9.12; nordbayern.de
2.10.12 13. September 12 Bundesland Bayern. In dem Flüchtlingslager "Camp
Pitman" im oberpfälzischen Weiden versuchen zwei iranische Flüchtlinge,
sich zu töten. Ein 23-jähriger hängt sich auf, und ein 24 Jahre alter Mann
verletzt sich mit einem Messer. Beide
werden rechtzeitig gefunden und kommen in die Psychiatrie des
Bezirksklinikums Wöllershof. Ihre Entlassung erfolgt eine Woche später. In
derselben Nacht vergiftet sich der 23-Jährige mit Tabletten und "noch
etwas anderem" und kommt bewußtlos ins Krankenhaus. Er liegt fünf Tage
lang im Koma. Den ÄrztInnen gelingt es schließlich, sein Leben zu retten, so
daß er Mitte Oktober körperlich gesund entlassen werden kann. Beide
Iraner sind abgelehnte Asylbewerber und leben seit gut eineinhalb Jahren in
dem Flüchtlingsheim. FreundInnen und MitbewohnerInnen, die die Suizidversuche
bekannt machen, berichten, daß die beiden durch ihre hoffnungslose
Lebenssituation und die Zustände im Lager zunehmend depressiver wurden und
verzweifelten. Karawane
15.9.12; Karawane 27.9.12; Oberpfalznetz.de
29.9.12; Antirassistische
Initiative Berlin 18. September 12 Bundesland Thüringen. Eine Pressekonferenz der
AktivistInnen des Refugee-Protestmarsches wird in Erfurt von etwa zehn Nazis
angegriffen. Diese haben Flugblätter und Transparente dabei, und als die
Flüchtlinge sich ihnen entgegenstellen, kommt es zu tätlichen
Auseinandersetzungen. Obwohl
Mitglieder des NPD-Bundesvorstands im Vorfeld zu Gegenaktionen aufgerufen
haben, ist die Polizei unterbesetzt und kann den Angriff nicht verhindern. ezra; LT DS TH 5/7882 18. September 12 Bundesland Thüringen. Gegen die Flüchtlingsunterkunft
Apolda wird um 20.23 Uhr ein "unbekannter Feuerwerkskörper"
geworfen, wodurch ein Fenster kaputt geht – jedoch niemand verletzt wird. Die
Ermittlungen aufgrund einer Anzeige eines Wachmannes der Unterkunft werden im
Februar 2013 ergebnislos eingestellt. StA Erfurt
28.2.14; BT DS 18/203 19. September 12 Landkreis Heilbronn - Baden-Württemberg. Um 1.00 Uhr
nachts entsteht ein Brand in der Flüchtlingsunterkunft im Gewerbegebiet
Abtsäcker in Ellhofen. Von den 33 gemeldeten BewohnerInnen aus dem Irak,
Iran, Syrien und der Türkei befinden sich 17 Personen zur Zeit im Haus. Zwei
Mitbewohner wecken sie, so daß sie sich alle aus den Fenstern der ebenerdigen
Holzbaracke ins Freie retten können. Sechs Bewohner erleiden
Rauchgasvergiftungen und kommen in die umliegenden Krankenhäuser. Trotz
Großeinsatzes der Feuerwehren von Obersulm, Ellhofen, Lehrensteinsfeld und
Weinsberg mit 84 Rettungskräften und 32 Personen der Rettungsdienste kann
nicht verhindert werden, daß die Holzbaracke vollständig ausbrennt. Nach
ersten Ermittlungen ist das Feuer im Bereich der Küche gleich neben dem
Eingang ausgebrochen. Polizei
Heilbronn 19.9.12; dpa 19.9.12 27. September 12 Flughafen Frankfurt am Main. In Zuständigkeit der
Bundespolizei Kleve wird ein junger Somali nach 22 Tagen Abschiebehaft über
Frankfurt nach Malta rückgeschoben. Der Jugendliche gibt sein Alter mit 17
Jahren an – die Behörden haben allerdings anhand einer Röntgenaufnahme der
Handwurzelknochen die Volljährigkeit "festgestellt". Abschiebebeobachtung
FFM 2012 29. und 30. September 12 Schwäbisch Gmünd in Baden-Württemberg. Im Flüchtlingsheim Auf
dem Hardt versuchen ein indischer und ein türkischer Flüchtling, sich das
Leben zu nehmen. Dies
wird bekannt, als BewohnerInnen der Flüchtlingsunterkunft am 30. September
ein Protestcamp auf dem Marktplatz errichten und gegen die Lebensbedingungen
in der ehemaligen Hardt-Kaserne protestieren. Hier leben circa 200 Personen
aus 22 Ländern unter – für die meisten – unerträglichen Bedingungen. Die
Verhandlungen der Flüchtlinge mit dem Landrat Klaus Pavel münden in einem
12-Thesen-Papier, in dem der Ostalbkreis zusagt, das Warengutschein-System
abzuschaffen und Bargeld auszuzahlen, die Ausstellung von
Arbeitserlaubnissen, Unterstützung von Sprachunterricht, Genehmigungen zum
kurzfristigen Verlassen des Landkreises (Residenzpflicht) möglichst
unbürokratisch und durch "großzügige Auslegung des Ermessens" zu
handhaben. Auch wird die kurzfristige bauliche Verbesserung der
Flüchtlingsunterkunft, die langfristige Abschaffung der Massenunterkunft bis
2014 und die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen zugesagt. Nach dieser
Einigung bauen die Flüchtlinge am 5. Oktober 12 das Protestzelt wieder ab. linksunten.indymedia.org
5.10.12 September 12 Bundesland Sachsen. Auf dem Leipziger Hauptbahnhof muß eine
Flüchtlingsfamilie die Nacht verbringen, weil der Anschlußzug nach Gera erst
am nächsten Tag fährt. Die schwerkranke und körperbehinderte Ehefrau befindet
sich im Rollstuhl bereits im Waggon, während ihr Mann und ihre 20-jährige
Tochter auf dem Bahnsteig warten. Ein
Gruppe Jugendlicher wird auf die Familie aufmerksam; zwei Jugendliche lösen
sich aus der Gruppe und beleidi- gen Vater und Tochter mit rassistischen Äußerungen. Einer
von ihnen läßt seine Hose herunter, entblößt seine Genitalien vor dem Zugfenster,
um damit die Ehefrau zu belästigen. Dann betreten die Provokateure den
Waggon, Vater und Tochter eilen hinterher, um die Mutter zu schützen. Dabei
kommt es zu körperlichen Angriffen gegen Tochter und Vater, die beide jedoch
abwehren können. Die
gerufene Polizei nimmt die Angreifer fest und leitet Ermittlungsverfahren
ein. ezra 1. Oktober 12 Prenzlau in Brandenburg. An der Bushaltestelle gegenüber
dem Flüchtlingsheim an der Berliner Straße wird ein 27 Jahre alter
palästinensischer Flüchtling von einem 42-jährigen Deutschen angegriffen. Der
Täter tritt ihm gegen Knie und Hüfte und schlägt ihm ins Gesicht. Dabei
schreit der Angreifer: "Verpiss dich, du Scheiß-Ausländer!" und
"Geh nach Hause!" Als
sich andere Flüchtlinge zur Wehr setzen, kommt es zu einem kurzen
Handgemenge, so daß es dem Angegriffenen gelingt, in die Unterkunft zu
flüchten und die Polizei zu rufen. Auch
im Beisein der Polizeibeamten beleidigt der Täter den Palästinenser weiter
und versucht, ihn erneut anzugreifen. Dieser erleidet durch die Attacke
Prellungen. Am
25. April 14 wird der mehrfach vorbestrafte Täter vom Amtsgericht Prenzlau
wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe
von 10 Monaten, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung, verurteilt. Außerdem muß
er 200 Arbeitsstunden ableisten und die Kosten des Verfahrens tragen. Der
betroffene Flüchtling ist durch den Überfall psychisch schwer angeschlagen,
traut sich nicht mehr im Dunkeln auf die Straße, hat Angstzustände und kann
schließlich einen Umzug an einen anderen Ort erwirken. "Unter den Folgen
der Tat leidet er heute noch – sein Grundvertrauen ist erschüttert", so
der Richter. (siehe auch 4. Oktober 12) gegenrede
12.10.12; Opferperspektive; Opferperspektive
2.5.02 2. Oktober 12 Cottbus in Brandenburg. Ein Mitarbeiter des Wachschutzes
der Flüchtlingsunterkunft in der Hegelstraße 89-91 informiert um 1.25 Uhr die
Polizei, weil er Personen beobachtet, die neben ihrem abgestellten PKW eine
Flüssigkeit in eine Flasche füllen und diese dann etwa 15 Meter die Straße
hinauf werfen. Die Flasche zerschellt, und es kommt zu einem Brand. Die
ca. 80 BewohnerInnen der Unterkunft – mehrheitlich aus Afghanistan – bleiben
unbeschadet. Laut polizeilicher Ermittlungen
kann nicht ausgeschlossen werden, "dass es sich bei der Tat um einen
gezielten politisch motivierten Anschlag oder zumindest um eine Drohung
gegenüber dem Heim oder den Heimbewohnern handeln könnte." Polizei Cottbus
24.2.14; BT DS 18/203 4. Oktober 12 Prenzlau in Brandenburg. Zwei palästinensische Flüchtlinge
aus dem Libanon im Alter von 27 und 33 Jahren werden gegen 21.30 Uhr an der
Röpersdorfer Straße – nahe ihrer Unterkunft – von zwei Männern angehalten.
Als diese Schlagstock und Messer hervorholen, gelingt dem 27-Jährigen die
Flucht. Er war bereits am 1. Oktober auf offener Straße überfallen worden.
(siehe dort) Der
33-jährige Palästinenser wird mit Schlagstock und Messer derart verletzt, daß
seine Verletzungen im Prenzlauer Krankenhaus zwei Tage lang stationär
behandelt werden müssen. Opferperspektive;
Konkret (JWG); taz 6.10.12; BeZ 6.10.12; gegenrede
12.10.12 7. Oktober 12 Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Auf das
Flüchtlingswohnheim in Wolgast wird ein Böller auf einen Balkon geworfen, der
geringen Sachschaden verursacht. Verletzt wird niemand. Dies
ist das Ergebnis der Stimmungsmache der Neonazis und derjenigen, die dagegen
sind, daß Wolgast seit August AsylbewerberInnen aufnimmt. Zu
diesem Zwecke wurde ein Plattenbau im sozialen Brennpunkt Wolgast-Nord
renoviert, um 200 Flüchtlinge unterbringen zu können. Die
NPD hat für den 9. November (Reichspogrom-Nacht) einen Fackelzug "gegen
Asylmißbrauch" angemeldet, der vom Bahnhof losgehen soll und vor dem
Flüchtlingsheim mit einer langen Kundgebung erst gegen 24.00 Uhr enden soll. Am
7. November hebt das Verwaltungsgericht Greifswald das Demonstrationsverbot,
das der Landkreis erlassen hatte, wieder auf. Die 200 Nazis dürfen – unter
bestimmten Auflagen – gegen das Flüchtlingsheim und die AsylbewerberInnen
demonstrieren. Mit Parolen wie "Deutschland den Deutschen – wir sind ein Volk!" und "Wir wollen keine
Asylsantenheime" ziehen sie durch die Stadt. Circa 1000
GegendemonstrantInnen versuchen mit Blockaden, die Demonstration zu
verhindern. SZ 17.10.12; Stop It! 25.10.12; aktuell.evangelisch.de
8.11.12; NK 10.11.12; BT DS 18/203 9. Oktober 12 Bundesland Brandenburg. Das Flüchtlingslager in
Waßmannsdorf, Landkreis Dahme-Spreewald, bestehend aus zwei heruntergekommenen
Plattenbauten, wird am frühen Morgen angegriffen. Die Täter zerschneiden den
Zaun, der das Kasernen- gelände umgibt, zerstören Fenster mit Steinwürfen, werfen
mit Farbe gefüllte Flaschen durch eines der Fenster. Eine der Flaschen
zersplittert direkt neben dem Kopf einer dort schlafenden Frau. Die
Angreifer versuchen in das Gebäude hineinzukommen, was ihnen nicht gelingt –
hinterlassen dann aber ein Hakenkreuz und Parolen an den Wänden:
"Rostock ist überall" und "NW-Berlin". Fünf
Tage später tritt der neue Fahrplan für den Nahverkehr in Kraft, woraus
hervorgeht, daß die Haltestelle am Flüchtlingsheim in den Abendstunden nicht
mehr angefahren wird. FRat Brbg
9.10.12; jW 10.10.12; stop it! 16.10.12; berlin-refugee-strike-tent 25.10.12; Opferperspektive; BT DS 18/203 9. Oktober 12 Bundesland Nordrhein-Westfalen. Vor dem Landgericht
Paderborn beginnt ein Prozeß gegen den 59 Jahre alten Geschäftsmann Peter W.,
dem vorgeworfen wird, den 13-jährigen Sohn von armenischen Asylbewerbern vom
April 2011 bis zum Sommer 2012 sexuell mißbraucht zu haben. Der
13-Jährige hatte zusammen mit seinem Bruder kleinere Aushilfsjobs bei dem
Geschäftsmann übernommen. Dabei kam es zu den kriminellen Taten gegen den
Jugendlichen. Mit drohender Abschiebung wurde er vom Täter zum Schweigen
erpreßt. "Er hat uns mit Gesetzen Angst gemacht", berichten die
Brüder. Dabei habe der Täter auf seine Verbindungen zu hohen Paderborner
Kreisen verwiesen: "Ich habe Freunde, die euch abschieben können. Und
dann seid ihr weg aus Deutschland." Nach
12 Verhandlungstagen wird der Täter am 5. Februar 2013 wegen schweren
sexuellen Kindesmißbrauchs zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren
verurteilt. Zwölf weitere angeklagte Taten können nicht gesühnt werden, weil
der Junge sie hinsichtlich Ort und Zeit nicht fest einordnen kann. NW 26.9.12; NW
20.12.12; NW 22.1.13; Radio Hochstift
5.2.13; NW 7.2.13 9. Oktober 12 Flughafen Frankfurt am Main. Auf Anweisung der
Ausländerbehörde Gelnhausen (Main-Kinzig-Kreis) soll ein 17-jähriger Flüchtling
aus Afghanistan nach Rom rückgeschoben werden. Er
lebt in einem Jugendheim, und sein Schwager ist zu seinem Vormund bestellt.
Bei der Duldungsverlängerung war er festgenommen und direkt zum Flughafen
gebracht worden. Der
Junge klagt über starke Bauchschmerzen, kommt in die Flughafenklinik und
erhält dort eine Überweisung zur Chirurgie und eine
Flug-Untauglichkeitsbescheinigung. Abschiebebeobachtung
FFM 2012 10. Oktober 12 Bundesland Bayern – Landkreis Aschaffenburg. Der 20 Jahre
alte Firad A. aus Aserbaidschan erhängt sich vor einer Kirche in
Heimbuchenthal. Auf
den Tag genau war er vor einem Jahr in der Bundesrepublik angekommen und nach
dem Aufenthalt in der Erstaufnahmeeinrichtung Zirndorf am 11. Januar 12 in
die Flüchtlingsunterkunft Grüner Baum in Heigenbrücken gekommen. Ab dem 22.
März lebte er in der Flüchtlingsunterkunft Hotel Hobelspan in Mespelbrunn. Farid
A. war bereits in Zirndorf und auch in Mespelbrunn in ärztlicher Behandlung –
allerdings wegen körperlicher Symptomatiken. Der Suizid des verheirateten
Mannes kam auch für die Flüchtlingsbetreuerin, den behandelnden Hausarzt und
für die SachbearbeiterInnen des Gesundheitsamtes Aschaffenburg völlig
überraschend. Mainpost
28.10.12; Initiativkreis
Menschenwürde für Flüchtlinge 29.10.12; provincialfranconia
30.10.12; SZ 30.10.12; Bayerisches Staatsministerium für
Arbeit u. Sozialordnung, Familie u.
Frauen 12.12.12; Dr. Hans Jürgen
Fahn – MdL; Antirassistische
Initiative Berlin 15. Oktober 12 Refugee Protest Strike in Berlin. Vor der nigerianischen
Botschaft in der Alten Jakobstraße 4 in Berlin-Mitte findet eine Kundgebung
statt, die die Kooperation des deutschen Staates mit Nigeria bei der
Erleichterung von Abschiebungen skandalisiert. Konkret werden Botschaftsanhörungen
angeprangert, in deren Verlauf die Identitäten von Flüchtlingen anhand der
Sprache, des Dialektes, des Aussehens oder sonstiger oder keiner konkreten
Kriterien festgelegt werden. Während der Kundgebung gelingt es ca. 20
Flüchtlingen und UnterstützerInnen, in das Gebäude zu gelangen und den
Protest auch aus den Fenstern der Botschaft heraus deutlich zu machen. Nachdem
die BesetzerInnen vom Security-Personal mit Baseballschlägern bedroht werden,
erscheint die Polizei und geht mit aller Härte vor. Sowohl in als auch vor
der Botschaft werden Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt. Dabei kommt es
zu vielen Verletzungen und zu gewaltsamen Festnahmen von 30 Personen – vor
allem werden Flüchtlinge herausgegriffen. Als
die circa 120 KundgebungsteilnehmerInnen anschließend in einer
Spontan-Demonstration zum Refugee Protest Camp am Oranienplatz zurückkehren,
werden sie von den sie "begleitenden" BeamtInnen immer wieder
massiv angegriffen, die versuchen, ihnen Transparente und Plakate zu entreißen. Ab
17.30 Uhr begeben sich vom Oranienplatz circa 1000 Menschen von Kreuzberg
nach Tempelhof zur Gefangenensammelstelle, um ihren Protest gegen das
Vorgehen der Polizei und ihre Solidarität mit den Gefangenen deutlich zu
machen. Dabei mißlingen sämtliche Versuche der Polizei, den Strom der
Menschen aufzuhalten oder umzulenken. Erst kurz vor dem Ziel – am Platz der
Luftbrücke – kommt die Demonstration an einer Kette aus Polizeiwagen und
behelmten BeamtInnen zum Stehen. Bis zur Freilassung der letzten Gefangenen um
23.45 Uhr harren über 100 Personen vor dem Polizeigebäude aus. Die
Freigelassenen berichten von schweren Mißhandlungen durch die Beamten. Der
Nigerianer Augustine Nnaji Onyema erzählt, daß eine ganze Gruppe von Beamten
auf ihn eingetreten hat und ihn mit Schlagstöcken traktierte, als er schon am
Boden lag. Er hat dadurch nicht nur ein blutunterlaufenes Auge, sondern auch
einen angebrochenen Halswirbel. Zudem haben sich die Beamten, wie er erzählt,
über ihn lustig gemacht und sinngemäß gesagt, daß sich niemand um ihn kümmern
würde, wenn er sterben würde. Auch vier Wochen nach den Mißhandlungen sind
die Einkerbungen der Plastik-Kabelbinder-Fesselungen an seinen Handgelenken
deutlich erkennbar. Der
33 Jahre alte Flüchtling Patras Bwansi aus Uganda berichtet von Verletzungen,
die ihm bei der Festnahme in der Botschaft durch Tritte in die Rippen
zugefügt wurden. Auch bei der Abnahme der Fingerabdrücke fiel er durch
Schubsen und Stöße der Beamten auf den Rücken. Anschließend traktierten ihn
circa sechs Beamte weiter, indem sie mit ihren Stiefeln auf seine Schultern,
Hände und Oberkörper traten. Auch Wochen später hat er noch Taubheitsgefühle
und Schmerzen in den Fingern der linken Hand, die durch den Stiefel eines
Beamten verletzt wurde. Der
anerkannte politische Flüchtling Hatef Soltani, der Video-Aufnahmen während
der Protestaktion gemacht hat, wird nach der Festnahme von den Beamten verbal
bedroht und wegen seines Akzents ausgelacht. Sie stoßen seinen Kopf gegen die
Wand und übergießen ihn mit kaltem Wasser. Als er bei seiner Freilassung eine
Quittung für seinen Tablet-Computer verlangt, verweigern die Beamten dies,
ziehen ihm seine Jacke über den Kopf, werfen ihn auf den Boden, schlagen auf
ihn ein und prügeln ihn die Treppen hinunter bis zum Ausgang. Sein Fazit: "Die Berliner Polizisten haben
sich ähnlich verhalten wie die im Iran, als ich dort verhaftet wurde." Mehrere
Gefangene berichten, daß ihnen die einschnürenden Kabelbinder, die ihre
Handgelenke fixierten, erst nach einer Stunde gelöst wurden. Eine
Ärztin, die einige Personen am nächsten Tag untersuchte, beschreibt
Blutergüsse im Schulter- und Nackenbereich, am Brustkorb und am unteren
Rücken, multiple Prellungen und psychische Schockzustände der verletzten
Personen. Zehn
Tage nach der Botschaftsbesetzung wird gegen drei Polizisten wegen
Körperverletzung im Amt ermittelt. (siehe hierzu auch:
"Flüchtlingsproteste im Jahre
2012") KMii 15.10.12; TS 15.10.12; taz 15.10.12; TS 26.10.12; rbb-Inforadio 26.10.12; BeZ 9.11.12; ND 10.11.12; TS 10.11.12; jW 10.11.12; Berichte einiger
Betroffener; asylstrikeberlin.wordpress.com;
www.refugeetentaction.net 19. Oktober 12 Bundesland Bayern. Morgens um 6.00 Uhr erscheint eine
Polizeieinheit in der Gemeinschaftsunterkunft Würzburg, um eine sechsköpfige
tschetschenische Familie abzuschieben. Vor
den Augen seiner schwangeren Frau und den vier Kindern im Alter von acht
Monaten, zwei, drei und fünf Jahren verletzt sich der 38 Jahre alte
Familienvater in seiner Verzweiflung und Panik mit vier tiefen Messerstichen
am Unterarm. Seine Frau bricht daraufhin zusammen und wird ins Krankenhaus
gefahren, wo die 36-Jährige auf der Intensiv-Station behandelt werden muß.
Die Schnittwunden ihres Mannes werden im gleichen Krankenhaus chirurgisch
versorgt. Nachdem
die Asylanträge der Eheleute in Polen abgelehnt worden waren, waren sie im
Sommer 2011 in die Bundesrepublik gekommen und dann über das
Erstaufnahmelager Zirndorf in das Flüchtlingslager nach Würzburg verteilt
worden. Die
Familie sollte jetzt nach Polen zurückgeschoben werden. Die Eheleute sind
sich sicher, daß sie von dort weiter nach Rußland verfrachtet würden, was für
den Mann und Vater den sicheren Tod bedeuten wird. Die Verfolgungsgeschichte
und die Fluchtgründe der Familie spielen in der BRD überhaupt keine Rolle,
denn von hier aus soll nur die Rückschiebung nach dem Dublin-II-Abkommen
durchgeführt werden. Mainpost
25.10.12; abschiebealarm
26.10.12; Pro Asyl
21.11.12 24. Oktober 12 Refugee Tent Aktion in Berlin. Knapp 20 Flüchtlinge
beginnen auf dem Pariser Platz, direkt am Brandenburger Tor, mit einem
unbegrenzten Hungerstreik, um ihren Kampf für eine menschenwürdige
Asylpolitik fortzusetzen. Am Abend befindet sich ein großes Polizeiaufgebot
am Platz: 30 Mannschaftswagen, eine Hundestaffel und Kräfte der
Kriminalpolizei. Gegen 22.00 Uhr beginnen BeamtInnen mit Hilfe von Fußtritten
und Faustschlägen gegen die Protestierenden, das gerade errichtete Zelt
abzubauen. Mit
der Begründung, daß mit der Genehmigung dieser Versammlung sämtliche
Utensilien, die dem Winterschutz, "dem Sitzen" und "dem
Liegen" dienen, verboten sind, greift die Polizei in der zweiten Nacht
um 1.45 Uhr erneut an: "19 Schlafsäcke, 13 Decken, sieben Isomatten
sowie Sitzunterlagen aus Pappe und Kunststoff" werden den
Hungerstreikenden entrissen. Auch Wasserflaschen und Regenschirme werden mitgenommen.
Sie verbieten sogar, daß sich die Menschen auf ihre Taschen oder ihre
Kleidung legen oder setzen. So sind diese gezwungen, sich bei Temperaturen um
sieben Grad auf den blanken Betonboden zu legen. Bei
dieser Polizeimaßnahme, die von rassistischen Beleidigungen von Seiten der
BeamtInnen begleitet wird, werden zwei Personen verletzt: Ein Flüchtling
kommt mit einer Verletzung am Bein ins Krankenhaus, einem Mann aus
Afghanistan wird die Nase angebrochen. Drei Iraner werden vorübergehend
festgenommen. Die Festgenommenen werden beim Einsteigen in das
Polizeifahrzeug erneut geschlagen, beschimpft, verspottet und ausgelacht, so
der Aktivist Ashkan Khorasani. Als
sich am nächsten Morgen 80 Personen vor der Moabiter Polizeiwache Perleberger
Straße versammeln, um gegen die Festnahmen zu protestieren, kommt es zu
weiteren gewalttätigen Attacken der Polizei und zu vier Festnahmen. Die
Schikanen der Berliner Polizei halten auch in den nächsten Tagen an. Abhängig
von den unterschiedlichen polizeilichen Einsatzleitern werden den
Hungerstreikenden mal die Schlafsäcke ein paar Stunden lang gelassen – später
dann sogar die Sitzpappen weggenommen. Am
1. November 12 entscheidet das Verwaltungsgericht Berlin in einem
Eilverfahren, daß Zelte und Schlafsäcke nicht verwendet werden dürfen, weil
sie der "Bequemlichkeit" der TeilnehmerInnen dienen würden und
keinen Bezug zur gemeinsamen Meinungskundgabe hätten. Sitzunterlagen wie
Kissen oder kleinere Pappen seien jedoch gestattet. Bei
einem mehr als vierstündigen Gespräch der Protestierenden mit der
Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) und der Beauftragten der
Bundesregierung für Migration, Integration und Flüchtlinge, Maria Böhmer
(CDU), zeigen sich die Politikerinnen äußerst betroffen und versprechen, sich
"für eine politische Diskussion" über ein liberaleres Asylrecht
einzusetzen. Die
Flüchtlinge geben daraufhin bekannt, daß sie ihren Hungerstreik nach acht
Tagen in Eiseskälte, bei Regen und Sturm zunächst unterbrechen, da "die
ersten Schritte zur Anerkennung ihrer Anliegen erreicht" seien. Sie
machen jedoch auch deutlich, daß sie ihren Kampf jederzeit wieder aufnehmen
werden, wenn die verabredeten nächsten Schritte von Seiten der Politikerinnen
nicht geschehen. Die Protestaktion am Brandenburger Tor geht allerdings weiter. Am
16. November nehmen 15 Personen den Hungerstreik wieder auf. Die Flüchtlinge
nutzen jetzt einen Reisebus, den ein Berliner Busunternehmen zur Verfügung
gestellt hat. Hier können sie sich zeitweilig aufwärmen und ausruhen. Am
30. November kommt unter Polizeischutz ein Abschleppwagen, um den Bus
wegzutransportieren. Die von Streikenden und UnterstützerInnen gebildete
Sitzblockade löst die Polizei mit Gewalt auf, wobei mindestens eine Person
verletzt wird – eine andere Person wird festgenommen. Dann wird der Bus 300
Meter weiter in die Straße des 17. Juni geschleppt. Nachdem die Polizei ein
Kontaktkabel an der Bus-Unterseite entfernt hat, ist auch ein Beheizen des
Busses nicht mehr möglich. Am
2. November – nach 16 Tagen Hungern und nach insgesamt sechswöchigem
Dauerprotest am Brandenburger Tor – beenden die Flüchtlinge die Aktionen, um "neue
Kraft" für ihren weiteren Kampf zu sammeln. (siehe auch: "Flüchtlingsproteste
im Jahre 2012") taz 24.10.12; BM
24.10.12; Spiegel 24.10.12; BeZ 26.10.12;
taz 26.10.12; TS 27.10.12; ND
27.10.12; Spiegel
28.10.12; jW 29.10.12; SchwT 31.10.12; taz 2.11.12; TS
2.11.12; 3.
Pressemitteilung der Protestierenden 4.11.12; epd 16.11.12; rbb 23.11.12; TS 30.11.12; TS 2.12.12; asylstrikeberlin.wordpress.com;
www.refugeetentaction.net 30. Oktober 12 Aufgrund des hohen Ausreisedruckes von Seiten der
Ausländerbehörde Hamburg tritt eine Roma-Familie aus Mazedonien mit einem
Reisebus die sogenannte freiwillige Rückreise an. An der mazedonischen Grenze
werden das Ehepaar und die vier Kinder im Alter von 3, 7, 12 und 14 Jahren
über Slowenien bis nach Österreich zurückgeschoben. Die
Nacht zum 1. November verbringen sie bei Eiseskälte und Schnee im Freien,
weil sie weder eine Anlaufstelle noch ein Amt genannt bekommen haben. Allein
durch einen in der Bundesrepublik lebenden Verwandten, der sie nach
13-stündiger Fahrt und Navigation durch Handy-Kontakt in Österreich findet,
kommen die völlig unterkühlten Menschen zurück nach Deutschland. Direkt
von der Autobahn treffen sie um 17.30 Uhr bei ihrer Rechtsanwältin ein, die
sie umgehend ins Krankenhaus bringt. Seit
dieser extremen Erfahrung ist vor allem die junge Mutter psychisch erkrankt:
Ihre schweren Depressionen mit Chronifizierungsgefahr und die
Posttraumatische Belastungsstörung müssen stationär behandelt werden. Trotzdem
ist die Familie auch im Herbst 2013 weiterhin von der Abschiebung bedroht,
weil der Hamburger Senat keinen Winterabschiebestop beschließt. FRat Hamburg
19.12.13; Sigrid Töpfer –
Rechtsanwältin 3. November 12 Wörth an der Isar im Bundesland Bayern. Um 1.00 Uhr meldet
sich eine Bewohnerin des Flüchtlingsheimes bei der Einsatzzentrale des
niederbayerischen Polizeipräsidiums und meldet einen Brand. Noch vor
Eintreffen der Feuerwehr gelingt es den elf BewohnerInnen, drei Brandherde zu
löschen. Als zwei Feuerwehrtrupps mit schwerem Atemschutz ins Gebäude zu
Nachlöscharbeiten gehen, entdecken sie im vom Haupttrakt abgetrennten
Garagentrakt ein weiteres Feuer. Die
Polizei geht von vorsätzlicher Brandstiftung aus. Daß rassistische Motive
hinter dem Anschlag stehen könnten, sei auch drei Tage nach Beginn der
Ermittlungen nicht auszusschließen, allerdings gebe es bisher keine Hinweise
darauf, sagt ein Sprecher der Polizei. Dagegen
steht die Schilderung eines Mitglieds der Flüchtlingsorganisation Karawane
Landshut: Die Hintertür des ehemaligen Gasthofes sei nicht verschließbar und
offensichtlich der Zugang für die Brandstifter gewesen. Wasserleitungen seien
geöffnet und der Waschraum neben der Küche unter Wasser gesetzt worden; die
Inhalte der Kühlschränke seien auf dem Fußboden verteilt und mit Abfällen
vermischt worden, und vor dem Anschlag waren rassistische Parolen an die Außenwände
geschrieben worden. Zudem
gebe es seit Monaten eine Hetzkampagne des neonazistischen
Kameradschaftsverbands "Freies Netz Süd" (FNS) und dessen
Unterorganisation "Nationales Bündnis Niederbayern" (NBN), in deren
Verlauf die Flüchtlingsunterkunft mehrmals mit rassistischen Parolen
beschmiert wurde und es Drohungen gegen MitarbeiterInnen des Landshuter
Landratsamtes gab, so daß Staatsanwaltschaft und Polizei eingeschaltet
wurden. Polizei
Niederbayern 3.11.12; dpa 3.11.12; Karawane –
Landshut 5.11.12; AZ München
5.11.12; SZ 6.11.12;
Landshuter Ztg 6.11.12; aida-archiv.de 6. November 12 Flughafen Frankfurt am Main. Eine abgelehnte
Asylbewerberin soll zusammen mit ihrem minderjährigen Sohn nach Karatchi
(Pakistan) ausgeflogen werden. Sie sitzt im Familienraum, weint und sagt
laut, daß ihr Mann sie in Karatchi töten wird. Ihr Sohn, der auch die
Vermittlerrolle zwischen Mutter und Bundespolizei übernimmt, versucht sie zu
trösten. Die
Abschiebung wird aufgrund passiven Widerstands abgebrochen. Abschiebebeobachtung
FFM 2012 15. November 12 Bundesland Sachsen – Gröditz im Landkreis Meißen. Am
frühen Morgen brechen mehrere Jugendliche mit schwarzen Kapuzen, bewaffnet
mit Knüppeln, in das Gröditzer Asylbewerberheim ein und brüllen
ausländerfeindliche Parolen. SäZ 24.11.2012 18. November 12 Bundesland Baden-Württemberg. Es ist kurz nach 23.00 Uhr
in der staatlichen Flüchtlingsunterkunft der Reutlinger Carl-Zeiss-Straße,
als ein eingeschaltetes Fernsehgerät in einem leeren Zimmer anfängt zu
brennen. Bis die Feuerwehren aus Reutlingen und Betzingen den Brand löschen
können, ist das Zimmer ausgebrannt. Dadurch, daß der gefährliche Bereich des
Gebäudes rechtzeitig evakuiert wurde, kam niemand zu Schaden. Polizei
Reutlingen 18.11.12 19. November 12 Neuburg an der Donau in Bayern. Auf dem Landratsamt zieht
ein 21 Jahre alter Flüchtling aus Afghanistan gegen 10.30 Uhr ein 15
Zentimeter langes Küchenmesser aus der Tasche und sticht sich – vor den Augen
seiner Sachbearbeiterin – damit in den linken Oberschenkel. Dem
gerufenen Notarzt gelingt es in einem günstigen Moment, dem Mann das Messer
abzunehmen. Der
abgelehnte Asylbewerber, der eine Verlängerung seines Aufenthaltes erwirken
wollte, wird jetzt wegen Eigengefährdung in die psychiatrische Klinik
eingewiesen. DK 19.11.12; MM
19.11.12; Welt 19.11.12;
AA 19.11.12 19. November 12 Bundesland Nordrhein-Westfalen. An einem vorübergehend als
Flüchtlingsunterkunft genutzten Gebäude in Bochum-Wiemelhausen wird
festgestellt, daß in der vergangenen Woche insgesamt sieben Fensterscheiben
eingeworfen und rassistische Schmierereien hinterlassen wurden. Zudem ist die
Verteilung von Flugblättern mit entsprechenden Inhalten beobachtet worden. Die
Ermittlungen wegen Volksverhetzung werden aufgenommen. StA Bochum 12.3.14; BT DS 18/203 23. November 12 Fürstenwalde im Bundesland Brandenburg. Am frühen Abend
wird ein 25 Jahre alter Flüchtling aus Kenia, der mit dem Fahrrad unterwegs ist,
von hinten mit einem Motorrad angefahren. Er stürzt und kugelt sich dabei das
linke Schultergelenk aus. Es bremsen weitere Biker, steigen von ihren
Maschinen, beschimpfen den am Boden Liegenden und treten auf ihn ein. Der
Kenianer muß die Verletzungen der Schulter, des linken Knies und ein
Leberhämatom stationär im Krankenhaus behandeln lassen. Nach der Entlassung
wird er weiter psychotherapeutisch behandelt. Die Täter bleiben unbekannt. Opferperspektive 29. November 12 Bundesland Sachsen-Anhalt. Am Morgen bricht ein Feuer in
einem Mülleimer der Gemeinschaftsküche des Hallenser Flüchtlingsheimes aus.
Die Bewohnerinnen und Bewohner versuchen zunächst, den Brand selbst zu
löschen. Sechs
Personen kommen mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus. MVZ 29.11.12; mdr 29.11.12 29. November 12 Bundesland Bayern. Auf dem Standstreifen der
Bundesautobahn 93 (Innsbruck – Rosenheim) kontrollieren Polizeibeamte drei
syrische Flüchtlinge, die einen erschöpften Eindruck machen. Sie geben an,
daß sie in einem LKW von Italien nach Deutschland gebracht wurden und seit
vier Tagen weder zu essen noch zu trinken bekamen. BT DS 17/12147 2. Dezember 12 Bundesland Bayern. Vom Flüchtlingsheim in Kempten geht um 14.45
Uhr ein Notruf bei der Feuerwehr ein. Durch die starke Rauchentwicklung
können die Rettungskräfte nur mit Atemschutzmasken ins Gebäude vordringen. In
der Küche finden sie neben einem Herd – der offensichtlich auch die
Brandursache ist – einen 44-jährigen Bewohner vor. Dieser ist kaum
ansprechbar und wird mit schweren Rauchgasvergiftungen umgehend ins
Krankenhaus gefahren. Weitere vier HeimbewohnerInnen werden durch
Rauchgaseinatmung verletzt. Zwei von ihnen, ein 27- und ein 29-Jähriger,
hatten anfangs versucht, das Feuer selbst zu löschen. Alle
50 BewohnerInnen mußten vorübergehend in Sicherheit gebracht werden. dpa 2.12.12; Polizei Kempten
3.12.12 8. Dezember 12 Landkreis Barnim im Bundesland Brandenburg. In einer
Gartenlaube bei Althüttendorf wird der 28 Jahre alte Bernard Mwanzia (Benson
/ Benny) aus Kenia tot aufgefunden – er ist erfroren. Der
Hergang läßt sich nicht vollständig aufklären. Festzuhalten ist nur, daß es
vorher mehrere Vorfälle gab, die darauf hinwiesen, daß er akute psychische Probleme
hatte. "Die Tatsache, daß er in keiner Behandlung war, sehen wir als
Teil einer strukturellen Unterversorgung an, die – wie in diesem Fall –
tödlich ausgehen kann", so die Sprecherin des Flüchtlingsrates
Brandenburg. Bernard
Mwanzia war dabei, ein neues Leben zu planen: eine neue Arbeit zu beginnen,
eine Wohnung zu suchen und eines seiner drei Kinder zu sich zu holen. rbb-online
11.12.12; FRat Brbg
21.12.12; FRat Brbg
Infobrief Dez.12/Jan.13 10. Dezember 12 Berlin. Eine Frau aus Serbien wird mit ihren drei Kindern
(1½, 13 und 14 Jahre alt) aus der Zentralen Aufnahmestelle für Flüchtlinge
(ZASt) in der Motardstraße abgeholt und abgeschoben. Die
Frau leidet unter Hepatitis B in der chronischen Form und hatte bereits den
ersten Termin bei einer Fachärztin für Lebererkrankungen wahrgenommen. In
Kürze sollte über die Therapie entschieden werden, die jetzt nicht mehr
stattfin den kann. Die Abschiebung der Familie
geschieht überraschend und ohne Vorankündigung. Antirassistische
Initiative Berlin; FRat Berlin 10. Dezember 12 Berliner Ortsteil Niederschöneweide. In dem
Flüchtlingsheim Köpenicker Landstraße findet der Hausmeister morgens um 7.05
Uhr einen Toten in einer der Wohnungen. Der
21 Jahre alte Mann aus Afghanistan ist durch einen Schnitt in den Hals
getötet worden. Die 5. Mordkommission nimmt die Ermittlungen auf. Polizei Berlin
10.12.12; TS 11.12.12;
Crime-Blog 11.12.12; rbb-online
11.12.12 12. Dezember 12 Bundesland Niedersachsen. Das
Gesundheitsamt für den Landkreis Goslar bestätigt, daß ein schwerer komplexer
angeborener Herzfehler im Zusammenhang mit einer fehlenden Milz die 6-jährige
Anita Memisevic aus Serbien derart schwächt, daß eine Abschiebung – auch in
Hinblick auf die "bestehenden geringeren medizinischen Versorgungs- und
Förderstandards" – nicht "empfehlenswert" ist. Da in dieser
Stellungnahme die Formulierung "nicht reisefähig" fehlt, bittet die
Ausländerbehörde das Gesundheitsamt um nachträgliche Korrektur. Dies ist auch
im Februar 2013 noch nicht geschehen, so daß die zermürbende Ungewißheit der
siebenköpfigen Familie Memisevic weiter anhält. Schon am 14. Februar 12 sollte das Ehepaar Memisevic mit
ihren fünf Töchtern im Alter von ein bis elf Jahren und deren Großmutter
abgeschoben werden, was aufgrund der Feststellung eines Formfehlers des
Niedersächsischen Innenministeriums abgewendet werden konnte. Das
Innenministerium hatte zudem entschieden, eine Härtefallentscheidung für die
Roma-Familie nicht zuzulassen. Die UnterstützerInnen aus der Kirchengemeinde
Zellerfeld und des Vereins "Leben in der Fremde" hoffen jetzt
zusammen mit der Familie auf eine humanere Wendung, weil der jahrelang als
Hardliner agierende Innenminister Schünemann (CDU) nach den Landtagswahlen im
Januar 2013 von dem SPD-Mitglied Boris Pistorius abgelöst wurde. Bereits Mitte März 2012 hatten der Arzt Dr. Till
Liebau vom radiologie.zentrum.nordharz und seine Ehefrau Uta, als
Vorstandsmitglied des Vereins "Leben in der Fremde", in einem
Schreiben an den Niedersächsischen Landtag eine "Veränderung der
Dienstanweisung für Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst" gefordert.
Anhand des Schicksals der kleinen Anita Memisevic belegen sie die Absurdität,
die Ausstellung einer Reisefähigkeitsbescheinigung von MedizinerInnen zu
verlangen, wenn dadurch schwerstkranke Personen ins Elend abgeschoben werden
können und damit in Lebensgefahr geraten. Sie bezeichnen derartige Verlangen
als "politische Instrumentalisierung" und als "Missbrauch ärztlichen
Handelns", damit "die Umsetzung eines politischen Willens ihre
Rechtfertigung findet." Im
Frühjahr 2013 stellt die Familie erneut einen Antrag bei der
Härtefallkommission des niedersächsischen Innenministeriums – dieser wird
schon in der Vorprüfung abgelehnt. Die Ausländerbehörde Goslar setzt
daraufhin die "freiwillige" Ausreisefrist auf den 31. Juli. Frau
Memisevic bricht unter der Last des monatelangen Nervenkrieges zusammen und
muß sich in stationäre psychiatrische Behandlung begeben. Offensichtlich
auf Druck der Flüchtlingsinitiativen stellt die Ausländerbehörde den
Abschiebungstermin vorerst zurück. Als Begründung wird nicht die schwerkranke
Anita angeführt, sondern daß Frau Memisevic sich noch im Krankenhaus
befindet. Damit bleibt weiterhin offen, was geschieht, wenn es der Mutter
wieder besser gehen sollte. Am
12. Februar 14 überreichen VertreterInnen des Vereins "Leben in der
Fremde" und des "Roma Center Göttingen" der Staatsministerin
im Kanzleramt für Migration, Flüchtlinge und Integration, Aydan Özoguz (SPD),
eine Petition mit 6852 Unterschriften, um die Abschiebung der jetzt fast
9-jährigen Anita zu verhindern. Bei
der letzten Untersuchung in der Universitätsklinik Göttingen wurde eine
Verschlechterung ihres Gesundheitszustands festgestellt. Er ist so labil, daß
sie es oft nicht schafft, zur Schule zu gehen. Ein fiebriger Infekt könnte
ihren Tod bedeuten. In
Serbien stände die Familie vor dem Nichts. Sie haben zuletzt in einem Haus
ohne Dach in zwei Räumen gewohnt. Oft hatten sie nichts zu essen und haben im
Winter gefroren. In
Serbien ist den Roma in der Regel der Zugang zu medizinischer Versorgung, zu
Arbeit, Bildung, Wohnungen und oft auch zu sauberem Trinkwasser verwehrt. Leben in der
Fremde 6.2.12; taz 9.2.12; Dr. Till Liebau
und Uta Liebau; Roma Center
Göttingen 17.7.13; taz 17.7.13;
migazin.de 18.7.13; Roma Center
Göttingen 13.2.14 13. Dezember 12 Landkreis Ansbach in Bayern. In der Flüchtlingsunterkunft
in Obereichenbach im Kattenbacher Weg wird ein verbrannter, an einer Wand
befestigter Erste-Hilfe-Kasten entdeckt. Nach polizeilichen Ermittlungen ist
das Feuer im Zeitraum zwischen 4.00 Uhr und 9.00 Uhr absichtlich gelegt
worden. Danach erlosch der Brand von selbst. Polizei
Mittelfranken 14.12.12 17. Dezember 12 Landkreis Neckar-Odenwald in Baden-Württemberg. Im
Morgengrauen kommen die örtlichen Polizisten in die Flüchtlings-unterkunft
von Hardheim und dringen in das Zimmer der Roma-Familie Golja ein. Das
Ehepaar, der 45-jährige Jasar Golja und seine 40 Jahre alte Frau Mirjana, und
der 18 Jahre alte Emanuel sollen umgehend nach Frankreich zurückgeschoben
werden. Die 23 und 21 Jahre alten Töchter sind davon noch nicht betroffen.
Mirjana Golja, die unter einer traumatischen Belastungsstörung und
Depressionen leidet und im Sommer zwei Monate lang in psychiatrischer
Behandlung war, gerät in Panik und versucht, sich aus dem Fenster zu stürzen. Daraufhin
werden sie und ihr Sohn von den Beamten mit äußerster Gewalt auf den Boden
geworfen und in Handschellen gelegt. Es wird ihnen keine Zeit gewährt, Sachen
zu pakken oder sich wenigstens umzuziehen, so daß Frau Golja im Schlafanzug
und in Pantoffeln an die französische Grenze zum Flughafen nach Straßburg
gefahren wird. Bei ihr sind noch ihr Mann und der Sohn. Die französischen
Beamten lassen die drei mit der Maßgabe wieder frei, daß sie binnen zwei
Tagen Frankreich wieder zu verlassen haben. So kehren sie zurück in die
Bundesrepublik und können zwei Tage später die in Hardheim zurückgelassenen
Töchter wieder in die Arme schließen. Ihre
Rechtsanwältin stellt Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen das für die
Abschiebung verantwortliche Regierungspräsidium Karlsruhe und die beteiligten
Polizisten. Die Abschiebung ist der Familie nicht angekündigt worden, und ein
Rücküberstellungsbescheid wurde ihr auch nicht vorgelegt. Die Hausärztin
diagnostiziert bei Frau Golja eine Verstärkung der Traumatisierung durch die
Abschiebung und veranlaßt eine stationäre psychiatrische Behandlung. Bereits
im Jahre 1990 war das Ehepaar mit der damals 1-jährigen Tochter aus dem Slum
Sutka bei Skopje in Mazedonien in die BRD gekommen und hatte Asyl beantragt.
Hier wurden auch die zweite Tochter und der Sohn geboren. Nach dem Versuch,
die Abschiebung durch ein Kirchenasyl zu verhindern, wurde die Familie 1998
abgeschoben. Bis zum Jahre 2010 lebte die Familie unter ärmlichsten
Verhältnissen in einem nordserbischen Dorf nahe der ungarischen Grenze, bis
sie wegen der anhaltenden sozialen und rassistischen Diskriminierungen und
körperlichen Angriffe durch die serbische Mehrheitsbevölkerung erneut die
Flucht ergriff. Sie versuchten es in der Schweiz und in Frankreich und lebten
dort auch einige Monate ohne Papiere auf der Straße. Ende Februar 2012 kamen
sie wieder nach Deutschland und stellten einen Asylfolgeantrag, dessen Bearbeitung
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) jedoch ablehnte, weil
dessen Meinung nach das Verfahren in Frankreich stattfinden sollte. Nach
dem Rückschiebeversuch geht es allen Familienmitgliedern schlecht. Frau Golja
geht am 14. Januar 2013 ins Krankenhaus, und auch eine Tochter muß sich in
psychiatrische Behandlung begeben. Wegen
Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und wegen Beleidigung während der
versuchten Rückschiebung nach Frankreich wird gegen Mirjana Golja ermittelt.
Auch wegen unerlaubter Einreise in die Bundesrepublik läuft gegen die Familie
ein Verfahren. FRat BaWü
7.1.13; RNZ 12.1.13; RNZ 28.1.13; StN
28.1.13 19. Dezember 12 Bundesland Schleswig-Holstein. Ein 29 Jahre alter marokkanischer
Flüchtling wird aus dem Rendsburger Abschiebegefängnis heraus nach
zweiwöchiger Haft entsprechend dem Dublin-II-Abkommen
nach Norwegen abgeschoben. Der Mann ist todkrank, leidet seit einer
Krebsoperation vor sieben Monaten an einem Luftröhrenschnitt mit offener
Wunde und an offenen Entzündungen im Mund und Geschwüren im Gesichtsbereich.
Da er deshalb keine feste Nahrung zu sich nehmen konnte, verlor er in Haft
erheblich an Gewicht. Obwohl
die Diakonie in Schleswig-Holstein anbot, ihm einen Platz im diakonischen
Hospiz "Haus Porsefeld" in Rendsburg mit einer
palliativ-medizinischen Betreuung bereitzustellen, erfolgt die Rückschiebung
gegen den Willen des Todkranken, der immer wieder große Angst vor der
Rückkehr nach Norwegen äußerte. FRat SH, DW SH, Landesbeauftragter
für Flüchtlings-, Asyl- und
Zuwanderungsfragen 21.12.12 28. Dezember 12 Bundesland Thüringen. Als ein 49 Jahre alter irakischer
Flüchtling in der Bahnhofstraße von Sonneberg Pfandflaschen sammelt, wird er
von drei jungen Männern beobachtet. Ein 20-Jähriger aus der Gruppe provoziert
ihn zunächst mit dem "Hitlergruß" und verletzt ihn dann mit
mehreren Fußtritten. Dem
Iraker gelingt es, zur Polizei zu flüchten, die umgehend Fahndungsmaßnahmen
einleitet. Sie finden die Gruppe schnell, so daß der Haupttäter festgenommen
werden kann. Gegen ihn wird wegen Körperverletzung und Verwenden von
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt. ezra 28. Dezember 12 Bundesland Sachsen-Anhalt. In dem Flüchtlingsheim von
Vockerode steht ein 27 Jahre alter Mann auf einem Balkon in der dritten Etage
und droht mit Selbsttötung. Er ruft laut Gebete, hat zwei Küchenmesser in den
Händen und hantiert zudem mit einem Besen. Er ist ein Flüchtling aus Somalia,
der entsprechend der Dublin-II-Verordnung nach
Italien zurückgeschoben werden soll. Polizeibeamte
einer Verhandlungsgruppe und eines Sondereinsatzkommandos (SEK) werden
angefordert, und das Heim wird von den BewohnerInnen geräumt. Über vier
Stunden gelingt es den Einsatzkräften nicht, den Somalier zum Aufgeben zu
bringen – allein die SEK-Beamten können ihn schließlich überwältigen. Er
wird in eine psychiatrische Klinik nach Wittenberg gebracht. Der
Mann gehört zu den 170 Flüchtlingen, die bis zum Jahresende aus dem rund 20
Kilometer entfernten Flüchtlingslager Möhlau nach Vockerode verlegt wurden.
Die ehemalige Kaserne der Sowjetarmee in Möhlau hat seit Jahren wegen der
katastrophalen Zustände dort in der Kritik gestanden. Der
Umzug aus Möhlau war für die BewohnerInnen demütigend und erniedrigend. Sie
mußten ihre Kleidung, die sie in Müllsäcken transportieren sollten, von den
Angestellten der Ausländerbehörde durchsuchen lassen. Sämtliche Möbel – bis
auf Wäschekörbe, Fernseher und HiFi-Geräte – durften nicht mitgenommen
werden. Sogar Pfandflaschen wurden ihnen abgenommen. Zudem erfuhren sie erst
in Vockerode, mit welchen drei weiteren Personen sie zukünftig in den
Zwei-Raum-Wohnungen leben sollten. Auf
einer Veranstaltung am 25. Januar 13, zu der eine Bürgerinitiative eingeladen
hat, die sich um Dialog bemüht, werden von den OrtsbewohnerInnen massenhaft
Vorwürfe gegen die Flüchtlinge laut. Sie werden für Zustände verantwortlich
gemacht, die der noch nicht funktionierenden Infrastruktur zuzuschreiben
sind. So wird ein Müllproblem beklagt und die neuerdings vollen Busse, weil sich die Gemeinde
strukturell noch nicht auf die 170 zusätzlichen Menschen umgestellt hat. mdr 28.12.12; MDZ 28.12.12; sek-einsatz.de
28.12.12; indymedia
28.12.12; Flüchtlingsinitiative
Vockerode; Antirassistisches
Netzwerk LSA 31. Dezember 12 Neustadt im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge im
Bundesland Sachsen. Zwei unbekannte Täter werfen Silvesterknaller in das
Treppenhaus des Flüchtlingsheimes Langburkersdorf in der Kirschallee. Durch die
Explosionen wird die Glasverkleidung des Notausganges zerstört und die
Rauchmeldeanlage ausgelöst. Zur
Zeit des Anschlags halten sich drei Asylbewerber und eine Person vom
Wachschutz im Hause auf – alle bleiben unverletzt. Alternative
Dresden News 31.12.12; DNN 31.12.12;
SachsenNews 31.12.12 31. Dezember 12 Bei einer Personenkontrolle im Zug EN 462 (Budapest –
München) durch die Bundespolizei werden auf Höhe Rosenheim zwei Flüchtlinge
aus Afghanistan festgenommen. Einer von ihnen weist Erfrierungen an den Zehen
auf, die sich die Person vor sechs Tagen zuzog, als sie in der Gegend von
Udine (Italien) bei sehr niedrigen Temperaturen zu Fuß unterwegs war. Diese
Person wehrt sich gegen die polizeiliche Durchsuchung, so daß die Beamten
"einfache körperliche Gewalt" anwenden, um den Widerstand zu
brechen. Dabei zieht sie sich Hämatome und Abschürfungen am Handgelenk und an
den Unterarmen zu – dann wird sie zur medizinischen Behandlung ins
Krankenhaus Rosenheim gebracht. BT DS 17/12147 Im Jahre 2012 Freiburg in Bundesland Baden-Württemberg. Als die
35-jährige Mazedonierin sich bei dem Frauenarzt Dr. Ulrich Clever vorstellt,
hat sie schon innere Blutungen, und es geht ihr sehr schlecht.
Fortgeschrittener Gebärmutterkrebs lautet die Diagnose, und die vierfache
Mutter kommt ins Krankenhaus. Sie
lebt seit langem ohne Papier in der Bundesrepublik und hat zuletzt als
Haushaltshilfe bei einem deutschen Ehepaar mit drei Kindern gearbeitet. Da
die Patientin auch nicht krankenversichert ist, müßte sie ca. 20.000 Euro für
die Strahlen-Therapie aufbringen. Dies gelingt nicht – die Therapie bleibt
aus, so daß die Frau ein halbes Jahr später der Erkrankung erliegt. Da
diese dramatische Geschichte kein Einzelfall ist, weil Menschen ohne Papiere
in der Krankenversorgung nur als absolute Notfälle (Unfall) behandelt werden
dürfen – die meisten Kranken sich allerdings auch aus Angst vor der
Weiterleitung ihrer Daten an die Ausländerbehörde meist sehr spät oder zu
spät in einer Praxis vorstellen, hat sich die Zentrale Ethik-Kommission der
Bundesärztekammer im Mai 2013 mit einer ausführlichen Stellungnahme an das
Bundesinnenministerium gewandt. Die
Ethik-Kommission fordert unter anderem: den Abbau der bürokratischen Hürden,
keine Einschränkungen der notwendigen medizinischen Behandlung und
verbindlichen Umgang mit der Schweigepflicht (d.h. keine Weiterleitung der
Daten an die Ausländerbehörden) bei der medizinischen Versorgung von Menschen
ohne Papiere. Welt 3.5.13; NK
3.5.13; Deutsches
Ärzteblatt 3.5.2013 Im Jahre 2012 Im Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo)
– im Bereich der zentralen Leistungsgewährung – hat sich ein Flüchtling in
Selbstverletzungsabsicht mit einer Schere einen Unterarm aufgeschnitten. BeZ 2.12.12; Ausschuß für
Gesundheit und Soziales am 25.2.13 ; Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 Im Jahre 2012 Im Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo)
– im Bereich der zentralen Leistungsgewährung – hat sich ein Flüchtling in
suizidaler Absicht einem Fenster genähert, um sich hinauszustürzen. BeZ 2.12.12; Ausschuß für
Gesundheit und Soziales am 25.2.12; Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 Im Jahre 2012 Im Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo)
– im Bereich der Erstvorsprache – hat sich ein Flüchtling mit einem Messer
selbst verletzt und wird von zwei Wachschützern überwältigt, wodurch
Schlimmeres verhindert werden kann. BeZ 2.12.12; Ausschuß für
Gesundheit und Soziales am 25.2.12; Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 Im Jahre 2012 Der schleswig-holsteinische Landesbeirat gibt bekannt, daß
es im Abschiebegefängnis Rendsburg zu fünf Selbstverletzungen von Gefangenen
kam. Einer
der Gefangenen ist der 21 Jahre alte Kurde Herr O. aus dem Irak. Er ist
schwer traumatisiert und leidet zudem unter den Schmerzen der Folter- und
Verletzungsnarben an seinen Unterarmen und der Stirn. Weil
er nicht kooperieren wollte, war er von radikalen Islamisten im Irak entführt
und eine Woche lang unter ständigen Todesandrohungen gefoltert worden – seine
Peiniger haben unter anderem versucht, seine Tattoos an den Unterarmen mit
einem Messer auszubrennen. Seitdem
hat er massive psychische Probleme und erträgt die Abschiebehaft gar nicht,
so daß er sich in Rendsburg mit einer Rasierklinge an seinem Hals selbst
verletzt. Ein Psychologe stellt eine Posttraumatische Belastungsstörung mit
Suizidalität und Zwangssymptomen fest. Er
wird in der Haft so auffällig, daß ihm Psychopharmaka verabreicht werden
müssen, wodurch sich seine Verfassung aber nicht bessert: Er ist weiterhin
sehr angespannt, teilweise verwirrt, zeigt große Ängste und leidet unter
Depressionen. Er berichtet von Intrusionen und Flashbacks, in denen er die
traumatischen Erfahrungen wieder erlebt, zeigt Übererregungssymptome wie
Zittern und motorische Unruhe und Schweißausbrüche. Er leidet unter Schlaf-
und Konzentrationsstörungen und diffusen Schmerzzuständen. Trotzdem
wird er vom Haftrichter nicht entlassen, denn ihm wird hier unterstellt, daß
er simuliere. Schließlich
wird er in ärztlicher Begleitung und mit Bundespolizeibeamten nach dem Dublin-II-Abkommen nach Norwegen zurückgeschoben. Landesbeirat –
Jahresbericht 2012
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